COURTNEY LOVE - America's Sweetheart
Mehr über Courtney Love
- Genre:
- Rock
- Label:
- EMI / 4 Virgin U
- Release:
- 09.02.2004
- Mono
- But Julian, I'm A Little Bit Older Than You
- Hold On To Me
- Sunset Strip
- All The Drugs
- Almost Golden
- I'll Do Anything
- Uncool
- Life Despite God
- Hello
- Zeplin Song
- Never Gonna Be The Same
COURTNEY LOVE ist Anfang 2004 omnipräsent: Nach dem hochwertigen Debüt ihrer ehemaligen Bandkollegin MELISSA AUF DER MAUR [Entschuldigung, aber der Lektor rollt sich gerade kugelnd ab.] und dem dritten Werk der DISTILLERS, welches fast schon als HOLE-Tribute durchgehen könnte, erscheint nun mit dem gewohnt selbstironisch betitelten "America's Sweetheart" auch ihr eigenes erstes Soloalbum mit knappen sechs Jahren Abstand zum letzten musikalischen Lebenszeichen ihrer Ex-Band.
'Mono' vereint in knapp vier Minuten die Essenz von HOLE und COURTNEY LOVE in allen Belangen: Bei der ersten Single des Albums, einer harten Uptempo-Punk-Nummer mit viel Pop-Appeal, schreit und keift sich die umstrittenste Figur des Rock der Neunzigerjahre mit einer Stimme die Seele aus dem Leib, die eine Gänsehaut verursacht und für die manch andere Musiker jahrzehntelang Whiskey gurgeln müssen, übergießt uns im Refrain mit einer bittersüßen Melodie und tut kurz gesagt alles, um keine Zweifel offenzulassen, dass sie erstens wieder da ist und dass zweitens das Flirten mit dem Hollywood-Image, welches auf HOLEs letzter Platte "Celebrity Skin" übermäßig dominant war, entgültig zu den Akten gelegt wurde. Die angepasste Diva Courtney funktionierte nämlich im Endeffekt, trotz der guten Songs, genauso wenig wie ein KURT COBAIN als Pop-Star.
Nachdem klargestellt ist, dass wieder richtig gerockt werden soll, ist es eigentlich erstaunlich, wie sich der Rest der Platte in homogene Tracks differenziert, die sich textlich kaum mit etwas anderem als mit dem Leben und Leiden von Mrs. LOVE selbst beschäftigen, die den Bogen über die ganze Karriere von HOLE spannen und eher textlich als musikalisch heavy sind. Aber selbst die an sich zahmen Stellen werden auf "America's Sweetheart" zu irgendwie hybriden und gespenstisch-unheimlichen Gebilden durch die auch hier immer wieder durchbrechenden rauen Vocals, die COURTNEY wie eine wilde Löwin erscheinen lassen, die sich alles schnappt und zerfetzt, was unfgefragt in ihren Einzugsbereich kommt.
Beeindruckend nicht nur, wie die Frau selbst ihre Stimme in so einer Form hat, sondern auch wie Hitlieferantin Linda Perry (Ex-4 NON BLONDES und heutige Songschreiberin für u.a. PINK und CHRISTINA AGUILERA), die hier den Job übernommen hat, den vorher Billy Corgan und andere innehatten, eigentlich zwölf in sich und in dieser Platte perfekte Kompositionen abliefert.
Die klare Absage an den STROKES-Sänger, betitelt 'But Julian I'm A Little Bit Older Than You' ist ein toller Stadionrocker a la GUNS 'N ROSES, 'Hold On To Me' eine Powerballade, die auch auf "Celebrity Skin" gepasst hätte und eigentlich vollkommen zu begeistern weiß. "I am the Center of the Universe", verkündet Courtney und lässt keine Zweifel zu, bevor sie im Anschluss mit der Southern-Rock-artigen, zweiten Ballade des Albums ('Sunset Strip') den Song 'Malibu' recycled und bereits an dieser Stelle die Palette abgedeckt hat, die ihre Musik bisher prägte.
'All The Drugs' erinnert positiv an JANES ADDICTION, mit deren letztjährigem Comeback man diese Platte vergleichen könnte, denn auch diese haben es geschafft, nach längerer Auszeit wieder passabel zu starten. Leider mangelt es im direkten Vergleich allerdings bei "America's Sweetheart" an den durchgehend starken Songs: 'I'll Do Anything' rockt zwar recht gut, allerdings auch eher langweilig, vor allem weil es gitarrentechnisch zu sehr an diesen einen großen Hit ihres Ex-Mannes erinnert, 'Hello' kann leider nur als Durchschnitt durchgehen und auch der vom Titel her vielversprechende 'Zeplin Song' überzeugt nur teilweise. Dafür gibt’s am Ende noch mal einen richtigen Songdiamanten in Form des melancholischen Rausschmeißers 'Never Gonna Be The Same'.
Den direkten Wettkampf mit ihrer ehemaligen Bandkollegin MELISSA AUF DER MAUR hat COURTNEY LOVE hier zwar ganz klar nach Punkten der musikalischen Klasse verloren, was aber nichts daran ändert, dass "America's Sweetheart" eine enorm selbstbewusste, kraftstrotzende und vor allem sympathische Platte ist, die zwar nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass die eigentliche Hochzeit ihrer Musik ein knappes Jahrzehnt zurückliegt, aber dafür ordentlich wehmütig in eben diese zurückblicken lässt.
So bleibt am Ende eine zentrale Frage dann doch irgendwie in der Schwebe: Ist "America's Sweetheart" das Ende von COURTNEY LOVEs musikalischer Karriere oder fängt sie grade erst richtig an? Wir werden sehen.
"Did you miss me?" Verdammt, ja.
Anspieltipps: Mono, Hold On To Me, Uncool, All The Drugs
- Redakteur:
- Sebastian Baumer