CAPRICORNS - Ruder Forms Survive
Mehr über Capricorns
- Genre:
- Doom / Sludge / Stoner
- Label:
- Rise Above / Plastic Head
- Release:
- 14.11.2005
- 1977: Blood For Papa
- 1969: A Predator Among Us
- The First Broken Promise
- 1440: Exit Wargasmatron
- 1066: Born On The Bayeux
- 1946: The Last Renaissance Man
- 793AD: The Harrying Of The Heathen
CAPRICORNS präsentieren euch auf ihrer ersten vollständigen CD (im Frühjahr gab es bereits die selbstbetitelte Debüt-EP) Doom, Sludge oder Stonerrock der etwas anderen Art. Sie führen die Essenz ihrer Musik nicht nur auf das zurück, was Rock und Blues schon immer ausgemacht hat, sondern sie kippen allen aus ihrer Sicht überflüssigen Ballast über Bord und reduzieren ihr Schaffen auf das Kernstück rockenden Seins: das Riff. Sie machen das Riff wieder zu dem, was es dem ursprünglichen Wortsinn gemäß eigentlich immer war und sein sollte: Das Riff ist der Refrain, Herz und Seele des Songs. Wo sollte dieser philosophische Ansatz besser funktionieren als im Doom, wo ein Riff durch seine Einprägsamkeit, seine Eindringlichkeit und seine gnadenlose Heaviness mehr sagen kann als tausend Worte. Konsequenterweise verzichten die britischen Steinböcke weitgehend komplett auf den Gesang.
Ha! Erwischt! Das hat gesessen, was? Ist wohl eine britische Eigenart, bei der Kunst bewusst auf das zu verzichten, was der Rest der Welt für ach so wesentlich hält. Monty Python schufen Humor ohne Pointe und CAPRICORNS schaffen Rockmusik ohne Gesang. Funktioniert das? Es gab ja schon diverse Instrumentalplatten von Gitarrenhexern und dergleichen, klar, aber funktioniert echter, ehrlicher und erdiger Rock ohne Gesang? Schaffen es die Londoner wirklich, eingängige Stücke zu schreiben, die sich im Hirn verankern und die Wiedererkennungswert haben? Nun, ich würde ohne Einschränkung sagen: Ja, sie schaffen es! Dass sie dabei ganz gelegentlich doch mal schwach werden und ein paar Vocals oder ähnliche Stimmgeräusche einstreuen, lässt sie dabei nicht inkonsequent erscheinen, sondern verdeutlicht ihren Ansatz noch viel mehr. So merkt man beim Hören des programmatisch betitelten 'The First Broken Promise' zwar, was bei den anderen Songs objektiv fehlt, aber man merkt genauso, dass es eigentlich nicht unbedingt vermisst wird. Das Stück ist das einzige, das komplett mit Gesang versehen ist, und die abgedreht-hysterischen Sprachfetzen und markerschütternden Screams, für die kein Geringerer als OXBOW-Sänger Eugene Robinson verantwortlich zeichnet, sind sogar wirklich klasse. Dennoch fehlt den restlichen Songs nichts Wesentliches. Glaubt es, oder lasst es ...
Was den Engländern bei ihrem Unterfangen hilft, ist die Kraft des Sounds, der wirklich kaum besser und durchdringender hätte sein können. Stücke wie der doomige Opener '1977: Blood For Papa', oder das psychedelische '1969: A Predator Among Us' mit seinen herrlichen PINK FLOYD-Vibes in ihrer Heavy-Variante fesseln dafür auch gänzlich ohne Gesang und haben viele Momente, an denen sich der Hörer orientieren und festhalten kann. Schöne Laut-Leise-Dynamik und tolles Spiel mit Stimmungswechseln und Atmosphäre. Richtig schön krachend und dynamisch brettert das kurze '1440: Exit Wargasmatron' durch die Botanik, während '1066: Born On The Bayeux' mit seinen zwölfeinhalb Minuten zäher, sich langsam entfaltender und sich ebenso langsam steigernder Klanglandschaften das volle Kontrastprogramm liefert. Unglaublich, was für eine Weite und Offenheit des Sounderlebnisses sich hier im letzten Drittel offenbart. '1946: The Last Renaissance Man' verkörpert dann einen Mix aus apokalyptischem Punk und Doom, der so ähnlich auch auf dem Mist von DEBRIS INC. gewachsen sein könnte, dabei aber etwas epischer und weniger dreckig bleibt ... Die eine geshoutete Textzeile ist im Übrigen herrlich effektiv platziert und ausgewählt. Beschlossen wird das Album vom insgesamt sehr doomig ausgerichteten '793AD: The Harrying Of The Heathen', das aber im Mittelstück auch kräftig anzieht und leicht alternative Vibes einbringt, um später richtig ruhig und verträumt zu werden.
Wer auf Riffmagier, Lärmkünstler und Psychedeliker in der Schnittmenge aus PELICAN, NEUROSIS, KHANATE, MELVINS, PINK FLOYD und vielen mehr steht, dabei seinen Sound bedingungslos heavy mag und Gesang nicht für das wesentlichste Element der Rockmusik an sich hält, der dürfte an diesem mächtig produzierten und sehr homogen aber dennoch abwechslungsreich klingenden Werk sicher seine helle Freude haben. Auch Doomköpfe und Stoner, die ansonsten gerne viel Gesang haben, sollten mal ein Ohr riskieren. Die Jungs schaffen es nämlich wirklich, mit den von ihnen genutzten grundlegenden Elementen zu fesseln und keine Langweile aufkommen zu lassen. Jedenfalls empfinde ich das so.
Anspieltipps: 1977 - Blood For Papa, 1969 - A Predator Among Us, The First Broken Promise, 1066 - Born On The Bayeux
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle