CEYLAN, BüLENT - Ich Liebe Menschen
Mehr über Ceylan, Bülent
- Genre:
- Metal
- ∅-Note:
- 6.00
- Label:
- OneFourAll Music/ Universal Music
- Release:
- 01.03.2024
- Ich liebe Menschen
- Boom
- Yallah Hopp
- Brüder
- Schmutzige Liebe
- Wenn Metaller traurig sind
- Anders gleich
- Klopf Klopf
- Rüstung aus Hass
- Lieder gegen Nazis
- Wohin du gehst
- Engel landen weich
Was kann er jetzt besser? Comedy oder Metal?
Beim Mannheimer Comedian BÜLENT CEYLAN hatte ich mich schon immer gefragt, was wohl vorher da war: Die stets geradezu penetrant zu jeder Gelegenheit betonte Leidenschaft für Heavy Metal? Oder war es doch das - zugegebenermaßen -beneidenswert schöne, lange und schwarze Haupthaar, das zu jeder Gelegenheit geschüttelt, rotorartig gekreist, gebangt oder sonstwie präsentiert wird? Nun bringt er tatsächlich ein Metal-Album auf den mit so etwas sowieso schon völlig überschwemmten Musikmarkt, eine tolle Möglichkeit, diesen Fragen durch Beschäftigung mit der Scheibe einmal genauer auf den Grund zu gehen.
Bevor ich mich nun auf die Musik stürze, möchte ich noch loswerden, dass ich trotz neutraler Kenntnisnahme und eher gemäßigter Begeisterung für Ceylans "Witzigkeit", einmal passiv auf seiner Seite stand, nämlich als er 2011, ein oder zwei Acts vor FREI.WILD, in Wacken auf der damals noch "Black-Stage" benannten Hauptbühne ein Comedy-Programm präsentierte. Ich traute meinen Ohren kaum, als neben mir, mitten im Infield, zwei circa Dreißigjährige mit nach hinten gegelten Haaren in FREI.WILD-Shirts und auf Hemdärmellänge bunt tätowierten Armen wüste Beschimpfungen in Richtung CEYLAN ausstießen, inklusive dem K-Wort und allem was dazugehört. Ich war spontan so angeekelt von den Typen, dass ich etwa 30m nach vorne ging und dort stehen blieb. Feige eigentlich, ich weiß! Ich hätte denen auch meine Meinung sagen können, zu mehr hat es aber eben damals nicht gereicht, hatte ich doch Schiss, eins auf die Maske zu kriegen. Aus diesen Gründen bin ich froh, dass die italienische Band seither nicht mehr dort gebucht wird.
Anstatt hier jetzt großartig auf den eineinhalb Seiten langen Beipackzettel von Universal mit vielen Weisheiten zum Künstler und seinen inhaltlichen Absichten einzugehen, mache ich mich lieber an die Mucke. Leider kann ich keine Musikernamen nennen, denn ausgerechnet diese fehlen im genannten Infotext der Plattenfirma. Vermutlich legten die Herren und/oder Damen auch nicht unbedingt Wert darauf, mit der Scheibe in Zusammenhang gebracht zu werden. Die in der Hauptsache eingeschlagenen Stilistiken in Form von NDH-Rock, Pop-Metal und Disco-Metal sind für handwerklich gute und ambitionierte Studiomusiker im Normalfall keine großartige Herausforderung, zumal bei dieser A-Fernseh-Promi-Produktion vermutlich ohnehin viel Studio-Fein zur Verfügung stand. Um einige Namen zu droppen: Der Mannheimer wagt sich keinesfalls an die von ihm ständig erwähnte Legende SLAYER, sondern orientiert sich auf meist gezähmte Art und Weise eher an RAMMSTEIN und natürlich EISBRECHER. Letztere Truppe ist noch einfacher zu kopieren, und deren Sänger ist schließlich Moderator, also kann das doch für den Bülent nicht so schwer sein, dachte dieser wohl so bei sich. Ja, und wenn "Und es war Sommer"-Peter (MAFFAY) und SALTATIO MORTIS jeweils bei einem Song helfen, kann ohnehin nichts schiefgehen. So der Plan.
Um es vorwegzunehmen, da ich hier schon wieder zu neckischen Bissigkeiten neige: Je nach Blickwinkel, beziehungsweise Musikgeschmack ist es ja gar kein so schlechtes Album geworden, auch wenn der titelgebende erste Track 'Ich liebe Menschen' mich aufgrund des gleich mal ordentlich verunglückten Sprechgesangs zu Beginn erschreckt zusammenzucken ließ. "Jesus, Bülent!!!" entsprang es meinem Hirn, während es sogleich simultan zur Musik ordentlich mit Fremdschämgefühlen zur Hand war. Der Keyboard- und Gitarrenkleister drumherum macht es zwar nicht besser, dafür aber der ganz ordentliche, von Bülent mit klarer Stimme gesungene Refrain. 'Boom' ist dann ein bis auf ein Alibiriff metalloser Disco-Partytrack mit dubiosem Text. Kostprobe gefällig? "Du, deine Freundin und ich spielen Körper-Tetris, denn ich denk doch nur an den Erhalt unserer Spezies". Oder "Boom, boom, boom, boom, wir gehen ab wie Dynamit, so als ob es kein Morgen gibt!". Wahnsinn. Mit 'Yallah Hopp' ist dann eine Art RAMMSTEIN-Parodie am Start, die musikalisch schon ein ordentliches Brett darstellt, auch wenn der Text wieder eher ängstliche große runde Augen bei mir hervorruft, unter anderem mit "Ich hab hart Bock auf Hard Rock!". In Track 4 erfolgt dann die musikalische Vereinigung vor bzw. mit SALTATIO MORTIS, dementsprechend heißt das Stück dann auch 'Brüder'. Krachige Nummer, inklusive Akkordeon. Geht echt gut ab!
In 'Schmutzige Liebe' geht es zu flottem Diso Metal dann weiterhin um 'Heavy Metal Love', inklusive SLAYER-Erwähnung, versteht sich. 'Wenn Metaller traurig sind' ist dann wieder mit arg Comedy-orientiertem Text versehen, der jedoch ganz gut gelang. Hört einfach mal rein. Diese Nummer erinnert mich mit ihrer speziellen Dynamik auch irgendwie an Lieder der ÄRZTE. Jetzt folgt der Song mit Maffays Peterchen. Ganz nett, eine Hymne an die Diversität halt. 'Anders gleich' tut niemandem weh mit seinem Groove-Metal-Riff und einer Lala-Melodie. Pop Metal folgt mit 'Klopf Klopf'. Die Melodie finde ich hierbei sehr beliebig, im Vergleich einer der schwächsten Songs auf "Ich Liebe Menschen", auch trotz erdrückendem Keyboardkleister gegen Ende.
Witzigerweise folgt dem schwächsten Lied in meiner Betrachtung das stärkste: 'Rüstung aus Hass' hat ebenfalls eine nicht gerade originelle Melodie und einen ebenso nicht genialen Text, trifft mich aber emotional, geht mir unter die Haut und kann mich sowohl musikalisch wie auch textlich abholen! Ich sehe schon die Publikumsmassen in Wacken armewedelnd "Leg sie ab! Leg sie ab!" schreien.
Anschließend blökt der witzige Mann aus Mannheim wieder ein typisches RAMMSTEIN-Reimschema ins Mikro und singt ein 'Lied gegen Nazis'. Sehr fein, davon kann man nicht genug haben, aber ein bissel origineller hätte es schon sein dürfen! Sehr aufschlussreich bezüglich der Einstellung zum Metal finde ich in diesem Song eine etwas nebensächliche Textzeile:"Köpft den Champagner, lasst uns feiern bis es Tag ist!" Ab jetzt gehört also in jeden Festival-Kühlschrank ein Sixpack Champagner! Wahrscheinlich gibt es pünktlich Mitte Juli ohnehin die Moet & Chandon "Bülent"-Edition in jedem Supermarkt zu erwerben... Seine gesanglichen Fähigkeiten darf Herr Ceylan noch einmal in der ganz netten Ballade 'Wohin du gehst' präsentieren. Gelungenes, wenn auch in der großen Konkurrenz mit Balladen anderer Künstler ziemlich abfallendes, gesangliches Paradestück auf diesem Album! Sehr originell finde ich schon alleine den Titel des abschließenden Tracks 'Engel landen weich'. Zu den Klängen dieser abermals ganz gelungenen Halbballade sehe ich schon die Frisösen in der ersten Reihe vor der Wacken-Bühne die Nase in die langen Haare des neben ihnen stehenden Metallers schneuzen.
Jetzt bin ich ein bissel gemein, denn die anfangs von mir in den Raum gestellte Frage muss bitte jeder nach Kenntnisnahme meiner Ausführungen und des Albums von Herrn Ceylan dennoch selbst für sich beantworten. Unter dem berühmten Strich liefert BÜLENT CEYLAN mit seinem ersten Metal-Album ein, wie zu erwarten war, höchst kommerziell produziertes und in der Wirksamkeit auf die Partymetal-Zielgruppe durchkalkuliertes Werk ab. Mit einer fairen Punktevergabe tue ich mich hier wieder sehr schwer, da mich die Musik auf "Ich liebe Menschen" jedoch nicht so sehr nervt wie das neue Werk von AMARANTHE, gibt es dafür sechs Punkte.
- Note:
- 6.00
- Redakteur:
- Timo Reiser