CHEMICAL BROTHERS, THE - Surrender
Mehr über Chemical Brothers, The
- Genre:
- Elektronika
- Label:
- Virgin / EMI
- Release:
- 18.06.1999
- Music: Respond
- Under The Influence
- Out Of Control
- Orange Wedge
- Let Forever Be
- The Sunshine Underground
- Asleep From Day
- Got Glint?
- Hey Boy, Hey Girl
- Surrender
- Dream On
Es gibt redlich wenige Bands, bzw. DJs, die sich querbeet durch die Musiklandschaft einen Namen machen konnten. Rapper mögen Rock nicht. Rocker finden Rave öde. Raver können nichts mit Pop anfangen. Popliebhaber stören sich an Rap. Aber ALLE mögen die CHEMICAL BROTHERS. (Okay, ich glaube, Schlagerfans bilden da "vielleicht" eine Ausnahme.) Was nicht zuletzt daran liegen mag, dass das Gespann es nahezu perfekt versteht, Einflüsse aus allen Bereichen der menschlichen Musikkultur zu verbinden und unter elektronischem Druck zu einer knallbunten Schallplatte zu pressen.
Bestes Beispiel: das Album "Surrender". Der Titel mag wie eine Aufforderung an alle Grenzdenker klingen, die inneren Barrieren fallen zu lassen und sich endlich mal Gedanken darüber zu machen, wie sich gute Musik eigentlich zusammensetzt (was ohne Umwege auf Intergenre-Denken zurückführen wird).
Den Anfang stellt das verquirlte 70er-Jahre-Synthiesound-Wirrwarr 'Music: Respond' dar, was in seiner nicht gerade unaufdringlichen Art und Weise schon mal alle Liniendenker abschrecken wird und für jeden Neugierigen klarstellt, was in der nächsten Stunde folgen wird. Obwohl das Lied ziemlich bekannt sein dürfte, stellt der Track wohl die größte Hürde dar, um überhaupt erst einmal in das Album reinzukommen. 'Under The Influence' ist ein Stück, das wohl ziemlich schwierig zu tanzen sein wird, jedoch durch seinen simplen Takt und seine nahezu einfache Gestaltungen (im Gegensatz zum vorherigen Track ist dieser schon schlicht) mehr als nur mitreißt. Die grobe Kelle stellt dann 'Out Of Control' dar, in dem verschiedene Einflüsse ziemlich schrill verdreht und dann zusammengeflochten wurden, natürlich nicht ohne den dazugehörigen Beat, und dieses Mal wird sogar richtig auf den Gesang geachtet.
Nach dem extrem biestigen und vor allem bissigen Synthesizer-schlägt-um-sich-und-lässt-keinen-an-sich-heran-Track 'Out Of Control' wirkt 'Orange Wedge' geradezu chillig. Während zu simplem Akustikgitarrensound ein wenig mit der Elektronik rumgetrickst wird, ist der Mensch, der sich auf dem vorherigen Track ausgetobt hat, wohl auf dem Klo eingeschlafen. Wir danken's, denn der Track stellt mit seiner Ruhe nicht unbedingt den uninteressantesten der Scheibe dar (und mit seinen gerade mal drei Minuten auch den kürzesten).
Populär wird es mit 'Let Forever Be', das 60er-Beatmusik mit angedeuteten Kirchenorgeln und einem schrillem Gesang vermengt; der Track sorgte dafür, dass eine Orgie in einem Indie-Film auch den passenden Sound bekam. Orientalisch anmutig klingt das Werk Nummer sechs, 'The Sunshine Underground', das in ziemlich verquerer Art und Weise so was wie ein Frühlingsgefühl erwecken will. Aber um nicht zu vergessen, dass dies ein CHEMICAL BROTHERS-Album ist, wird der Track nach ein paar Sekunden beschleunigt und mit coolem Drumsound vollgestopft, was das Frühlingsgefühl in satten Bewegungsdrang verwandelt.
'Asleep From Day' stellt einen Song dar, der ausnahmsweise mal nicht total pervertiert wurde und bis auf ein paar eingestreute Soundeffekte auf seinem ruhigen Popambiente beharrt. Schöner Ausruhsong, der die sanfte Seite der Regler-Freaks darstellt. 'Got Glint' wiederum klingt nach ziemlich nach Club und erweckt nur zwischendurch den Eindruck eines abgebrühten Werks der Engländer; an sich wohl der schwächste Song eines ansonsten ausdrucksstarken Album.
Der wohl bekannteste, aber auch ernsthaft beste Track des Albums ist das Wahnsinnsstück 'Hey Boy, Hey Girl', das mit starkem Beat, simpler Songstruktur und vor allem perfekt inszeniertem Synthiesound auf quasi jede Party gehört. PANTERA, SLAYER, DIMMU BORGIR? Keine Frage, 'Hey Boy, Hey Girl' schließt die Reihe nahtlos ab. PUBLIC ENEMY, CYPRESS HILL, WU-TANG-CLAN? 'Hey Boy, Hey Girl' ist das perfekte Finish. ROBBIE WILLIAMS, MADONNA, KYLIE MINOGUE? 'Hey Boy, Hey Girl' stellt den passenden Höhepunkt dar. Hört sich nach Hurra-Schreierei an, aber es gibt wohl keinen Track, der mit seiner (wenn auch elektronischen) Stimmung derart begeistert wie DER BROTHERS-Track überhaupt.
Der darauf folgende Titeltrack bringt einen erstmal von dem Trip runter, auf den man durch den Hammersong gekommen ist, und besticht durch seine sehr viel weniger verschwenderische Art und Weise,; ein Song, der langsam und vor allem sparsam mit seinen Elementen ziemlich untypisch für das Album wirkt. Zum Schluss wird es noch melodisch: 'Dream On' ist wohl zu krass und schrill, um zum Träumen anzuregen, streift durch schlichten Gitarrensound und sanften Synthieeinsatz zumindest die Stimmung, die man sich in einem solchen Traum vorstellt. Klasse Abschluss für ein Album, das quasi jede Stimmungslage durchmacht und durch seinen Facettenreichtum mehr als nur begeistert.
Quasi-Pflichtalbum für jeden, der was mit Elektronika anfangen kann. Ach ja, und für jeden anderen auch.
Anspieltipps: Hey Boy Hey Girl, Under The Influence, The Sunshine Underground
- Redakteur:
- Michael Kulueke