CANDLEMASS - Nightfall
Mehr über Candlemass
- Genre:
- Doom / Heavy Metal
- Label:
- Axis Records / Intercord Record Service
- Release:
- 09.11.1987
- Gothic Stone
- The Well Of Souls
- Codex Gigas
- At The Gallows End
- Samarithan
- Marche Funebre
- Dark Are The Veils Of Death
- Mourners Lament
- Bewitched
- Black Candles
1987 gelang CANDLEMASS mit "Nightfall" die perfekte Synthese aus epischem Heavy Metal und tief schürfendem Doom. Gesanglich überflügelte man gar einen Ozzy Osbourne. <br /><br />
Bereits das instrumentale Eröffnungsstück 'Gothic Stone' deutet
an, wo die musikalische Reise hinführen wird: Tief ins Herz der Nacht, und
genau dorthin treiben dann auch spätestens mit 'The Well Of Souls' der harte
Rhythmus, die hypnotisch repetitiven Riffs und der schneidende Gesang von Messiah
Marcolin dieses großartige Album. Rhythmusbrüche und Tempowechsel gehen den
Musikern flüssig von der Hand, was die Stücke auf "Nightfall" trotz
einer gewissen Komplexität auch für Avantgarde-Verschmäher eingängig genug
macht. Dennoch werden diese Kompositionen nie langweilig. Chorgesang wird nur
an den richtigen Stellen eingesetzt, ansonsten sorgt die mit reichlich Tremolo
angereicherte Stimme von Messiah für Gänsehaut. Dass die Pathosnadel nie zu
lange im kritischen Bereich verharrt, dafür sorgt schon die stets vorhandene
Grundhärte des Gitarren- und Bass-Sounds, und auch das knochentrockene
Schlagzeugspiel trägt zur wahrhaft gothischen Stimmung bei. Nach dieser wacker
trutzenden Eröffnung lassen die kerzenhaltenden Messdiener es mit dem sämigen
Instrumentalstück 'Codex Gigas' etwas langsamer angehen, um sodann mit 'At The
Gallows End' eine kaum lichtere Elegie anzuschließen, in die neben stoischen
Riffs der alten Metalschule auch goldene Melodieseligkeit und ein wenig
theatralische Sangeskunst Einzug halten dürfen; und dieser Kontrast wirkt
keineswegs platt, sondern sorgt im Gegenteil für eine kalte, frische Brise im
sonst leicht modrigen Klanggebilde von "Nightfall". Man muss wahrlich
kein Doom-Adept sein, um die traditionelle, doch grazile Schmiedekunst dieses
Stückes würdigen zu können; aber es schadet freilich auch nicht. Die höheren
Doom-Weihen folgen jedoch sogleich: 'Samarithan' ist eines der erhabensten
Genre-Stücke, die jemals geschrieben wurden; und dabei geht es hier gar nicht
um düstere Verwünschungen, sondern im Gegenteil um Gottes Lohn für mildtätigen
Lebenswandel. Doch nicht nur das Songwriting ist großartig. Auch solistisch
können die Musiker hier voll und ganz überzeugen.
Die nächtliche, erhabene Stimmung des Albums findet auch im Coverartwork einen
angemessenen Ausdruck: THOMAS COLEs Gemälde 'Old Age' aus dem Zyklus "The
Voyage of Life" ziert die Plattenhülle von "Nightfall". Zu
Beginn der zweiten Albumhälfte wartet die Scheibe gleich mit einem weiteren ausgefallenen
Schmankerl auf: Auszügen aus Chopins melancholischem 'Marche Funèbre', in extrem
reduzierter, würdevoll schreitender Form gekonnt auf das klassische
Doom-Instrumentarium umarrangiert von CANDLEMASS. "Weniger ist oft
mehr" könnte da der Leitspruch gewesen sein. Sämtliche Feinheiten des
Originals in den Metal übersetzen zu wollen, so ein Vorhaben hätte leicht im
Desaster enden können. Insofern ist die hier gewählte Umsetzung durchaus
nachvollziehbar; für sich genommen schlüssig ist sie ohnehin. Das etwas
schnellere, groovige 'Dark Are The Veils Of Death' integriert NWoBHM-Einflüsse
und verbindet schrille Leadgitarrenarbeit mit zähl fließender Bleischmelze. In
noch tiefere Schichten der Tradition dringt 'Mourners Lament' vor, welches
direkt an die epischeren Werke von BLACK SABBATH anknüpft, diese aber an
stimmlicher Intensität im Gesang übertrifft. Gitarrensolo und Crescendo der
rhythmischen Begleitung fallen hier vortrefflich zusammen, wir sind endgültig
im dunklen Herzen der Nacht angelangt. Allein vom Gesang getragen zieht in
deren Schatten schließlich das äußerst schwere, unheimliche, doch eingängige
'Bewitched' vorbei; auch hier wurde das virtuose Solo sehr songdienlich
eingebunden, es passt sich perfekt der Stimmung des Stückes an. Auf
"Nightfall" gibt es überhaupt keinen einzigen Ausfall, alles sitzt wo
es sollte, auch die leicht nebelig verhallte, rein instrumentale Abspannmusik
'Black Candles' ist gelungen plaziert.
CANDLEMASS ist mit "Nightfall" das Kunststück
gelungen, ein Album zu erschaffen, welches sowohl Langsamkeitsfanatiker als
auch Anhänger der epischen Metallschmiedekunst jeglicher Couleur ansprechen
sollte. Anspieltipps sind da eigentlich ein Frevel am Gesamtwerk; aber wer
'Samarithan', 'Dark Are The Veils Of Death' und 'Bewitched' noch nie gehört
hat, der weiß um den Heavy Metal und den Doom einfach noch nicht gut genug
Bescheid.
- Redakteur:
- Eike Schmitz