CIRITH UNGOL - The Orange Album
Mehr über Cirith Ungol
- Genre:
- Heavy Metal
- Label:
- Iron Grip / Bandcamp
- Release:
- 05.12.2020
- Show You All
- High Speed Love
- Neck Romancer
- Use Me
- Rite Of The Worm
- Witchdance
- King Tut Uncommon
- Atom Smasher
- We Know You're Out There
- Witsucker
- Route 666
Das Demo-Frühwerk einer stilprägenden Band ist endlich in seiner Gesamtheit zu hören.
Kennt ihr sie auch, diese Tage, an denen ihr aufsteht, nach dem Frühstück mit der Kaffeetasse gen Rechner pilgert, die Metalportale eures Vertrauens aufsucht, und euch dann aus dem Nichts Thors Hammer trifft, oder etwas ähnlich Gewichtiges? Mir ging es jedenfalls vergangenen Samstag so. Nichts Böses ahnend schlage ich den Laptop auf, und es blendet mich leuchtendes Orange mit dem Logo meiner Lieblingsband. Kurz eins und nochmal eins zusammen gezählt, und es beginnt mir zu dämmern, dass da gerade wohl etwas passiert ist, mit dem ich nicht mehr gerechnet hätte. Wenn es im obskuren US Metal etwas wie den Heiligen Gral gab, dann war es wohl das "Orange Album" von CIRITH UNGOL.
Wurden unzählige kultige Demos nicht minder kultiger anderer Bands über die Jahrzehnte mannigfach getradet und gebootlegt, und sind die meisten davon längst auf YouTube erhältlich gewesen, so war mir in diesem speziellen Fall bis zum Samstagmorgen neben den Bandmitgliedern nur eine einzige Person bekannt, die das komplette "Orange Album" auch nur gehört hat, und das beim Besuch zu Hause bei Drummer Rob Garven. Auch ich wusste seit vielen Jahren von diesem ominösen Demoalbum, das die Band 1978 aufgenommen und in den späten Siebzigern bei ihren Konzerten verkauft haben sollte, aber mit Ausnahme dreier Outtakes, welche die Band vor über zehn Jahren mal auf MySpace geteilt und derer zwei auf der Compilation "Servants Of Chaos" veröffentlicht hat, hatte ich keine der enthaltenen Aufnahmen je gehört.
In Anbetracht des Stellenwerts, den CIRITH UNGOL in meiner kleinen Welt hat, ist es also nicht übertrieben, wenn ich sage, dass das "Orange Album" mein meistgesuchtes Kleinodium überhaupt war, und jetzt, von gestern auf heute, quasi aus dem Nichts, findet sich auf Bandcamp eine scheinbar recht originalgetreu reproduzierte Tape-Version und ein offizieller Download des Albums. Das Tape ist bestellt, der Download gezogen, die CD-R als Platzhalter und zur Überbrückung der Lieferzeit aus den USA gebrannt. Was seither in Dauerschleife durch die Anlage donnert, ist klar, oder?
Kommen wir also direkt zum Inhalt des knallig grellen Augenöffners: Wir schreiben das Jahr 1978, und CIRITH UNGOL ist zum damaligen Zeitpunkt formell noch ein erweitertes Trio. Die Stammbesetzung besteht aus Drummer Robert Garven und Gitarrist und Basser Greg Lindstrom, die beide auch heute wieder zur Band gehören, sowie dem leider 1998 verstorbenen Saitenhexer Jerry Fogle. Diese drei Jungs, damals wohl alle am Anfang ihrer Zwanziger, haben gemeinsam elf Songs geschrieben und eingespielt, die natürlich noch ganz klar offenbaren, wie tief in den späten Sechzigern und den frühen Siebzigern die Wurzeln der Band liegen. Das Songwriting hat Greg Lindstrom dabei fast im Alleingang gestemmt (weshalb er wohl drei der Stücke mit seiner späteren Band FALCON auch neu eingespielt hat) und so hören wir klar den Einfluss basischen Heavy Rocks der Marke BLUE CHEER und STEPPENWOLF heraus, aber auch ein wenig Doomiges und den Nachhall spaciger Psychedelik, wie sie HAWKWIND damals schon seit einigen Jahren wabern ließ.
Womit ihr vielleicht nicht direkt rechnen würdet, wenn ihr euch in diese frühe Phase der Band noch nicht eingelesen habt (Einhören war ja bisher auch kaum möglich), das ist, dass sich das zuvor erwähnte Trio seinerzeit auch den Löwenanteil des Gesangs teilte, denn Chefcharismatiker und Stimmmonster Tim Baker tummelte sich zwar schon als Backing Sänger im Umfeld der Band, war aber noch nicht zu deren Vollmitglied und Leadsänger avanciert, doch dazu gleich ein bisschen mehr. Den Auftakt zu diesem stählernen archäologischen Bodenfund liefert der heavy und schnörkellos aus den Boxen dröhnende Opener 'Show You All', gesungen von Drummer Robert Garven, der jedoch schon einen recht eindrucksvollen Vorgeschmack auf die so eigenwillige wie bemerkenswerte Leadgitarrenarbeit von Jerry Fogle liefert. Der unverkennbare Flangersound und die wilden, ungezähmten Strukturen sind eine wahre Freude, und allgemein haben auch der Bass und Greg Lindstroms Rhythmusgitarre einen ordentlichen Overdrive abbekommen.
An zweiter Stelle steht dann 'High Speed Love', das Greg Lindstrom an der Leadgitarre, die Saitenfraktion also mit getauschten Rollen präsentiert, aber vor allem dadurch bemerkenswert ist, dass es der erste und auf diesem Album auch der einzige Song ist, der Tim Baker als Leadsänger präsentiert. Dieser deutet seine ungewöhnliche Stimmgewalt hier allerdings erst einmal nur an und wird erst später zu einem der außergewöhnlichsten Sänger avancieren, welche die Metalszene kennt. Gregs Solostil ist dabei etwas traditioneller und zurückgelehnter als jener von Jerry Fogle, was beim folgenden Instrumental 'Neck Romancer' besonders auffällig wird, bei dem sich die beiden Guitar-Wizards vorbildlich gegenseitig die Soli um die Ohren hauen. Ein Stilelement, das einige Jahre später auch das großartige Debütalbum "Frost And Fire" prägen sollte, fand also hier seinen Ursprung.
Die zweite Hälfte der A-Seite wird nach einem verschärften Cowbell-Intro vom wirklich absolut coolen Rocker 'Use Me' eingeleitet, der mich mit seinem dunklen Groove und dem eingängigen Refrain ein kleines bisschen an BLUE ÖYSTER CULT gemahnt, gesungen erneut von Robert Garven und mit der Soloarbeit von Greg Lindstrom versehen. Einen Tick metallischer und härter wird es dann wieder, wenn sowohl Greg als auch Jerry zur Leadaxt greifen und sich in ausufernden Notenduellen ergehen, wie dies bei 'Bite Of The Worm' der Fall ist, dem nun erstmals Greg Lindstrom seine Stimme leiht. Der Song dürfte die Geburtsstunde des Epic-Metal-Ansatzes von CIRITH UNGOL sein, wobei der Duktus des Gesangs und eine gewisse psychedelische Note mit waberndem Synth-Effekt auch Calvert-Ära-HAWKWIND als Referenz aufpoppen lassen, wozu passt, dass die A-Seite auch in einem kurzen, fiependen Lasereffekt-Solo-Outro namens 'Witchdance' endet.
Kommen wir zur B-Seite, deren kompositorischen Aufschlag erstmals Greg und Robert mit einer Co-Komposition führen. Der völlig verstörend verschrobene Songtitel 'King Tut Uncommon' spiegelt sich auch in der Musik wieder, diese ist nämlich verdammt abgedreht. Heavy aber auch punkig, wobei das sowohl an Jerrys hier ziemlich fetziger Leadarbeit aber auch an Rob Garvens Gesang liegt, die hier gemeinsam ein bisschen THE CLASH-Feeling in den harten Space Rawk einbringen. Wohin die Reise alsbald gehen sollte, nimmt im Anschluss der spätere Bandklassiker 'Atom Smasher' vorweg, erstmals eine Co-Produktion der Herren Lindstrom, Garven und Fogle, der hier allerdings noch in einer Instrumentalversion zu bestaunen ist.
Vor wir uns langsam dem Finale nähern, schlägt mit 'We Know You're Out There' eben jener Song zu Buche, den Tim Bakers Sohn Matt seinerzeit zirka 2007 über die MySpace-Seite der Band für die Fans verfügbar machte. Damals krankte das ansonsten tolle Stück ein wenig an einem recht rauschigen Sound, den Bart Gabriel für die Neuveröffentlichung echt sehr sauber und heavy restauriert hat. Dem programmatischen Songtitel entsprechend näherte sich CIRITH UNGOL niemals stärker dem Space Rock im Fahrwasser von HAWKWIND, und so ist der Viereinhalbminüter einfach eine wunderbare Hymne an die Aliens da draußen. Die massiv an Robert Calvert erinnernden Leadvocals stammen übrigens von Neil Beattie alias Ptery Dactyl, dem ersten Leadsänger der Band, welcher um diese Zeit herum gerade am Aussteigen war.
Das ausufernde und ebenfalls massiv abgedrehte, dabei aber dennoch durchgehend spannende siebenminütige Instrumental 'Witsucker' lässt den Fan viel über Greg Lindstroms Philosophie des Leadgitarrenspiels und der Effektpedale lernen und stimmt perfekt auf das abschließende, knackige, etwas STEPPENWOLF-lastige 'Route 666' ein, eine Garven-Lindstrom-Komposition, die nochmals beide Leadgitarristen im Duell und Greg Lindstrom am Gesang glänzen lässt, und so endet der Trunk aus dem Heiligen Gral, mag man nun sagen.
Wenn ihr meine etwas verklärte Herangehensweise an dieses Demoalbum aus dem Jahre 1978 ein bisschen belächeln oder verrückt finden mögt, dann kann ich das natürlich verstehen. Für mich wurde da eben ein Traum wahr, und ich verschlinge die Songs seit ich sie zu Hause habe in Dauerschleife. Natürlich ist klar, dass es für CIRITH UNGOL von hier aus noch ein gutes Stück Weges bis zu jener charismatischen, unverkennbaren Instanz des Epic Metals war, die wenig später aus ihr werden sollte. Dennoch zeigt sich neben all den Einflüssen aus den Sechzigern und Siebzigern schon auf dem "Orange Album", wie viel instrumentale Kreativität, wie viel spielerisches Können, und wie viel Potential für charakterstarke, eigenständige künstlerische Visionen schon damals in der Band aus Ventura steckte.
Schön, dass wir dieses Frühwerk aus der Embryonalphase einer stilprägenden Band nun endlich in seiner Gesamtheit hören können. Vorläufig als auf 666 Stück limitiertes Tape und als Download auf der Bandcamp-Seite der Band. Doch wir hoffen natürlich inständig, dass schon bald auch CD- und Vinyl-Sammler auf ihre Kosten kommen werden. Es wäre schade, wenn nicht.
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle