CYBER BAND - Through The Passages of Time
Mehr über Cyber Band
- Genre:
- Experimental Rock / Prog Rock
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- Eigenpressung / Eigenvertrieb
- Release:
- 25.11.2024
- Through The Passages of Time
- The Return of Man
- Babylon's Dream (ft. Roger Alcantara)
- Andromeda's Sons
- Son of the Sun
- Zenith
- Stained Glass
- Kinabuhi
- Symphony of the Galaxy
Überraschung des Jahres: Ein Prog-Meisterwerk von den Philippinen.
Manchmal lohnt es sich, die Jahrescharts bis zum Ende des Jahres aufzubewahren. Denn die größten Überraschungen kommen eben nicht vom Osterhasen, sondern vom Christkind. In diesem Fall beschert uns eine junge Band von den Philippinen das Prog-Album des Jahres: "Through The Passages Of Time".
Ideen- und Melodiefeuerwerk
Schon der Opener, zugleich der Titeltrack, ist mit seinen 23 Minuten der heiße Anwärter auf den Prog-Song des Jahres. Er entfaltet ein Ideen- und Melodiefeuerwerk, das wie eine vorgezogene Silvester-Böllerei wirkt – nur besser. Die CYBER BAND setzt zwar auf eine klassische Besetzung aus Schlagzeug, Gitarre, Bass und Gesang, erweitert diese aber gezielt und nuanciert: Streicher, Klavier, Bläser oder elektronische Elemente bereichern den Sound und schaffen einen vielseitigen Klangkosmos. Trotz ihrer reduzierten Grundstruktur, die oft fast spartanisch wirkt (etwa bei 'Babylon’s Dream'), gelingt es der Band, eine enorme Dynamik und Vielfalt zu erzeugen. Das Meisterstück sind eben jene ersten 23 Minuten, doch auch die zweite Hälfte des Albums hält das Niveau locker.
Ein stimmiges Gesamtbild
"Through The Passages Of Time" ist ein wildes, experimentelles Mosaik aus unterschiedlichen Stilen, das dennoch nahtlos und harmonisch wirkt - eher Hundertwasserhaus als "cave canem". Die Einflüsse reichen von Jazz bis (Neo) Klassik ('Stained Glass'), jedoch stets fein dosiert, nie überladen. Zwei Jahre arbeitete die Band an diesem Album – das Ergebnis ist ein Werk, das durch seine perfekt unperfekte Ästhetik überzeugt. Die Spielfreude und Live-Dynamik, welche die Songs ausstrahlen, sind jederzeit spürbar. Es klingt, als hätte die Band die Stücke unzählige Male im Proberaum gespielt, bevor sie schließlich den Aufnahme-Button gedrückt hat – ganz ohne nachträgliches Polieren.
Retro und modern zugleich
Diese bewusste Imperfektion erinnert an die großen Produktionen der 70er-Jahre, insbesondere an den Krautrock. Damals mussten Aufnahmen oft in ihrer rohen Form stehen bleiben, was durch Spielfreude und Ideenreichtum der Bands mehr als ausgeglichen wurde. Ebenso klingt dieses Album: wuchtig und doch differenziert, retro und gleichzeitig modern. Die Produktion schafft es, diesen Geist einzufangen und dabei den Zuhörer völlig einzunehmen.
Zwischen Proto-Metal und Art-Rock
Die Band kehrt immer wieder zu ihren Rock, ja Proto-Metal-Wurzeln zurück, mit Instrumentalstücken, die ebenso gut auf einem New Wave of British Heavy Metal-Album der 80er Jahre Platz gefunden hätten ('Andromeda's Sons'). Doch sie verweilt nicht in der Vergangenheit. Stattdessen entwickelt sie diese Passagen weiter, steigt in progressive Höhen auf und kehrt dann wieder zu ihren Anfängen zurück.
Eine Stimme, die an Freddie Mercury erinnert
Ein besonderes Highlight ist der Gesang. Der Sänger zeigt eine beeindruckende Bandbreite – emotional, kraftvoll und facettenreich. Es ist schwer, nicht an den jungen, göttlichen Freddie Mercury zu denken. Die QUEEN-Analogien drängen sich auf, vor allem durch den Art-Rock- und symphonischen Ansatz der Band. Hier und da driftet die Musik in monumentale Gewässer ab, was an MUSE erinnert, ohne jedoch den eigenen Stil zu verlieren.
Fazit: Ein Geheimtipp mit Zukunft
Für mich ist dieses Album eine absolute Überraschung – ein Meisterwerk, das zwar noch nicht in allen Punkten das volle Potential ausschöpft, aber schon jetzt als beeindruckender Entwicklungsschritt einer mutigen Band überzeugt. Diese Mischung aus Experimentierfreude und der Fähigkeit, das Publikum mitzunehmen, verdient höchsten Respekt - wer sich an die Epigonen der Szene wie KING CRIMSON erinnert fühlt, liegt sicherlich nicht falsch, aber auch Gedanken an die spielfreudigen CASIOPEIA sind erlaubt (freilich ohne denk Funk-Anteil).
Ihr seht: Ich bin restlos begeistert, für mich kratzt das Album am Klassikerstatus wie Nachbars Rollo an der Haustür, wenn der den Postboten hört. Prog-Rockfans, egal ob alter oder neuer Schule, sollten sich dieses Album nicht entgehen lassen. Noch ist es ein Geheimtipp, aber das wird sich hoffentlich bald ändern. Ich jedenfalls werde die Entwicklung dieser Band mit großem Interesse weiterverfolgen.
Wer sich einen Eindruck von den spielerischen Qualitäten der Band machen möchte, darf sich dieses Youtube-Video zu Gemüte führen: Youtube-Link.
Einziger Wermutstropfen: Es gibt noch kein physisches Release, allerdings sind CD und Vinyl-Editionen geplant, wie die Band auf Facebook im Kommentarbereich bestätigt. Und wenn ich mir jetzt noch etwas wünschen darf: eine Tour durch deutsche Lande in 2025.
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Julian Rohrer