BROTHER DEGE - Aurora
Mehr über Brother Dege
- Genre:
- Dark Country / Americana / Rock
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- Prophecy Productions
- Release:
- 15.03.2024
- Aurora
- Where The Black Flowers Grow
- Climbing Ivy (Sleep Beside You)
- A Man Needs A Mommy
- Turn Of The Screw
- Ouroboros
- The Devil You Know
- Loser's Blues
- The Longing
Ungeplanter, dennoch grandioser Schlusspunkt einer außergewöhnlichen Karriere.
Mein Gott, was habe ich mich in den vergangenen Wochen darauf gefreut, diese Zeilen hier über das neue Album "Aurora" des Americana-Meisters BROTHER DEGE zu verfassen. Es lief aber auch oberflächlich alles einfach gut für den als Dege Legg geborenen Amerikaner und seine Fans: Mit Prophecy Productions wurde endlich eine Heimat auf unserer Seite des Atlantiks gefunden, die den großartigen Katalog des Amerikaners zu erschwinglichen Preisen neuauflegte, die Ankündigung einer ausgedehnten Europa-Tour erfreute vor allem mich persönlich, sollte sie mir doch endlich die Möglichkeit bieten, den Amerikaner aus Louisiana einmal auf der Bühne zu erleben, und zu guter Letzt ließen die Vorboten des hier nun vorliegenden Silberlings ein großes Werk erahnen, das die Roots- und Americana-Wurzeln mit einer Evolution hin zu mehr Rock'n'Roll verbinden könnte. Doch dann rollte der 11. März heran und damit die Ankündigung von Deges Band THE BRETHREN, dass der 57-Jährige überraschend am 8. März verstorben ist. Ich bin ehrlich, ich musste die Nachricht mehrfach lesen, um es überhaupt zu glauben. Die Vorfreude auf den neuen Silberling wurde natürlich auch von der Nachricht ähnlich wie zuletzt bei MAGNUM (Tony Clarkin starb kurz vor Veröffentlichung des Albums) überschattet, trotzdem siegte auch bei mir letztendlich die Neugier und so sitze ich nun hier vor den insgesamt neun frischen Kompositionen, die das zu frühe Ableben des Amerikaners noch einmal trauriger machen.
Doch fangen wir erst einmal vorne an. Gemeinsam mit seinen Mitstreitern Jim McGee (Gitarre), Kent Beatty (Bass), Schlagzeuger (Greg Travasos) und diversen Gästen arbeitete Dege insgesamt sechs Jahre am Nachfolger von "Farmer's Almanac" aus dem Jahr 2018. Genutzt wurde diese recht lange Veröffentlichungspause allerdings hervorragend, denn schon der eröffnende Titeltrack macht mit seiner beschwörerisch-finsteren Atmosphäre und einer spannenden Klanglandschaft klar, dass die auf dem Vorgänger begonnen Entwicklung hin zu mehr Rock'n'Roll konsequent fortgesetzt wurde. Auch das als Single bereits ausgekoppelte 'Where The Black Flowers Grow' unterstreicht diesen Umstand, denn auch wenn der Song den beschwingten Americana-Vibe der früheren BROHTER DEGE-Scheiben aufgreift, ist die klassische Rockband-Instrumentierung deutlich präsenter und rundet einen herrlich herben Track ab. Dazu kommt natürlich auch die gewohnt charismatische Stimme des Bandleaders, dessen Organ man sofort aus tausenden Stimmen heraushören könnte.
Spätestens mit 'Climbing Ivy (Sleep Beside You)' und 'A Man Needs A Mommy' wird aber klar, dass wir es hier mit einer neuen Evolutionsstufe des Sounds von Dege Legg zu tun haben. Klar, der Südstaaten-Charme ist immer heraushörbar, doch die Stimmung ist dunkler, die Instrumentierung vielfältiger und der gesamte musikalische Vortrag etwas ausgefeilter als in den Anfangstagen, wo Dege auch gerne einmal nur mit seiner Dobro-Gitarre und einer Kickdrum auskam. 'Ouroboros' geht sogar noch weiter, öffnet das Instrumental mit dem Einsatz einer wunderbar vorgetragenen Geige und wabernden Synthesizern (oder sind es Gitarren?) ganz neue musikalische Pfade. Gleiches gilt für die Ballade 'The Devil You Know', die untypischerweise vom Piano getragen wird, gleichzeitig aber von der unheimlich fesselnden Melodieführung im Gesang lebt, während die restliche Band vereinzelte Funken mit tollen Einfällen versprüht, die sich überall im Song finden lassen. 'Loser's Blues' ist dagegen eine typisch Roots-Rock-Nummer mit flottem Beat, coolem Text und einem dezenten ROLLING STONES-Flair. Der Track liefert damit einen wohltuenden Up-Tempo-Ausreißer, bevor das herrlich reduzierte 'The Longing' in satten 12 Minuten den Langdreher zu einem würdigen Ende bringt und schlussendlich in einer Soundlandschaft aufgeht, in der man sich glatt verlieren könnte. Wer aufgepasst hat, weiß an dieser Stelle, dass ich eine Nummer ausgelassen habe. Das ist bewusst geschehen, denn 'Turn Of The Screw' verdient es gesondert vorgestellt zu werden, ist der Track mit seinem perfekten Grenzgang zwischen Americana und Rock'n'Roll doch klar der am hellsten strahlende Stern einer insgesamt großartigen Platte, der eindrucksvoll beweist, was für ein Potential in der Kombination aus Dege und seinen Mitstreitern steckte.
So ist die ganze Geschichte um den überraschenden Tod von Dege Legg am Ende dann auch noch tragischer als sie es für Freunde, Familie und Fans sowieso schon sein muss, denn "Aurora" offenbart ganz klar, dass der Amerikaner mit seiner kreativen Vision noch lange nicht am Ende war, sondern seinen ureigenen Sound anno 2024 noch immer weiterentwickelte. "Aurora" ist dabei sicher kein Album fürs oft zitierte Easy Listening und auch die beschwingten Americana-Stampfer für die nächste Autofahrt, die etwa "Folk Songs Of The American Longhair" im Gepäck hatte, sucht man weitesgehend vergebens. Dafür ist die Scheibe eine packende und beschwörererische musikalische Reise, in der man sich für diverse Stunden verlieren kann. So traurig der Tod dieses Ausnahmekünstlers damit auch ist, bleibt uns zumindest dieses grandiose Album, das dafür sorgen wird, dass BROTHER DEGE als eine der großartigsten Stimmen des Americana noch lange in Erinnerung bleiben wird.
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Tobias Dahs