COMMUNIC - Payment Of Existence
Mehr über Communic
- Genre:
- Progressive Metal
- ∅-Note:
- 8.50
- Label:
- Nuclear Blast
- Release:
- 30.05.2008
- On Ancient Ground
- The Abandoned One
- Becoming Of Man
- Payment Of Existence
- Through The Labyrinth Of Years
- Raven's Cry
- Unpredictables Of Life
- Stone Carved Eyes
Auch 2008 waren COMMUNIC wieder ein Dauergast in den Polls - und das völlig zurecht. Kaum eine andere Band beherrscht das Spiel mit großen Emotionen auf höchstem musikalischen Niveau so sicher und virtuos wie dieses norwegische Trio
Das norwegische Trio COMMUNIC gehört definitiv zu den größten und begnadetsten Metal-Bands, die im 21. Jahrhundert neu auf der Bildfläche erschienen sind. Gitarrist und Sänger Oddleif Stensland und Bassist Erik Mortensen hatten bereits einige Jahre zuvor ein gemeinsames Progressive-Metal-Projekt mit dem seltsamen Namen INGERMANLAND gegründet und mit zwei Eigenproduktionen, "Surface As Ceiling" (1999) und "Beyond Equator" (2001), in Insider-Kreisen für einiges Aufsehen gesorgt. Mit dem Einstieg von Drummer Tore Atle Andersen waren dann COMMUNIC geboren, die 2005 mit "Conspiracy in Mind" ein Debüt hinlegten, das die Metal-Welt in ihren Grundfesten erschütterte und wohl nicht nur für mich zu den grandiosesten Alben aller Zeiten gehört. Wann hatte man jemals zuvor eine so natürlich perfekt, überirdisch klar und selbstverständlich genial klingende Musik gehört? Der COMMUNIC-Sound verfügte (und verfügt) über eine unvergleiche Tiefe und Weite. Konzentriert mit geschlossenen Augen per Kopfhörer zu Gemüte geführt, erschaffen die Songs dieser drei Herren eine magische Paralelwelt, in der sich progressive, komplexe Grundgerüste auf zauberhafte Weise mit epischer Pracht, ganz großen Melodien und Emotionen, krachender Härte und einem frischem, modernem Klangbild verbinden. Kein Wunder, dass COMMUNIC von der Fachwelt in die Nähe von NEVERMORE gerückt wurden, waren (und sind) doch Warrel Dane und seine Mannschaft die einzigen, denen etwas ansatzweise Vergleichbares gelungen ist.
In Jahr darauf folgte mit "Waves Of Visual Decay" ein würdiger Nachfolger, der noch eine Ecke wütender, melancholischer, entrückter, vertrackter und kompromissloser auf die ehrfürchtig lauschende Gemeinde nieder prasselte. Diese Eigenschaften machten den fantastischen Zweitling der Band zu einem intensiven und eindringlichen Erlebnis, für man sich allerdings erst recht Zeit und Ruhe nehmen musste, um die volle Schönheit und Erhebenheit der Musik für sich zu erschließen. Beeindruckende rhythmische Bergketten türmen sich hier auf, denen sich gigantische Riffwände wie zum Duell gegenüber stellen. Bevor es aber zum Clash der Klang-Titanen kommen kann, zerschneidet eine ergreifende Melodie oder ein gefühlvolles Solo die raue Landschaft wie ein fruchtbares Flusstal. Die angenehm nüchterne, präzise und sehr differenzierte Produktion erneut aus den Händen von Jakob Hansen arbeitet diese überwältigenden Spannungsbögen wunderbar heraus. Das ist ganz großes Kopfkino!
Was würde nun Album Nummer Drei bringen? Viele COMMUNIC-Jünger haben sich wohl über diese Frage den Kopf zerbrochen, als erste Kunde von der Arbeit an "Payment Of Existence" in den News-Spalten dieser Welt ankam. Die auf "Waves Of Visual Decay" bis zum Gipfelkreuz getriebene Intensität und Komplexität würde man auf grundsätzliche ähnliche Weise kaum toppen können. Ein gefährliche Situation, denn der goldene Weg ist schmal und links und rechts drohen Abgründe, die auf so unschöne Namen wie Selbstkopie und müder Abklatsch oder Übers-Ziel-Hinaus-Geschossen oder Ein-Schatten-Ihrer-Selbst hören. Nach eingängiger Beschäftigung mit "Payment Of Existence" komme ich zu dem Ergebnis, dass COMMUNIC diese überaus schwere Aufgabe sehr gut gelöst haben, auch wenn ich das allerletzte Fünkchen Brillanz manchmal vermisse. Ein klein wenig Kritik müssen die Jungs sich von mir gefallen lassen, denn ich hatte mir ganz tief im Innern ein mutigeres, visionäreres, entschlosseneres Album gewünscht. "Payment Of Existance" füllt das COMMUNIC-Universum exzellent aus, doch durchbricht eben nicht noch einmal dessen eh schon weit gesteckte Grenzen.
Tatsächlich haben Oddleif, Erik und Tore verstanden, dass sie den exzessiven, maschinellen und beklemmende Aspekt ihrer Musik mit "Waves Of Visual Decay" komplett ausgeleuchtet haben. Während das empathische, aufbrausende und düster-kraftvolle 'On Ancient Ground' noch in eine sehr ähnliche Kerbe schlägt, konzentrieren sich COMMUNIC im folgenden darauf, das träumerische, melancholisch-melodische Moment ihrer Kompositionen stärker und facettenreicher auszuarbeiten. Die Gitarren schneiden und drücken zwar wie gehabt, doch die ruhigen, gefühlsdichten Gänsehaut-Passagen und die großflächigen, opulenten Chöre nehmen mehr Raum ein als je zuvor. Wie gut das vor allem im Kontrast zu heftig-wüsten Ausbrüchen funktionieren kann, zeigt 'Becoming Of Man'. Es gibt aber auch kurze Augenblicke, wie zum Beispiel im Titelsong, wo man das Gefühl bekommt, COMMUNIC könnten sich gleich in einer Art traurigen Introvertiertheit verlieren. Zum Glück kriegen sie aber immer noch gerade rechtzeitig die Kurve. Trotzdem haben diese leichten stilistischen Veränderungen zur Folge, dass "Waves Of Visual Decay" nicht mehr wie seine beiden Vorgänger vor Spannung und atmosphärischer Dichte schier zu explodieren droht. An der grundsätzlichen kompositorischen Klasse dieser Scheibe kann es allerdings keinen Zweifel geben. Die Songs wirken auf mich oft wie ein offenes Meer, das an der relativ ruhigen Oberfläche eigentlich beherrschbar und sicher ausschaut, aber weiter unten von heftigen, lebensgefährlichen Strömungen und Strudeln aufgewühlt und unberechenbar gemacht wird. Besonders deutlich wird diese Empfindung bei dem großartigen 'Through The Labyrinth Of Years' und dem bewegten und bewegenden 'Raven's Cry'. Hier wagen sich COMMUNIC am weitesten hinaus und weg vom Gewohnten. Mit 'Unpredictables Of Life' und 'Stone Carved Eyes' folgen dann zum Ende der Platte hin noch zwei tolle, lustvoll in den Thrash-Topf greifende Nummern, die stark an die Frühwerke der Band erinnert. Diese sorgen für einen fulminanten Schlusspunkt, nein, viel mehr ein doppeltes Ausrufezeichen am Ende eines alles in allem ausgezeichneten und eindrucksvollen Albums.
Wie seine beiden Vorgänger gehört "Payment Of Existence" in jede vernünftige Thinking-Man's-Metal-Sammlung, auch wenn diese Scheibe für mich persönlich ein klein wenig hinter den monumentalen Meisterwerken "Conspiracy In Mind" und "Waves Of Visual Decay" zurück bleibt. Doch es sollte nicht vergessen werden, dass wir hier über Feinheiten auf einem künstlerisches Level reden, dessen Existenz 90% Prozent aller Metal-Bands höchstens erahnen. Daher gehört "Payment Of Existence" auf jeden Fall zu den stärksten Alben des Jahres 2008 und zementiert den Ruf von COMMUNIC, die beste Metal-Band dieser Generation zu sein.
Anspieltipps: On Ancient Ground, Becoming Of Man, Through The Labyrinth Of Years
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Martin van der Laan