DøDHEIMSGARD - Black Medium Current
Mehr über Dødheimsgard
- Genre:
- Black Metal / Progressive Metal
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Peaceville / Snapper
- Release:
- 14.04.2023
- Et Smelter
- Tankespinnerens Smerte
- Interstellar Nexus
- It Does Not Follow
- Voyager
- Halow
- Det Tomme Kalde Mørke
- Requiem Aeternum
Die schwarzmetallische Avantgarde zieht ungeniert ihre ätherischen Bahnen.
Kaum zu glauben, aber es ist schon wieder acht lange Jahre her, seit sich die norwegischen Black-Metal-Avantgardisten DØDHEIMSGARD anno 2015 mit "A Umbra Omega" sehr eindrucksvoll zurückgemeldet haben. Also ist es wieder an der Zeit für ein neues Album, denn der Achtjahresrhythmus begleitet die Veröffentlichungspläne der Band mittlerweile seit dem Ende des verblichenen Jahrtausends. Dass sich derweil in so vielen Jahren doch einiges verändern kann, das ist nichts Neues, und so ist dieses Mal leider Sangeswunder extraordinaire, Aldrahn, von Bord gegangen, was tatsächlich dazu führt, dass die Gesangsdarbietung auf dem neuen Werk "Black Medium Current" nicht ganz so exaltiert und abgedreht ist, wie wir das gewohnt sind. Gleichwohl darf ich für die langjährigen Fans der Truppe direkt Entwarnung geben, denn Mastermind Vicotnik hat höchstselbst das Mikro übernommen, und auch dieser Mann weiß, wonach ein DØDHEIMSGARD-Album verlangt, auch wenn er etwas weniger manisch, einen Tick kontrollierter agiert.
Die Intensität des Gebotenen nimmt dabei tatsächlich nicht ab, und das ist eine sehr erfreuliche Überraschung. Das Album, das in eine wunderbar abstrakte Spektralfarbengraphik von Łukasz Jaszak gehüllt ist, und dabei sicherlich ein wenig gen PINK FLOYD lugt, spielt von den ersten Takten an sehr intensiv und absolut gekonnt mit einer bestechenden Laut-Leise-Dynamik, die perfekt von Matias Aaveren in den norwegischen Top Room Studios zu Lunner eingefangen und von Harris Zourelidis im Feedback Studio in Athen gemastert wurde. In bester progressiver Tradition wird hierdurch ein sehr transparentes, vielschichtiges Klangbild erzeugt, das dem Hörer stets offenbar werden lässt, welche Wege die Band wandelt, und jene sind mannigfaltig, wie wir es von diesen Herren nicht anders erwarten durften.
Der Einstieg in das Album mit 'Et Smelter' klingt exakt so, wie er heißt: In der fahlen Morgendämmerung scheint der Raureif langsam zu tauen und das Schmelzwasser tropft zu Boden, während sich der Nebel langsam auflöst und die gleisende Sonne durchbricht. Die verträumten Akustikgitarren und der folkloristische Klargesang der Einleitung wird von so leidenschaftlicher wie mitreißender Raserei abgelöst, ja nahezu zerfetzt, und doch ist auch das von flirrenden Nordlandriffs und irren Blasts geprägte Hauptstück des Liedes voller fesselnder Melodien und Hooklines, und es schimmert mehr als nur dezent durch, warum DØDHEIMSGARD trotz aller avantgardistischer Elemente eben noch immer und immerdar norwegischer Black Metal in Vollendung ist, egal was die Puristen sagen. Schon allein dieser epische Zehnminüter zum Einstieg lässt daran keinerlei Zweifel aufkommen, doch es gibt noch so viel mehr zu hören.
Das folgende, ebenfalls norwegisch betitelte und betextete Stück über den Schmerz des Gedankenspinners, bedient in einem avantgardistischen Klangkontext mit intensiven Sphärenklängen gleichwohl auch ausgiebig die nostalgischen Gefühle der langjährigen Anhänger der Band, und wird ebenso auch Fans von VED BUENS ENDE, FLEURETY oder ULVER für sich einnehmen können. Hier hören wir eine ausgewogene Mélange aus verträumten, psychedlischen Segmenten mit klarem Gesang, akustische Gitarren, präsentem Chorgesang einerseits, und schwarzmetallischer Härte andererseits, die gerade zum Ende hin nochmal merklich anzieht und durchaus modernere SATYRICON-Vibes aufweist.
Im Weiteren finden wir etwa bei 'Interstellar Nexus' schleppende, widerhakelnde, groovende Elemente mit Einflüssen aus Jazz und sogar Dodekaphonie, aber auch ausgeprägten Elektronik-Stilistika, wie etwa einem Drumloop, ausgeprägtem Space-Synth-Einsatz und überdrehten, teils ins Groteske gehenden Gesangsexperimenten, mit bipolarem Approach, die auch TORMENTOR, MASTER'S HAMMER und natürlich auch DØDHEIMSGARD selbst zu Aldrahn-Zeiten zur Ehre gereichen würden. Dass immer noch ein bisschen mehr Psychedelik und PINK FLOYD oder HAWKWIND möglich ist, beweist das hochgradig trippige 'It Does Not Follow', mit seinen relaxten, loungemäßigen Bass-Breaks, bevor das kurze Piano-Interludium 'Voyager' mit morbider Vanitas-Lyrik die Mitte des Albums markiert.
Die zweite Hälfte wird sodann eröffnet von 'Holow', einer dunklen, schwermütigen Schwarzdoomwalze, deren Lyrik teils in norwegischer, teils in englischer Sprache gefasst ist, und die neben den archetypischen DHG-Zutaten auch eine gewisse alternative oder gruftige Note aufweist, die hier Glenn Danzig und dort auch alternativeren Exponaten wie etwa den Isländern von XIII zuzunicken scheint, nicht jedoch, ohne auch hier einige Schlenker gen Schwarzmetall zu vollführen, etwa in einem anklagenden, geshouteten, garstigen Rezitativ und mehreren herrlich infernalischen Riffs. Auch das leere, kalte Dunkel wechselt an der nächsten Stelle die Sprache innerhalb des Songs, wobei das Norwegische dominiert, was auch sehr gut zum härtesten Stück des Albums passt, das Black- und auch Death-Metal-Elementen sehr viel Raum lässt und immer wieder mit Blasts und heftigen Gesangsmomenten beeindruckt, aber letztlich auch stets für einen trippigen Trance-Einschub gut ist. Zum Ende hin gibt es dann noch den sehr stark floydigen Zehnminüter 'Abyss Perihelion Transit', der Atmosphäre über alles andere stellt, bei dem aber auch Vicotniks Gesangsdarbietung regelrecht magische Momente extrapoliert. Hin und wieder fühlt man sich von der Atmosphäre her an Endneunziger-Werke wie SAMAELs "Passage", TIAMATs "Wildhoney" oder SALEMs "Kaddish" erinnert, wobei DHG das Ganze etwas vergeistigter und psychedelischer angeht.
Wenn das Album schließlich mit der theatralischen Piano-Moritat 'Requiem Aeternum' verklingt, steht fest, dass die Bandbreite auf "Black Medium Current" unfassbar groß ist, und das betrifft sowohl die kompositorischen Ideen, die sich nicht allzu leicht in vorgefertigte Songtypen einteilen lassen, als auch die sehr abstrakten, philosophischen Lyrics, und natürlich vor allem die stilistische, instrumentale und gesangliche Bandbreite, die sicherlich dazu führen, dass sich DØDHEIMSGARD auch anno 2023 nicht wirklich in eine Schublade packen lässt. Gleichwohl ist das Album stets 100% DHG, hat bei aller Vielseitigkeit und Komplexität einen roten Faden, hält die Spannung auch in den Longtracks aufrecht, und dürfte die meisten Fans der Band, die nach 1999 an Bord geblieben sind, rundum zufrieden stellen.
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle