BUILT 4 SPEED - Minor Part 1
Mehr über Built 4 Speed
- Genre:
- Rockabilly
- Label:
- Endless Soul Records; Cargo Records
- Release:
- 29.09.2006
- Trust
- Long Legged One
- Rockin
- No More
- The Lady
- Gettin Lonely
- Bye Bye
Ein großer Mann mit schwarz gegeltem Haupthaar hat seine Workerboots auf einem silbrigen Riesen-Doppelbass abgeparkt. Ein blonder Typ Marke Starkkonsum Selbstgedrehter hat ein Snare abgeschraubt und stützt sich erschöpft auf das Gerät. Ein Typ Marke Wissenschaftlicher Assistent Hochschule für Maschinenbau streckt im Kampf mit seiner slidy GretschGuitar deren frechen Hals gen Boden – "Seht her, die hab ich im Griff!" Seine hellen Augen schleudern Blitze, welche sein schlummerndes Selbstbewusstsein uns entgegenbringt. Er, ein ehemaliger Thrash-Metal-Gitarrist, hat sich dankenswerterweise nach fünf Jahren familienbedingter Abstinenz entschlossen, auf die vollgeschwitzten Bretter zurückzukehren.
Neben Kinderpupern werden also auch wieder versiffte Hemden gewaschen im Hause Brasi. MORTUARY hieß seine vorherige musikalische Leidenschaft und dürfte nicht wenigen ein Begriff sein. Der da wagt, Verruchtheit mit einer Kippe im Fresswinkel anzudeuten, ist der zweite Klampfer namens Voodo Finger. Der hat jahrelange Punkrockerfahrung bei SIX PACK gesammelt. Dieser Mix diverser norddeutscher Mitdreißiger unterhält sich nun im Rockabillyslang und legt mit "Minor Part 1" den ersten Tonträger vor. Da sich hier jedoch ganze sieben Songs von jeweils vier Minuten finden, würde ich eher zur Bezeichnung MCD tendieren. Aber ist ja nicht schlimm.
Meine Lady sieht mir über die Schulter, streicht ungefragt bei "schwarz gegeeltem" das überflüssige "e" und entgegnet auf meine Qualitätsanfrage, indem ich die Ohrstöppel herausziehe: "Das ist mir zu sehr Pulp Fiction!". Mmh. Die Gute - das ist ja auch 'ne Meinung. Aber ich weiß, dass das gar nicht so beabsichtigt ist. BUILT 4 SPEED existieren erst seit knapp einem Jahr und ich unterstelle den Musikern, nicht auf diesem Retroretro-Zug aufspringen zu wollen. In der Tat die unsägliche Ausbrennung jeglicher Musikstile mit ihrer Hochzeit in den 1950ern zu einer Verbreiung der gesamten Rockabily- und Swing-Szene geführt. Kein Beitrag in Funk und Fernsehen, der nicht mit dieser Einganssequenz aus dem stilbildenden Tarantino-Film unterlegt wurde. Die Musik der zuckenden Kaugummis mit den schwarzen Stirntürmen am Standbass und den Schnitten in den pastellenen Petitcoats mit Herumwirbelfaktor 110 swingte und klirrte allwo man saß und soff. Leider gehen einem die Perlen dieser Szene durch diese nervliche Überbeanspruchung durch die Ohrlappen. Auch ich bin kein ausgewiesener 50er-Jahre-Fan, aber daran kann man ja arbeiten.
Dass diese Art Musik den Sprung in die Post-Moderne geschafft hat, trotz ihres reichlich morbiden Charmes, spricht natürlich für deren Qualität. Nur noch so viel zu diesem Ausflug: Ich finde immer noch diese Figur des gealterten Teddy-Rock-'n'-Rollers in Beckers Film "Das Leben ist eine Baustelle" für mich so exemplarisch für diese uramerikanische Szene, dass trotz des tragischen Hintergrunds immer wieder gutlaunige Erinnerungen entstehen. Sich überlebte Lebenslust sozusagen. Und tragische Züge trägt jeglicher Ausdruck, nicht nur angesichts des verunfallten James Dean als Stilikone.
Und das nun in Musik transportieren? BULIT 4 SPEED gelingt es rundum, diesen Zeitgeist und das ... na ja, dann doch ... Lebensgefühl festzuhalten. Ewiggestriges ist das nicht, man will aber auch nicht spotten "Mit dem Alter beginnt man sich für Country zu interessieren!" (DIE AERONAUTEN). Das eine oder andere gut gesetzt verhaltene Surfslide-Solo rekelt sich im stickigen Hintergrund einer vorwärts dampfenden Rhythmussektion. Der Gesang der Bassgurgel Johnny hält teilweise den strophischen Anforderungen nicht ganz stand, ihm geht gegen Ende der Zeilen die Luft aus, die Refrains jedoch reißen diese Lücke wieder zu. 'Bye Bye' ist so ein Beispiel. Ein gefälliger Barsong, der mit rauchigem Rumverschnitt gekippt wird. Der silberne Monstersaiter zupft sich Stück um Stück aus der dunklen Umgebung der dunkelrot befilzten Bühne, man hört das Klatschen der Drum-Besen auf das angeschraubte Ranzbecken zwischen den Beinen des blonden Jazzfreundes, und der rauchende Zweitgitarrist schlägt in jedem fünften oder sechsten Takt eine Art verhaltenen ollen Punkakkord an. Der Teppich auf der Bühne hat schon ein Loch, da sich der mannshohe Bass wie ein Ölbohrer um sich selbst dreht. 'Long Legged One' gefällt durch den drohenden Unterton und der hintergründigen Belehrer in Form der kreisenden Gitarren. Hier gelingt das Zusammenspiel der beiden ausnehmend gut.
Irgendwie fühlt man sich beim Hören dieser Mucke erwachsen und gereift. Das kann auch damit zu tun haben, dass sich die Gewichtungen verschoben haben. Johnny the Bass, der auch in diversen B-Movies herumtrashte, hat genau wie Kumpan Luca Familienpause zwischengelegt. Gleich mal sechs Jahre. Sympathische Jungs und sympathische Musik.
Anspieltipps: Long Legged One, No More, Bye Bye
- Redakteur:
- Mathias Freiesleben