DARK LUNACY - The Diarist
Mehr über Dark Lunacy
- Genre:
- Melodic Death Metal
- Label:
- Frontiers / Soulfood
- Release:
- 22.09.2006
- Aurora
- Play Dead
- Pulkovo Meridian
- The Diarist
- Snowdrifts
- Now Is Forever
- On Memory White Sleigh
- Heart Of Leningrad
- Prospekt
- Motherland
- The Farewell Song
So kann man sich täuschen: Beim Einsetzen der ersten Riffs des "The Diarist"-Openers 'Aurora' dachte ich noch, dass mich in der Folge eine Melodic-Death-Platte für notorische Spätzünder heimsuchen würde, die genauso solide wie irrelevant ist und nach maximal drei Durchläufen nur noch anödet. Aber genau das Gegenteil war der Fall. Mit jeder weiteren Runde machte das Teil immer mehr Bock, was ich bei einer Platte aus dieser Ecke, die noch dazu von einer vorher kaum aufgefallenen Band stammt, nicht erwartet hatte.
Auf ihrem dritten Album machen DARK LUNACY nicht den Fehler, sich mit an Ignoranz grenzender Hartnäckigkeit an zweistimmigen Gitarrenläufen hochzuziehen. Stattdessen zeigen sie sich offen für andere musikalische Elemente, die sie in ihren Grundsound mit einfließen lassen. Im Großen und Ganzen bedient sich das Quartett dabei diverser Düster-Versatzstücke (ich vermeide absichtlich die Bezeichnung "Gothic", weil diese a) falsche Assoziationen weckt und ich b) die Italiener nicht beleidigen will). Einerseits werden öfter stimmungsvolle Keyboard/Pianoteppiche ausgerollt, andererseits bringt man sehr coole Gitarrenmelodien an, die eben NICHT nach MAIDEN klingen. Und wenn es der Song erfordert, wird die Verzerrung auch mal komplett rausgenommen. Ein Track wie das schleppende, melancholische 'The Memory White Sleigh' erzeugt mit Akustikklampfen, harschen Ausbrüchen inklusive Gefauche (Shouter Mike macht einen erstklassigen Job!) und natürlich klingendem Frauengesang eine dichte Atmosphäre, die an die allerbesten GODGORY-Nummern erinnert. Keinen Deut schlechter tönen 'Heart Of Leningrad' (hallo IN FLAMES, so kann man's machen!), das phasenweise wie LACUNA COIL zu "In A Reverie"-Zeiten klingende 'Snowdrifts' und die Bombe 'Now Is Forever'. Auch das erwähnte 'Aurora' ist ein schönes Pfund, das interessante Donkosakenchor-Einlagen zu bieten hat, die sich perfekt in das Stück einfügen. Überhaupt scheint die Combo eine Vorliebe für Russland zu haben, denn an anderen Stellen verarbeitet sie ebenfalls dezente folkloristische Einflüsse aus dieser Region. Ob sich die Vorliebe auch in den Texten niederschlägt, entzieht sich meiner Kenntnis; einige Songtitel deuten allerdings darauf hin.
Wäre diese Scheibe vor ein paar Jahren erschienen, hätten DARK LUNACY gute Chancen gehabt, auf breiterer Ebene Aufmerksamkeit zu erregen; heutzutage dürfte dies leider zu einem etwas schwierigeren Unterfangen geraten. Und hoffentlich werden die Stiefelländer dabei nicht völlig übersehen. Denn sie sind die perfekte Konsensband, da es ihnen gelingt, melodischen Todesstahl völlig klischeefrei rauszuballern und gleichzeitig düsteren Tiefgang zu entwickeln, den die Kajal-Befürworter im Patchouli-Rausch gerne mal außen vor lassen. Folglich kann es bei "The Diarist" nur heißen: zugreifen!
Anspieltipps: Heart Of Leningrad, Aurora, Snowdrifts, Now Is Forever
- Redakteur:
- Oliver Schneider