CELTIC FROST - Monotheist
Mehr über Celtic Frost
- Genre:
- Doom Metal
- Label:
- Century Media / EMI
- Release:
- 29.05.2006
- Progeny
- Ground
- A Dying God Coming Into Human Flesh
- Drown In Ashes
- Os Abysmi Vel Daath
- Obscured
- Domain Of Decay
- Ain Elohim
- Triptych - Totengott
- Triptych - Synagoga Satanae
- Triptych - Winter (Requiem, Chapter Three: Finale)
Wenn eine dereinst wegweisende, unvorhersehbare und in jeder Hinsicht einzigartige Band vierzehn Jahre nach ihrem Dahinscheiden zurückkehrt und der Gemeinde nach mehreren Jahren Arbeit ein neues Album auftischt, dann sind Erwartungen, Ängste, Vorfreude und Skepsis naturgemäß so vielfältig wie die Meinungen und Einschätzungen, die im Anschluss der Veröffentlichung folgen werden. Das weiß man bereits vorher, und das wird sich auch im Falle von CELTIC FROST bewahrheiten, keine Frage. Für viele von euch könnte "Monotheist" die Enttäuschung des Jahres werden, für andere sicherlich eine sehr positive Überraschung oder gar einer eurer Favoriten. Das hängt ganz von euren Erwartungen ab. Was mich angeht, habe ich versucht, dieses Album im Lichte der Bandgeschichte zu sehen und mich somit von jeglicher Erwartungshaltung frei zu machen.
Die Schweizer waren stets eine Band, die Grenzen überschreiten wollte und die sich einen Dreck um Konventionen scherte. So ist jeder, der erwartet, dass CELTIC FROST ihren Sound einer Wurzelbehandlung unterziehen würden, gnadenlos auf dem Holzweg. Die Zeiten morbider Geschichten und großer Tiere sind seit zwanzig Jahren vorbei, und nichts liegt Tom Gabriel Fischer, Martin Eric Ain und ihrem neuen Schlagzeuger Franco Sesa ferner, als Dinge aufzuwärmen, die der Vergangenheit angehören. Die Herrschaften wollten früher immer einen Schritt voraus gehen, herausfordern und ein Stück weit verstören, und das tun sie auch mit "Monotheist". Stellt sich die Frage, ob sie denn noch wirklich CELTIC FROST sind; ob der aufgeschlossene Frostie von einst noch die musikalische Verbindung zu der Band sieht, die er damals so sehr verehrte.
Insoweit kann ich natürlich nur für mich sprechen und ja, ich sehe die Verbindung. Vieles an der neuen Scheibe erinnert mich an die alten CELTIC FROST: Da wären die unbarmherzig zähen, perseverativen, wuchtigen Doom-Riffs, die mit ihrer gnadenloser Massivität und Unbeirrbarkeit die Band schon seit grauer Vorzeit begleiten. Ebenso die zarten Schlenker in Richtung Gothic, mit welchen die Schweizer schon auf "Into The Pandemonium" experimentierten. Dazu Tom Warriors unverwechselbarer Gesang, der auch noch das eine oder andere "Uhh!" bereit hält. All das sind Referenzen an die Vergangenheit, aber eben nur kleine Referenzen, die den Bezug zum eigenen Erbe herstellen. Das Schöne an "Monotheist" ist, dass sich das Album eben nicht wie so viele andere Comebacks auf diese Retro-Effekte reduzieren lässt. Das Album ist trotz allem unerhört innovativ, fortschrittlich, experimentell und frei von den Schatten der Vergangenheit. So schafft es die Legende in vollem Umfang, ihrem Ruf gerecht zu werden. Sie macht es uns möglich ihr zu folgen, aber sie macht es uns nicht leicht. Wie bei allen Vorgängeralben werden manche auf der Strecke bleiben, und sagen: Nicht mit mir! Die anderen werden sich in ihrer Verehrung für CELTIC FROST nun noch mehr bestätigt sehen als zuvor.
Doch wollen wir uns nun dem Songmaterial widmen: Die Scheibe beginnt zu 'Progeny' mit einem monolithischen, quietschenden FROST-Riff in modernem Soundgewand und leicht verzerrtem Gesang, das Tempo ist vorwiegend gehoben, wird aber durch gnadenlose Doom-Einschübe ausgebremst. Das Schlagzeug hämmert unbarmherzig, und am Ende ufert der Song atmosphärisch aus. Intensiv, eiskalt, mechanisch, steril. Es folgt 'Ground', das in seiner doch recht dürftigen Rehearsal-Version schon seit Ewigkeiten die Diskussion angeheizt hat, ob die Reunion denn überhaupt Sinn machen würde. Vergleicht man die fertige Version mit dem Rough-Mix, dann liegen wahrlich Welten dazwischen. Im Gegensatz zur Urversion hat das Teil durch die bessere Produktion und die ausgefeilteren Arrangements inzwischen Charakter, Tiefgang und Intensität erhalten. Mächtiges Riff, prägnanter Refrain, wuchtiges Drumming und ein sehr spürbar pumpender Bass von Meister Ain. Dennoch ist das Stück aufgrund seiner Abwechslungsarmut eher einer der Schwachpunkte des Albums. Das totale Kontrastprogramm bietet uns dann das filigran und entrückt beginnende 'A Dying God Coming Into Human Flesh', dessen Anfang mit Synth, Bass, cleanen Gitarren und gehauchtem Gesang eine sehr dichte Atmosphäre erzeugt, bis nach gut zwei Minuten ein mächtiges Drone-Doom-Riff loslegt, dazu völlig extremer Gesang und ein toller Refrain. Als nächstes klingt orientalisch anmutender Frauengesang aus den Boxen, Synths im Stile der SISTERS OF MERCY, ebensolches Drumming, dezente Loops und "gotischer" Gesang auch von Herrn Fischer. 'Drown In Ashes' zieht Stilelemente, die sich auch schon auf "Into The Pandemonium" dezent andeuteten, ganz konsequent bis zum Ende durch. Sicher gewöhnungsbedürftig, aber sehr gut.
Damit nicht genug: Nach einem erneut sehr spacigen Intro kehren die Schweizer bei 'Os Abysmi Vel Daath' in ihr massives Doom-Geriffe zurück, arbeiten mit abwechslungsreichem Gesang, vielerlei bizarren Effekten und einem sehr starken Refrain, der mit zu den eingängigsten der Bandgeschichte gehören dürfte. Beim erneut zerbrechlichen und entrückten 'Obscure' fühle ich mich ein wenig an TIAMAT erinnert. Schönes Duett zwischen Tom und der Gastsängerin. Stärker an das frostige Frühwerk angelehnt präsentiert sich sodann die wuchtige Doom-Walze 'Domain Of Decay', bei der Tom etliche bizarre Soli vom Stapel lässt, die sich gewaschen haben. Noch besser gestaltet sich das Ganze, wenn zur Abwechslung bei 'Ain Elohim' zunächst wieder etwas mehr aufs Gaspedal getreten wird, nur um dann die Doombremse umso effektiver wirken zu lassen. Tolle Düster-Chöre, intensive Gesangsvarianten, mit Tonnen von Feedback geschwängerte Soli und eine rituell-mantrische Grundstimmung sind es, die den Song zu etwas ganz besonderem machen. Zuletzt folgt nun noch die 'Triptych'-Trilogie, die mit 'Totengott' loslegt. Einem apokalyptischen, dezent mit Pauken und Hörnersynths orchestrierten Intro folgt infernalisches Gekeife, das sich vor einer industriellen, eiskalten Ambient-Klanglandschaft ausbreitet und so die passende Gänsehaut und richtige Stimmung für das folgende Viertelstunden-Epos 'Synagoga Satanae' erzeugt. Hier haben wir ein extrem finstres Grundgerüst aus purem, schwarzem Doom, Endzeit-Atmosphäre verstärkt durch mehrstimmige Chöre, eine lange Passage mit einem auf Deutsch geflüsterten "Gebet" und Passagen in Latein. Die Scheibe endet sodann würdig und orchestral mit dem langen Instrumental 'Winter'.
Was bleibt als Fazit? Nun, ich würde sagen, dass CELTIC FROST mit "Monotheist" genau das geschafft haben, was man vorher erwarten durfte: Eine kontroverse Platte, vor der manche huldigende Kniefälle vollführen werden und die andere als Demontage einer Legende beschimpfen werden. Ich fühle mich definitiv eher zur ersteren Gruppe hingezogen, denn für mich ist das Werk ein Musterbeispiel dafür, wie gut eine Band klingen kann, wenn sie einfach das macht, was sie selbst machen will und dabei auf nichts und niemanden Rücksicht nimmt. "Monotheist" ist avantgardistisch, vielseitig, kalt, doomig und unbarmherzig. Es ist anders, aber es ist trotzdem 100% CELTIC FROST. Zumindest das, was ich unter CELTIC FROST verstehe. Aus meiner Sicht bisher definitiv eines der besten, und vielleicht das mutigste Metalalbum des Jahres. Vorheriges Reinhören ist aber trotzdem fast Pflicht.
Einziger Wermutstropfen: Das Label hat sich in seiner grenzenlosen Weisheit (oder wie nennt man das, wenn man versucht auf Teufel komm raus den treuen Fans das Geld aus der Tasche zu ziehen?) dazu entschlossen, jeweils unterschiedliche Bonustracks auf den Digipack ('Temple Of Depression') und das Vinyl ('Incantation Against You') zu packen. Tolle Idee, herzlichen Glückwunsch auch! Sollen sich die Leute das Album jetzt am besten doppelt kaufen, oder was? Egal... ich lass mir die Freude über die Scheibe dadurch nicht verderben. Muss mir halt gut überlegen auf welche Version meine Wahl fallen wird. Ärgerlich ist sowas trotzdem.
Anspieltipps: A Dying God Coming Into Human Flesh, Domain Of Decay, Ain Elohim
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle