CIRITH UNGOL - Witch's Game
Mehr über Cirith Ungol
- Genre:
- Heavy Metal / Epic Metal
- ∅-Note:
- 10.00
- Label:
- Metal Blade / Sony Music
- Release:
- 05.10.2018
- Witch's Game
- Doomed Planet (Live)
Donnernde Rückkehr nach 27 Jahren.
Es kommt vor, dass Fans einer längst aufgelösten Band die Treue halten und satte 27 Jahre auf einen neuen Song derselben warten. Glaubt ihr nicht? Ist aber so, denn hier tippt gerade ein solcher an den Worten zu dieser Rezension. Wir schrieben das Jahr 1991, als es in Form des überragenden Viertwerks "Paradise Lost" letztmals neues Material von CIRITH UNGOL zu hören gab und kaum zwei Jahre später war die Band Geschichte. Lange Jahre glaubte niemand an eine Rückkehr, und doch gab es ein paar Unentwegte, welche die Hoffnung auf eine Rückkehr der Epic-Metal-Gründerväter nicht aufgeben wollten.
2015 war es dann soweit: Das Quintett aus Ventura in Kalifornien kehrte zurück, gab den einen oder anderen Festivalauftritt zum Besten, von den Fans auf breiter Basis umjubelt, und nun halten wir neues Vinyl in unseren Händen. Eine 12"-Single ist es geworden, von Metal Blade Records in allerlei bunte Vinylvarianten gepresst und gehüllt in ein Artwork von Meister Michael Whelan, ein guter Freund der Band, dessen Kunst auch alle bisherigen Studioalben veredelte. Dieses Mal begegnet uns auf dem Cover drohend eine finstere Hexe mit Kerze und Tarotkarten in einer dunklen Höhle, in welcher schon manch arme Seele ihr Leben gelassen hat. Dazu ein vollformatiges Inlay, ein großes Wendeposter mit wahlweise Bandphoto oder Coverartwork, und ja, neue Musik!
Das Titelstück "Witch's Game", dem Vernehmen nach gänzlich neu komponiert und nicht aus einem alten Fundus gezogen, welches sich auf der A-Seite befindet, ist ein vertracktes, drückendes, episches Monster mit einer Spielzeit von achteinhalb Minuten, das sich, wie man es von CIRITH UNGOL nicht anders gewohnt ist, weitgehend dem üblichen Songschema eines Rocksongs verweigert und aus vielen unterschiedlichen Stimmungen und rhythmischen Strukturen ein beeindruckendes Ganzes formt, das sicherlich nicht als alltäglich bezeichnet werden kann.
Die CIRITH UNGOL-EP nähert sich jetzt, wo ich diese Zeilen tippe, langsam aber sicher dem hundertsten Durchlauf, und was an "Witch's Game" als erstes auffällt, ist, dass der Song für mein Empfinden einen Tick doomiger ist als der größte Teil älterer CIRITH UNGOL-Werke. Die BLACK SABBATH-Schlagseite hat noch ein Stückchen zugenommen, wobei die Band natürlich immer noch sehr stark nach sich selbst klingt. Das Soundgewand ist druckvoll, wuchtig, aber kein bisschen klinisch oder ballerig. Hier haben Armand John Anthony und Arthur Rizk wirklich ganze Arbeit geleistet, denn die Gitarren haben den typischen CIRITH UNGOL-Sound, allerdings ist es eher die etwas geschmeidigere Version von "Paradise Lost" als der massive Flanger-Ton der ersten beiden Werke. Im Ansatz kommt er durch, gerade bei den Soli, aber etwas gemäßigter als früher. Robert Garvens Schlagzeug klingt transparent, dabei aber sehr wuchtig und dräuend, gerade wenn der Gong zum Einsatz kommt.
Kompositorisch ist der Song nach meinem Empfinden recht nahe am Schaffen auf "King of the Dead". Ein epischer Longtrack mit unkonventioneller Struktur, den für die Band typischen akustischen Intros und Zwischenspielen, ausgedehnten Gitarrenleads, einem Hauch neoklassischer Melodieführung - logischerweise Jim-Barazza-Style, nicht Jerry-Fogle-Style (R.I.P.). Außerdem begegnen wir natürlich nicht dem klassischen Vers-Refrain-Schema eines Metalsongs, sondern ganz typisch für CIRITH UNGOL erst einmal dem akustischen Intro, das direkt in ein Solo übergeht, bevor der erste Vers einsetzt. Dann wieder ein Solo und der nächste Vers, bevor erstmals der Refrain erklingt und ein neuerliches Solo nach Tempowechsel in einen epischen, getragenen Mittelteil überleitet, und weiter mit Leadgitarrendoppel, Solo, erneutem Tempowechsel, schönem Bass-Lick, Vers, Refrain und Coda.
Was gibt es noch zu sagen? Tim Bakers Stimme? Ja, Tim Baker eben. Er klingt hier etwas gemäßigter, dort aber sogar extremer als früher. Alles in allem hat er absolut gar nichts verlernt und ist stets ganz er selbst. Wenn ihr von 'Witch's Game' zuerst einmal erschlagen seid, denn es kann auf Anhieb ein wenig schwierig sein, zu dem Stück den Zugang zu finden, so lohnt es sich doch, den so komplexen und eigenwilligen Song auf sich wirken zu lassen: Harter Tobak, aber sehr faszinierender Tobak, und genau damit habe ich eigentlich auch gerechnet. CIRITH UNGOL wird nur ein Konzert spielen und nur neues Material bringen, wenn die Band selbst davon überzeugt ist, es nochmal richtig zu bringen.
Die B-Seite enthält den Mitschnitt einer Liveversion zu 'Doomed Planet' vom 1986er-Album "One Foot In Hell", der beim "Hammer Of Doom 2017" in Würzburg entstanden ist und sich absolut sehen lassen kann. Kritikwürdig ist damit allenfalls die Veröffentlichungspolitik, die dazu führt, dass "Witch's Game" in physischer Form eben nur auf 12"-Vinyl zu bekommen ist und dass dafür mal eben gute 17,- Euro anfallen. Für die fanatischen CIRITH UNGOL-Fans wird das kein Hindernis sein, doch ich finde es gleichwohl schade, dass es für den Teilzeit-Ungolisten keine günstigere Variante, wie etwa eine MCD für 10,- Euro, zu kaufen gibt. So verliert die Band auf jeden Fall einiges Kundenpotential, das andernfalls vielleicht zugeschlagen hätte. Denen bleibt so nur der Download und das ist ja nun nicht wirklich eine Option.
Wie auch immer: Mein Song des Jahres steht einstweilen, und wir dürfen uns für das Jahr 2019 auf ein neues Studioalbum, ein Live-Boxset und einen Gig beim kommenden "Bang Your Head!!!" freuen.
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle