CRIPPLED BLACK PHOENIX - I, Vigilante
Mehr über Crippled Black Phoenix
- Genre:
- Progressive Rock
- ∅-Note:
- 8.00
- Label:
- Invada / Cargo Records
- Release:
- 10.09.2010
- Troublemaker
- We Forgotten Who We Are
- Fantastic Justice
- Bastogne Blues
- Of A Lifetime
- Burning Bridges
Nach dem Doppelalbum nun also eine EP. <br /> <br />
Das dritte vollwertige Werk von CRIPPLED BLACK PHOENIX besticht einmal mehr durch seinen epischen Charakter, durch wolkige Riffkumulationen, einen subtilen folkigen Unterton im gediegen rockenden Sound, und nicht zuletzt durch den leidenschaftlichen Gesang. 'Troublemaker' lässt Anklänge an PINK FLOYD zu, kommt aber drahtiger, tighter, schwerer und weniger verkopft daher. Deutlich zaghafter beginnt 'We Forgotten Who We Are' mit einer längeren Passage aus melancholischem Pianospiel und ruhigem, getragenem Cellostrich, um sodann an Tempo zuzulegen, sobald die erste E-Gitarre hinzutritt. Die Hammondorgel schreibt die getragene Note des Cellos fort, und auch wenn das Stück nun lauter und schwermütiger anschwillt, klingt 'We Forgotten Who We Are' auch in seinen bedrückenderen Momenten niemals offen aggressiv. Doch der fortgesetzte fließende Wechsel der Leitinstrumente entwickelt eine Zwangsläufigkeit suggerierende Dynamik und korrodierende Unruhe, die selbst in weniger bedrohlich klingenden Phasen des Stücks noch verunsichernd nachwirkt. "Cars collide with horses, like mere stings of civilisations." Auch hier haben sich floydige Untertöne eingeschlichen, zunächst am Anfang des Songs im Gesang, und viel viel später dann in eine Gitarrenstimme. Doch sie bleiben subtil, und alles was davor, dazwischen, darüber, darunter und im direkt daran anknüpfenden 'Fantastic Justice' danach passiert, konnte so nur von CRIPPLED BLACK PHOENIX stammen. Dieses dritte Stück wirkt aufgewühlter, aber auch spröder, irgendwie seltsam kühl, was auch zum visionären, fremdelnden, sehnsuchts-, angst- und hassgetriebenen Text passt, bei dem mir das Fantastische zugleich für das Fanatische zu stehen scheint. "This justice will be so fantastic, crow's leaving. The shitehawks will fall when their tails are re-feathered with lead."
Elegisch zieht mit 'Bastogne Blues' das fließendste und getragenste Stück der Scheibe herauf, beinahe zart wie durch einen besänftigenden Schleier der Erinnerung wehen einen die Weltkriegseindrücke an, die Joe Volk in einer Art Rückblende auf einen stream of consciousness aus Worten geformt hat, die er nun vorsichtig erwägend, wie in einem Balanceakt, tastend, prüfend intoniert und aneinandergereiht, an sich vorbeiziehen lässt wie schemenhafte Gesichter in einer langen Reihe von kriegsmüden Marschierenden. "So near, so far, the end of this war." In Justin Greaves' Musik gekleidet klingen diese Worte noch wahrhaftiger als die ruhigsten, zurückgenommensten und ergreifendsten Stellen in IRON MAIDENs 'Afraid To Shoot Strangers', um hier mal einen etwas abwegigeren Vergleich zu wählen. Die Streicher halten sich im Hintergrund bedeckt, wie sepiafarben eingehegt deutet eine Posaune die Schicksalhaftigkeit und über die leidvollen Erfahrungen Einzelner hinausgehende Bedeutsamkeit der geschilderten Situation an; aber die dräuende Epik des Stücks wird gefiltert durch lyrische Sensibilität, Heroismus mag da auch im Gravitätischen nicht aufkommen; doch ein Gefühl von Kameradschaft, Durchhaltewillen, der Versuch von Bestimmtheit, Festhalten an der Hoffnung, aller Ausgeliefertheit zum Trotz, Zusammenrücken und Trutzen, ja, das schon. Eine große, kollektiv arrangierte Komposition, kongenial in Worten und Ton, zusammengehalten durch die erinnernde individuelle Perspektive, welche eine würdevolle emotionale Distanz und die zur Einfühlung notwendige persönliche Nähe zugleich ermöglicht; ein unscharfer Blick zurück auf schärfste Einschnitte, ein Blick, der einer Ausführlichkeit zögerlich misstraut, sich auf das Allgemeine beschränkt und dadurch, aus dem, was unvermittelbar ausgespart bleiben muss und allenfalls zwischen den Versen und Takten erspürt werden kann, Wahrhaftigkeit gewinnt. "I know brother, we fear, and our wives are not near, and you child's unborn. / Does here come the death? This daring we're reading of. / The wind was too strong. Your war crimes a rude sight, in Malmedy that night, / in some SS fucks mind the thoughts come up to decide on the massacre of 84 men. / So near, so far, the end of this War. Push your final offensive here on the Western Front, / where you try to divide us, but there's a line, where you'll retreat, defeated; Siegfried."
Mit diesem Meisterwerk hätte die EP ihr Ende finden können und wäre doch zweifellos zu empfehlen gewesen. Doch die Musiker legen mit zwei Covers, quasi als Boni, nach und erweitern "I, Vigilante" somit nahezu auf reguläre Albumlänge. Beim JOURNEY-Song 'Of A Lifetime', der zumindest hier auch an WISHBONE ASH und wohl nicht von ungefähr einmal mehr an PINK FLOYD (oder auch jüngere ANATHEMA) erinnert, übernimmt Pianistin Daisy Chapman, die auch die Streicherparts auf "I, Vigilante" arrangierte, den Gesang, und das Ergebnis kann sich hören lassen. Was den ascheschwarzen Krüppelvogel bewogen hat, mit 'Burning Bridges' die Titelmelodie aus "Kelly's Heroes" (dt.: "Stoßtrupp Gold") nachzuschieben? Ich weiß es nicht, vielleicht ein schräger Sinn für Humor. Jedenfalls mag das Stück nicht so recht zum sonstigen Sound der Band passen und ist ein für diese EP fast schon zu launiger Rausschmeißer. Wirklich schlecht aber tönt das freilich nicht.
Anspieltipps: Troublemaker, Bastogne Blues.
- Note:
- 8.00
- Redakteur:
- Eike Schmitz