DAEDALUS - The Never Ending Illusion
Mehr über Daedalus
- Genre:
- Progressive Metal
- Label:
- ProgRock Records
- Release:
- 27.01.2009
- Waiting For The Dawn
- Perfect Smile
- Life
- Hopeless
- Cold Embrace
- The Neverending Illusion
- The Dancers
- Horizons In A Box
- A Journey To Myself
- Mare Di Stelle
<strong>In der kretischen Mythologie wird erzählt von einem Wunderhandwerker und Kunstarchitekten, der verzwickte Labyrinthe, lebensechte Figuren und dergleichen mehr erschuf. Die progmetallische Formation DAEDALUS, die sich seinen Namen zu eigen gemacht hat, steht ihm zumindest in seiner professionellen Handwerkerei in nichts nahe. </strong>
Der Mythos von Daedalus und Ikarus. Synoptische charakterologische Notiz – Daedalus: attischer Erfinder, Baumeister, Künstler, Handwerker und Vater von Ikarus. Ikarus: vom Traum zu fliegen besessene mythologische Gestalt, die ihr ganzes Dasein auf die Erfüllung desselbigen fokussiert. Manch einer von uns kennt dieses hellenische Stück Märchenspinnerei. Vater und Sohn steigen auf in die Lüfte und der Sohn stürzt aufgrund seiner jugendlichen Unachtsamkeit und Ungestümheit und stirbt. Aber immerhin hatte er seinen persönlichen Sinn des Lebens gefunden, sein ultimatives Ziel verwirklicht. Etwas, wofür es sich zu sterben lohnt/ leben lohnte. So könnte man sich die Geschichte zumindest in der Reminiszenz zurechtstricken… eigentlich waren die beiden nach der Überlieferung ja in einem von Daedalus selbst errichteten Labyrinth gefangen gehalten, in dem ein Minotaurus wütete… aus diesem gedachten sie zu fliehen und so weiter und so fort. Für hier vorliegende Rezension ist die „spintisiertere Version“ auf jeden Fall tauglicher.
Daedalus fliegt weiter und wenn wir der Band, die sich seinen sagenumwobenen Namen zu Nutze gemacht hat, unser Gehör schenken, fragen wir uns, warum DAEDALUS nicht Ikarus heißt, denn ein närrisches, ja meinethalben auch unprofessionelles, jugendliches und mithin auch ahnungsloses „something wild“ hätte der italienischen Prog-Metal-Band gut zu Gesichte gestanden. Ich weiß, ich bin schrecklich penibel, wenn sich etwas Mimetisches – sei es auch nur liebäugelnde Pantomime – finden lässt und leider Gottes vertrauen auch diese Progressivisten auf an und für sich antiprogressive, antifortschrittliche und antiinnovative Wiederkäuerschnipsel, die ohne weiteres sich in traumtheatralischen Leinwandgrößen a là DREAM THEATER oder FATES WARNING wieder finden lassen. Sie hauen dabei in die ähnliche Kerbe wie DOMINICI, die Band um den alten Traumtheater-Sänger, welche fast wie ein Duplikat ebenjener großen Studierten klingt. So schlimm sind DAEDALUS nun auch wieder nicht, doch in vielerlei Hinsicht kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass diese Band einfach nur Hommage ist, eine Hommage an ihre großen Vorbilder und das, obwohl die Band schon einige Jahre Erfahrung auf dem Buckel hat und vorgibt Einflüsse verschiedensten Couleurs unter einen Hut zu bringen und subliminal suggeriert etwas Eigentümliches und nur ihr Angehöriges zu komponieren. Die Musik ist mit Blick auf die Musikalität kein reiner Progressive Metal per definitionem, sondern gerade mal vom technischen Aspekt her, denn Trademarks und Bekenntnisse alter Combos zu einer zu gerade einmal zehn Prozent bastardisierenden Kreuzung zu züchten, ist nicht zwingendermaßen der musischen Weisheit letzter Schluss.
Aber ganz so eng muss man es nun auch nicht sehen, denn obgleich die als Inspirationsbrunnen dienende Plattensammlung und Beistand stehende Patenversammlung bestehend aus RUSH, DREAM THEATER und FATES WARNING nicht wegzudenken ist bei der Rezeption des „Fortschrittsmetalls“ von DAEDALUS macht die Band eines definitiv gut: Songs schreiben. Die Arrangements sind zwar höchst vorhersehbar und transparent: beispielsweise die im Genre üblichen ungeraden Rhythmen und abrupten, aber nichtsdestoweniger paradoxerweise flüssig wirkenden Taktwechsel und opulenten (hypothetisch darauf ausgelegt alle bekannten Skalen dieses Universums abzudecken) Instrumentalpassagen tun ihr Übriges, um dem Prog Bevorzugenden Solides und Allzusolides darzubieten. Exotisch wirkt lediglich das ein oder andere klitzekleine Detail, wie milde Trompetentöne und sirenenartiger, gefühlvoll-berückender Weibsgesang bei 'Cold Embrace', der Einsatz atypischer, sehr „weichherziger“ Synthesizer bei 'The Never Ending Illusion' oder 'The Dancers' oder eben auch die sehr lockerflockig verspielte, nach Surfmusic oder Ska erinnernde Akustikgitarre in der Strophe von 'A Journey To Myself'. Das Material ist gut und als Pausenbrot für zwischendurch sicherlich sättigend für den anspruchsvollen Rocker, jedoch bleibt ein Pausenbrot eben ein Pausenbrot: lecker, aber nicht deliziös. Als einzig wirklich herausragender Bonus ließe sich die Stimme von Davide Merletto, die mehr zu überzeugen weiß als so manche Schiefleistung und unvisionäre Handwerklichkeit eines James La Brie und das Abschlusslied 'Mare Di Steele' anführen, das südländisches Temperament versprüht und ideal als Hintergrundmusik für den Abspann eines Kinofilms über unbeschwertes Familienleben und monogame Glücklichkeiten herhalten könnte. Für manch einen mag das Kitsch sein, in meinen Ohren klingt das Stück wirklich edelsteinhaft. Wer also von DAEDALUS (auch im Sinne des griechischen daidallein = kunstvoll arbeiten; kunstvoll in der Machart antiken Kunstverständnisses, schlicht: gutes Nachmachen) nicht Ikarus erwartet, sondern ganz den Vater haben möchte, kann hier bedenkenlos zugreifen.
- Redakteur:
- Markus Sievers