CARPANI, ALEX - The Good Man
Mehr über Carpani, Alex
- Genre:
- Progressive Rock
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- Indepent Artist Records / Just For Kicks
- Release:
- 17.01.2025
- On A Train
- Perfect Chaos
- Flashbacks
- The Edge Of My Mind
- Diamond In The Rough
- Past Life
- Heart Calling
- As Light Returns
- End Of The Day
- Lost Frequencies
- The Flow
- P.T.S.D.
- Stillness And Ecstasy
- Flirting With Darkness
- Mystical
- Leaving The Path
- Masquerade
- Everything Falls Into Place
Ein Meisterwerk der musikalischen Erzählkunst.
Alex Carpani hat die besondere Gabe, Geschichten auf eine sehr ausladende Art und Weise zu erzählen und diese schließlich klangtechnisch so zu verknüpfen, dass die Zeit wie im Flug vergeht. Diese Qualität mag auch vielen anderen Künstlern der progressiven Hardrock-Szene eigen sein, jedoch geschieht es nur äußerst selten, dass ein Release mit zwei annähernd halbstündigen Longtracks so sehr in seinen Bann zieht, man sich von den Stimmungen und Emotionen so tief in den Strudel aus melodischem und dennoch dramaturgisch aufbereitetem Songwriting hineinziehen lässt und plötzlich feststellt, dass eine ganze Stunde vorbeigezogen ist. Genau das geschieht auf "The Good Man", dem neuen Konzeptwerk des italienischen Multiinstrumentalisten.
Carpani beschäftigt sich auf "The Good Man" mit den Schwächen des menschlichen Geistes, nicht zwingend mit den daraus entstehenden Abgründen, aber dennoch mit der Verzweiflung und dem sich anstauenden Frust, der imemr dann entsteht, wenn die körperlichen und seelischen Grenzen aufgezeigt werden. Die Scheibe ist in zwei längere Sinneinheiten zu jeweils neun Kapiteln unterteilt, die auch allesamt einzeln angewählt werden können, an sich aber erst in ihrer Gesamtheit Sinn ergeben.
Den Auftakt macht hier das überraschend melodische 'Amnesiac', eine Klangreise, die zwar oftmals die üblichen Stationen des symphonischen Progressive Rocks streift, aber mit vielen kleinen Nuancen Besonderheiten schafft, deren fesselnde Wirkung spätestens mit dem eingangs erwähnten Blick auf die Uhr offenbar wird. Nicht nur, dass der Protagonist hier mit einem virtuellen Orchester und zahlreichen, nicht mal sonderlich verspielten Keyboardvariationen unglaublich viele düstere Bilder zeichnet, sondern einfach die Tatsache, wie der Fluss der Story hier inszeniert wird, rührt und bewegt nachhaltig. Mit Valentina Vanini hat Carpani eine Sopranistin verpflichten können, die als emotionaler Gegenpart zu seiner eigenen Gesangsdarbietung für die ganz besonderen Momente sorgen kann und als Sahnehäubchen eines einzigartigen, überlangen Prog-Rock-Tracks fungiert. Alleine dies würde schon ausreichen, um die Investitionspflicht noch einmal in großen Lettern zu bestätigen.
Doch der italienische Musiker kann gekonnt nachlegen, geht in 'Good And Evil' etwas straighter zu Werke und setzt die Gitarren etwas deutlicher in den Vordergrund, nimmt sich aber dennoch ausreichend Zeit, um die Atmosphäre gedeihen zu lassen und mit einigen tollen Saxophon-Parts und Vaninis einzigartiger Stimme zu füllen. Der zweite Part läuft unter dem Titel 'Good And Evil' und bringt permanent diesen ständigen Kontrast zwischen Hoffnung und Ernüchterung in die musikalische Umsetzung, kreiert noch epischere Spannungsbögen und liebäugelt manchmal sogar mit einigen metallischen Parts, wenn auch nur im Ansatz. Auch hier gilt: Die Vielschichtigkeit ist beeindruckend, führt aber keinesfalls zu irgendeiner Form der Überforderung, weil auch hier das Storytelling wunderbar mit den Noten harmoniert und man sich flugs mittendrin im imposanten Geschehen von "The Good Man" befindet.
Ich muss zugestehen, dass ich die Laufbahn von Alex Carpani bis hierhin nicht verfolgt habe, nun aber sicher bin, dass der südeuropäische Künstler noch einiges in petto hat, um die Prog-Rock-Seele mit sehr großer Freude zu erfüllen. "The Good Man" darf man getrost als Meisterwerk der musikalischen Erzählkunst bezeichnen, gerade weil hier jedes einzelne Detail perfekt aufeinander abgestimmt ist. Im ersten Quartal wird es daher schwierig, diese Platte noch zu übertrumpfen!
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Björn Backes