CHANDELIER - We Can Fly
Mehr über Chandelier
- Genre:
- Prog
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Eigenvertrieb
- Release:
- 20.10.2023
- Space Controller
- Help Me
- Spring
- In Between
- Mixed Magnificient Arts
- Light
- Forever And A Day
Eine wunderschöne Prog Oase!
In den 90ern wäre mir das nicht passiert. Da gab es großartige Fanzines wie das Sophisticated Rock Magazin oder das Carpe Diem, in welchen es ausschließlich um Prog Rock ging. Dort wäre eine Reunion der tollen Band CHANDELIER sicherlich abgefeiert worden und ich wäre heiß wie Frittenfett auf ein anstehendes Album gewesen. In den unüberschaubaren Optionen an Informationsquellen ist es schlichtweg komplett an mir vorbeigerauscht, dass die Band bereits 2019 beim Night Of The Prog-Festival einen Auftritt absolviert hat. Nun, fünf Jahre später liegt uns das neue Album vor, auf welchem, außer Keyboarder Armin Riemer, ausschließlich die altbekannte Garde zu hören ist.
Schon das grandiose Coverartwork macht klar, dass die Band nichts von ihrer durchweg positiven Ausstrahlung verloren hat. Die fliegende Robbe beweist, es gibt immer und überall kleine Wunder oder zumindest die Hoffnung auf eben jene. So ein schlichtes Artwork mit so viel Wirkung. Man möchte es umarmen.
Legt man dann die CD in den Schacht, kommt mit dem Opener 'Space Controller' auch gleich vertrautes Notengeflecht aus den Boxen. Die knappen acht Minuten vergehen wie im Flug und machen klar, dass die Herrschaften nichts verlernt haben. Der Gesang von Martin Eden ist noch immer originell und hoch emotional. Eine Stimme, die man unter Tausenden sofort heraushören kann. Diese Tatsache war schon damals gern immer mal ein Kritikpunkt, den ich nicht verstehen konnte, denn ich stehe sehr auf eigenständige Sänger. Musikalisch ist es natürlich noch immer Prog-Rock, der selten hektisch oder schnell wird, sondern sich eher in einem stetigen Fluss befindet und dabei zumeist eine sanfte Ernsthaftigkeit ausstrahlt. Irgendwie typisch britisch, aber eben mit einer kauzigen, deutschen Note. Frickelige Kabinettstücke sucht man bei CHANDELIER vergeblich, alle Passagen gleiten ineinander über.
Das funktioniert auch in den beiden Longtracks ganz ausgezeichnet und der Opener ist keiner dieser beiden Longtracks. Wir bewegen uns im Prog, werte Leserschar, da beginnt diese Zeitrechnung erst mit der Zweistelligkeit. So haben wir mit dem gut zehn Minuten langen 'Spring' eine herrlich frische Nummer, bei der der Titel sehr programmatisch zu verstehen ist. Textlich ist dies quasi der Titelsong und ich kann nur für mich sprechen, wenn ich sage, mit dieser Musik ist Fliegen mehr als möglich.
Der andere Mammutsong schließt das Album ab, hört auf den Titel 'Forever And A Day' und wird von einer entenpellenden A-Cappella-Darbietung eingeleitet. Schon hier hat die Band mich komplett am Haken. Hier kommen die so arg vermissten Mittelalter-Elemente der "Pure"-Phase zum Einsatz, der Chorus explodiert förmlich und alle Instrumente bekommen sehr viel Platz zur solistischen Entfaltung, ohne dass der Faden jemals verloren geht. Ein wunderbarer Abschluss eines wunderbaren Albums.
Zwischendrin werden die Ohren bei 'In Between' mit Streichern gefühlvoll umgarnt. Für manche Hörer mag so etwas überflüssig auf einem Prog-Album sein, ich liebe diesen Facettenreichtum, gerade wenn man einen Sänger hat, der das emotional entsprechend verpacken kann.
Da auch das restliche Material ganz ausgezeichnet ist, kann ich hier nur von einem mehr als gelungenen Comeback sprechen. Hoffentlich dauert es nicht nur ein Album lang an.
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Holger Andrae