CATTLE DECAPITATION - Terrasite
Auch im Soundcheck: Soundcheck 05/2023
Mehr über Cattle Decapitation
- Genre:
- Death Metal
- ∅-Note:
- 8.50
- Label:
- Metal Blade Records
- Release:
- 12.05.2023
- Terrasitic Adaptation
- We Eat Our Young
- Scourge Of The Offspring
- The Insignificants
- The Storm Upstairs
- And The World Will Go On Without You
- A Photic Doom
- Dead End Residents
- Solastalgia
- Just Another Body
Höllenqualen schreiender Dekonstruktivismus trifft Ton gewordenes Kettensägen-Massaker!
So, meine lieben Freunde, es ist wieder soweit: Herzlich willkommen zu einer knappen Stunde fröhlich-beschwingter, familienfreundlicher Feierabendunterhaltung mit den fünf kopflosen Deathgrind-Dämonen aus dem sonnigen San Diego. Schwer zu glauben, dass ein musikalisches Phänomen namens CATTLE DECAPITATION jetzt schon seit einem Vierteljahrhundert sein Unwesen auf diesem gebeutelten Planeten treibt. So richtig entdeckt habe ich diese Truppe für mich mit den Monster-Alben "The Harvest Floor" (2009) und vor allem "Monolith Of Inhumanity" (2012). Kaum eine andere Band verbindet auf so bemerkenswerte Weise gnadenlos harsche Brutalität, originelles, spannendes Songwriting und schräg-experimentellen Wahnsinn; auf diesem enormen Niveau höchstens noch THE RED CHORD. Das ist natürlich keine Musik für Zwischendurch, sondern eine brodelnde Ursuppe, der man sich komplett ausliefern und hingeben muss, zumindest für den grausam-schönen, kadaverästhetischen Moment. Stellen wir uns also jetzt die Frage, was Bandgründer und Frontmann Travis Ryan mit seiner Truppe auf den aktuellen Longplayer "Terrasite" so auf die Kette bekommen hat.
Eine ganze Menge, kann die Antwort nur lauten. Da begrüßen dich schon Unheil verkündende Doom-Death-Intros, die von paralysierenden Blastbeats mit "richtig" produzierten Black Metal-Gitarren hinweg gefegt werden, wie im Opener und Titelsong. Kakophonische Zwangsjacken-Breaks und hysterisch-koboldige Kreischgesänge, wie von einem licherloh brennenden Gollum, zersägen Deinen kümmerlichen Rest-Verstand. Aktuell so hippe Deathcore-Elemente, wie in 'The Storm Upstairs' oder 'A Photic Doom' punktgenau eingesetzt, werden zum Glück weiterhin sparsam verwendet. Und immer wieder regiert hier das fies-brutale Midtempo-Geballer, in vollendeter Form zum Beispiel im einprägsamen 'We Eat Our Young' zu hören, einem Highlight einer durchweg sehr starken Platte.
CATTLE DECAPITATION prügelt eben nicht unkontrolliert drauflos, sondern setzt gezielte Wirkungstreffer im nie enden wollenden Schlaghagel. Das funktioniert natürlich nur so gut, weil hier begnadete Musiker am Werk sind. Dabei gehen manisch intensive, atmosphärisch dichte Passagen, giftige Gurgeldeath-Breakdowns und wohl dosierte Grind-Explosionen nahtlos ineinander über; das ist Wall of Sound im besten Sinne des Wortes. Auch anno 2023 verbindet CATTLE DECAPITATION mit albtraumwandlerischer Selbstverständlichkeit einen Höllenqualen schreienden Dekonstruktivismus mit dem ultimativen, Ton gewordenen Kettensägen-Massaker. In dieser Hinsicht ist zum Beispiel das letzte Drittel von 'The Insignificants' ganz großes Kino. Und dann gibt es da noch etwas, das mich am CATTLE-Sound jedes Mal komplett in den Wahnsinn treibt. Wie provokativ fröhliche Gestalten in einem düsteren Horrorfilm laufen hier immer wieder irgendwie bekannt erscheinende Normalo-Thrash-Riffs, melodische 1990er Death Metal-Leads oder sogar verzerrte PINK FLOYD-Melodien, wie in 'And The World Will Go On Without You', durchs Bild. Makes my day!
Aus all diesen teuflischen Zutaten rührt CATTLE DECAPITATION ein sprudelndes, zischendes und alles zersetzendes musikalisches Gebräu an, das einem die Gehörgänge mal wieder so richtig frei spült. Ersthörer werden ob der halsbrecherischen Virtuosität und der zahlreichen unorthodoxen Wendungen erstmal ein paar Durchläufe brauchen. Aber die Geduld lohnt sich. Wir haben es hier mit einem viehisch filigranen Glanzlicht in der leider kreativ etwas verarmenden Extreme Metal-Szene zu tun. Liebhaber greifen blind zu, mutige Neugierige mögen sich dieser musikalischen Apokalypse bitte einfach schutzlos in den Rachen werfen - in der Aussicht auf eine beglückende Grenzerfahrung.
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Martin van der Laan