CRIPPLED BLACK PHOENIX - The Resurrectionists And Night Raider
Mehr über Crippled Black Phoenix
- Genre:
- Postrock / Neofolk
- ∅-Note:
- 10.00
- Label:
- Invada / Cargo Records
- Release:
- 27.04.2009
- Burnt Reynolds
- Rise Up And Fight
- Whissendine
- Crossing The Bar
- 200 Tons Of Bad Luck
- Please Do Not Stay Here
- Song For The Loved
- A Hymn For A Lost Soul
- 444
- Littlestep
- Human Nature Dictates The Downfall Of Humans
- Time Of Ye Life / Born For Nothing / Paranoid Arm Of Narcoleptic Empire
- Wendigo
- Bat Stack
- Along Where The Wind Blows
- Onward Ever Downwards
- A Lack Of Common Sense
- Trust No One
- I Am Free, Today I Perished
Desert Sessions mal anders: "Night Raider" klingt nach Dust Bowl bei Nacht... <br /><br /> <p class="MsoNormal"> </p>
In dieser Dekade haben sich so manche Bands als Meister der Langsamkeit in meine huldvolle Gunst gespielt: SIGUR RÓS, SAVOY GRAND, EARTH wären da zu nennen - und CRIPPLED BLACK PHOENIX. Letztere lieferten mit ihren Endzeitballaden von "A Love Of Shared Disasters" ein glorreiches Debutalbum ab, welches das elegische Ambiente ihres Postrock mit einer gewissen Folkwärme und britischer Verschrobenheit vorzüglich verknüpfte. Dieses Jahr wurde dann mit einem Doppelalbum nachgelegt, welches in um einige Songs geschröpfter Form (dafür allerdings um einige andere Titel ergänzt) auch als "200 Tons Of Bad Luck" erschien. Hier aber soll es um den echten, ursprünglichen Stoff gehen; und der lässt nicht zu wünschen übrig.
Das Eröffnungsstück zeigt gleich, wo der Pfad hinführt: in zahlreiche Windungen. Das beginnt wieder einmal mit einer Erzählstimme, geht schön getragen weiter, flicht FLOYDige Parts und monotones Motorpluckern ein, um uns Hörer dann doch zu Fuß in die große nächtliche Steppe zu führen. Entschleunigter Triprock mit sehr viel Muße ist's, den uns der verkrüppelte Schwarzaschenvogel zum Einstieg darbietet. Völlig entspannt gebart sich dann der 'Wendigo' - Musik mit Gleichmut für Alle, die es nach Natur gelüstet, wenn ihnen die Kultur zu hektisch wird. 'Bat Stack' klingt geisterhaft entrückt, dabei aber warmherzig, und gewissermaßen nostalgisch traurig, - und würde an CALEXICO erinnern, tönte es auf "Night Raider" nicht gar so schön schaurig, wie es das nunmal schaurig schön tut. Dieses etwas düstere, folkige Flair bleibt uns noch erhalten in 'Along Where The Wind Blows', dem 'Bat Stack' gewissermaßen als Intro dient, und welches etwas flotter gespielt mit Gesang aufwartet, der genau so auch von TOM WAITS stammen könnte. Nur rumpelt und pumpelt die Begleitung hier nicht ganz so arg. Folkig geht's dann auch mit 'Onward Ever Downwards' weiter, obwohl das Stück sogar ganz dezent rockig angehaucht ist - wer die balladeskere Seite von TITO & TARANTULA oder auch von LOS LOBOS mochte, sollte sich dieses wiegende Stück auf gar keinen Fall entgehen lassen. Das durch und durch melancholische 'A Lack Of Common Sense' baut sich, klassisch postrockig, nur ganz langsam auf und beginnt recht spät erst seinen Versuch, sich vom Ungemach dieser Welt mit großen, wohlgemessenen Zügen freizuschwimmen; indes hängen Klavier, präriewindgedörrte Streicher, rostige Gitarrendrähte und allerlei anderes Folkgerät an den Beinen, sodass das Fortkommen nicht so recht glücken mag; zumal im warmen Sand auch nicht gut Schwimmen ist. 'Trust No One' ist die sternenklare Nacht, in der die Wärme der spärlichen Lagerfeuerglut rasch verzogen und die Einsamkeit unter dem weithin erleuchteten, leeren Himmel erst so richtig spürbar ist. Nachdem die letzte kalte Konservenbüchse blankgeschleckt ist, leisten dir nichtmal mehr Kojoten Gesellschaft. 'I Am Free, Today I Perished' zieht einsam und mutterseelenallein der trüben, an der staubbewölkten Horizontkante des Westens untergehenden Sonne nach. Klavier verklingt, Harmonika atmet letzte Züge, danach verbleicht alles in ganz und gar unwirklichen, doch endlich vor Selbstaufgabe sanftmütig gewordenen Tönen. Die Verklärung der Nacht setzt ein, Umnachtung umfängt dich.
Der Phönix wäre kein ganz so sagenhaftes Tier, würde er nicht auch im verkrüppelten Zustand noch der Asche entfliegen können. Schwarz ist nicht nur der besagte Vogel, schwarz ist wohl auch der Humor der Vögel hinter dem Federviech. 'Burnt Reynolds' heißt das Eröffnungsstück von "The Resurrectionists", und tatsächlich gewahren wir hier einer Art musikalischen Erweckungserlebnisses. Denn auch wenn der Liedtext mit Verfluchungen beginnt und der Rhythmus wieder an die Totensonntagsmusik von "A Love Of Shared Disasters" erinnert, schält sich da - noch müde, träge und schlaftrunken - etwas hervor aus der Asche, wie das Mogenrot aus dem Blau der Nacht, die erste Glut aus dem sachten Wind der Dämmerung, lugt die rötlich schimmernde Schwanzspitze des schwarzen Phönix bereits matt glimmend aus dem Dunkel, blickt empor in höhere Sphären, aus denen Gospelgesang milde herabzuklingen scheint - aller aschebestreuten Schwermut unbeschadet. Und lauscht: Da lehnt sich etwas auf aus dem tönern tönenden Lehmboden. Ungewohnt rockrhythmisch pluckert 'Rise Up And Fight' heran; das klingt ja geradezu episch. Allerdings noch immer etwas träge. Hat etwas von WISHBONE ASH, bis statt den zu erwarten gewesenen Twin-Guitar-Leads das Elektrogeorgel sich einschleicht, um schließlich doch noch zu explodieren - freilich in Zeitlupe unter träge brütender Steppensonne zur Mittagszeit - psychedelisch schillernd wie ein Kaleidoskop; jetzt doch von gleißenden Gitarrenstrahlen durchwoben. Schön! Eine melancholische, scheinbar endlose Wüstenballade mit Geige, Klavier und Wehmutgesang - und all dem schön ruhig vom Winde verweht, versteht sich - später, nach 'Whissendine' also, und auch nach der im Gegenzug weitaus konkreteren, doch ebenfalls eher zierlich gebauten Doppel-Miniatur 'Crossing The Bar' mit ihrem leicht windschief-knorrigen Cellounterton im ersten und dem wunderschön gelassen verblutenden Piano im zweiten, kühl tröpfelnden Teil, stehen uns dann die eingangs erwähnten '200 Tons Of Bad Luck' bevor. Da darf das Akkordeon wieder heran, asthmatisch langsam gespielt, selbstverfreilich, und zum guten alten Beerdigungsrhythmus; und auch der Gesang klingt wie dreißig Jahre Trauer in der Blockhütte und einem ebensolangen schlohweißen Bart mit vom Pfeifenrauch gelb gewordenen Partien darin, klingt nach gramgebeugtem Rücken und knittrigem Gesicht, so knittrig wie die fadenscheinige Quetschkommode zum träge synkopierten Rhythmus und dem Jungfraumariaabgesang gen Ende - der Welt, oder zumindest eines unglaublich traurigen Spaghettiwesterns. Diese feierlich säuselnde Grabesstimmung wird fortgesetzt in 'Please Do Not Stay Here', einem ebenso melancholischen wie nostalgischen, ganz wie vom Wind gesungen anmutenden Stück. Die Wüstenfolkatmosphäre zieht sich also durch weite Teile von "The Resurrectionists", ganz so, wie dies auch schon auf "Night Raider" der Fall war. Doch selbst ein (anfangs) vorwiegend von piano pianissimo und aquarellenen Gitarren getragenes Stück wie 'Song For The Loved', welches Stilistiken von SAVOY GRAND und PINK FLOYD in sich vereint, fällt da nicht wirklich aus dem Rahmen. Das ganze (Doppel-)Album ist ein einziger steter Fluss - ganz große Kunst. 'A Hymn For The Lost' klingt wie im 19. Jahrhundert geschrieben, das arabesk verschnörkelte, rockig-postrockige, sich durch stete Repetition boleroartig steigernde '444' klingt nach zwei Dritteln des Stückes tatsächlich nach zwei Dritteln des großen Tiers, dessen Name Legion ist, und 'Littlestep' ist allenfalls für die Band ein kleiner Schritt. Da möchte man doch 13 Jahre lang ergriffen in sein Bier weinen, wenn man das hört! Allein, es geht nicht. Die Welt da draußen will mich wiederhaben. Es ist schon ein Jammer mit den Menschen. 'Human Nature Dictates The Downfall Of Humans'. Wenn damit Aufdiekniesinken gemeint ist, und zwar vor CRIPPLED BLACK PHOENIX, so tue ich das hiermit gern.
Anspieltipps:
'Wendigo', 'Along Where The Wind Blows', 'I Am Free, Today I Perished'; 'Rise Up And Fight', '444', 'Human Nature Dictates The Downfall Of Humans'.
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Eike Schmitz