DARKTHRONE - A Blaze In The Northern Sky
Mehr über Darkthrone
- Genre:
- Black Metal
- ∅-Note:
- 10.00
- Label:
- Peaceville
- Release:
- 26.02.1992
- Kathaarian Life Code
- In The Shadow Of The Horns
- Paragon Belial
- Where Cold Winds Blow
- A Blaze In The Northern Sky
- The Pagan Winter
Ein Album wie eine Supernova!
Heute ist "A Blaze In The Northern Sky" längst Kulturgut und die metallische Welt ist sich der musikhistorischen Bedeutung des Werkes wohl bewusst. Doch wollen wir versuchen, uns zurück in die frühen Neunziger zu versetzen, um wirklich erfassen zu können, mit welcher Urgewalt das zweite DARKTHRONE-Album an jenem 26.02.1992 die Szene traf. Wer die Norweger bereits vom Vorgänger "Soulside Journey" zu kennen glaubte, der wollte kaum ein Jahr später seinen Ohren ebensowenig trauen, wie die Bosse der Plattenfirma Peaceville; und wer bis dahin geglaubt hatte, dass mit dem gerade florierenden Death Metal die Extreme des Heavy Metal ausgelotet seien, der sah sich gezwungen, sein Weltbild neu zu justieren.
Dem zwar bereits sehr finsteren, dabei aber auch sehr atmosphärischen, sauber produzierten und für das Peaceville-Label durchaus typischen Death Metal des Debütalbums stellte die Band aus Kolbotn bei Oslo eine Antithese gegenüber, mit der niemand gerechnet hatte, und die sogar das Label der Jungs seinerzeit für kommerziellen Selbstmord hielt. Wo einst der wuchtige und voluminöse Death Metal mit tiefen Growls herrschte, da wurde mit diesem Album und dem etwa zeitgleich erscheinenden BURZUM-Debüt des Kollegen Vikernes, eine gänzlich neue Ästhetik geboren, ein neues Klangbild, eine neue Ideologie und Attitüde. Zeitgemäße, moderne Stilelemente des extremen Metals wurden über Bord geworfen, die Band und in ihrem Gefolge ein weiter Kreis junger norwegischer Musiker besannen sich einer Ästhetik aus den Achtzigern; Corpsepaint, schwarze Lederkluft, Nieten und Patronengurte wurden wieder salonfähig, das drückende, wuchtige Klangbild des Death Metals wich einer klirrenden, höhenlastigen, dünnen Produktion; die Aura wurde eiskalt und finster, rasende und surrende Riffs zerschnitten die dichte Atmosphäre, heiserer, keifender, geisterhafter Gesang vertrieb die monströsen Growls der vergangenen Jahre, und die Vorbilder, auf welche man sich berief, waren plötzlich wieder von Teilen der Szene entweder vergessene, überwunden geglaubte oder nicht mehr ernst genommene Ikonen wie VENOM, CELTIC FROST, POSSESSED und vor allem das BATHORY-Frühwerk.
In dieses Szenario also platzte völlig unverhofft "A Blaze In The Northern Sky", und der Name nimmt es vorweg: Das Album war eine Supernova. Es war die Geburtsstunde der zweiten, der großen, der eigentlichen Black-Metal-Welle und steht zusammen mit einer Handvoll weiterer stilprägender Werke Pate für einen Großteil dessen, was man heute ganz selbstverständlich als Black Metal bezeichnet. Schon das Intro zum Opener erzeugt die richtige Atmosphäre und machte seinerzeit unmissverständlich klar, dass uns hier etwas erwartete, was den Anspruch hatte, die Szene in ihren Grundfesten zu erschüttern. Gähnend und bedrohlich öffnen sich die Tore der Hölle, ein beschwörender Chor ruft die Dämonen hervor, und mit erstickender Stimme prophezeiht Nocturno Culto: "We are a blaze in the northern sky", bevor mit 'Kathaarian Life Code' das Inferno über uns hereinbricht und das Blut in den Adern gefrieren lässt. Heute ein unbestrittener Klassiker, damals ein Schock, ein Attentat. Nüchtern analysiert hören wir im beschwörenden Groove und den schleppenden Riffs massive HELLHAMMER-Einflüsse, in den klirrenden Passagen, im flirrenden Strumming und gefrierenden, übersteuerten Gitarrensound, sowie im hysterischen Gesang natürlich frühe BATHORY, doch in dieser kompromisslosen Form, in dieser bedrohlichen Konsequenz und in dieser stimmigen, allumfassenden Ästhetik der Finsternis war ein solches Werk seinerzeit unvergleichlich, ohne Vorbild, und es manifestierte einen totalitären Anspruch, die Welt verstören, ja niederreißen zu wollen.
Schon damals, kaum merklich, war der Rock'n'Roll tief in DARKTHRONE verwurzelt, wie man sowohl am keltisch-frostigen Hauptriff von "In The Shadow Of The Horns" merkt, als auch an zahlreichen kleinen, unscheinbareren Facetten, etwa wenn Nocturno Culto zur Einleitung "Come on!" ruft, wenn sich die Gitarren archaischem Feedback hingeben, oder wenn sich das eine oder andere musikalisch-ästhetische VENOM-Zitat einschleicht. Gleichwohl ist es die pure Hölle, die hier rockt und ganz unverblümt den Anspruch erhebt, die Welt zu beherrschen: "In the shadow of the horns, only seen by the kings, of the dawn of the first millennium, upon the thrones...", diese Worte, endend in einem kurzen, majestätisch gezupften atmosphärischen Part machen klar, dass diese jungen Rebellen hier Geschichte schrieben. Ob sie sich dessen bewusst waren? Man mag es kaum glauben, und doch fühlt es sich genau so an! Obwohl "A Blaze In The Northern Sky" ein ästhetisch in sich geschlossenes Werk ist, so ist es doch abwechslungsreich und vielseitig. Die Death-Metal-Wurzeln schlagen noch am ehesten bei 'Paragon Belial' durch, das recht verschachelt und komplex aufgebaut ist, und das sich auch spielerisch weitaus weniger simplizistisch präsentiert als die meisten anderen Stücke des Albums. Die Riffs und Melodien geben sich kakophonisch, disharmonisch, immer wieder blitzen schräge Leads auf und fahren unter die Haut gehende, quälend lange stehen bleibende Dissonanzen einem Flak-Suchscheinwerfer gleich den Nachthimmel ab, eh sich in der perkussiven Coda die Spannung entlädt.
Das folgende 'Where Cold Winds Blow' ist danach ein stilprägendes Werk für die heute als typisch nordisch geltende schwarzmetallische Raserei. Unfassbar schnell surren die Gitarren, das Schlagzeug blastet und scheppert, die hysterisch keifende Stimme Nocturno Cultos geifert wie ein Nazgul durch die Nacht und der Hörer wähnt sich umfangen von schwarzen Schwingen in einem Scheegestöber aus welchem es kein Entkommen gibt: Das musikalische Äquivalent eines Blizzards ist geboren! Doch damit nicht genug, denn es folgt das legendäre Titelstück, das nicht lediglich einer von etlichen Klassikern des Genres ist, sondern ein Lied, das zur Hymne einer musikalischen Revolution wurde, und das durch seine Dramatik und Kompromisslosigkeit ebenso wie durch seine bei allem musikalischem Extremismus überraschende Eingängigkeit und Prägnanz das leitende Motto einer Bewegung lieferte, wenn im epischen Part Nocturno Culto sein Credo proklamiert: "We are a blaze in the northern sky, the next thousand years are OURS", bis sich im letzten Wort die Stimme überschlägt und kollabiert. Wer wollte es ihnen nicht glauben? Wer? Eben, keiner, denn wenn die Scheibe kurz darauf mit 'The Pagan Winter' langsam zum Ende kommt, präsentiert uns DARKTHRONE doch tatsächlich auch noch den ersten Ansatz einer weiteren ästhetischen Grundzutat des schwarzen Stahls Skandinaviens, der damals noch kaum auffallen wollte, retrospektiv jedoch schon recht klar zu Tage tritt. Einige Riffs und Melodien des Songs zeichnen nämlich in all der Rohheit und Brachialität des Werkes bereits eine mystische Nordland-Romantik, die spätere Bands weiter ausbauen sollten.
Der Rest ist Geschichte, mag man sich denken, wenn die Scheibe, wie sie begonnen hat, in atmosphärischem Dröhnen, mystischen "Agathos Daimon"-Rezitativen und stammelnd ersterbender Stimme verklingt. Letztlich war, ist und bleibt "A Blaze In The Northern Sky" nicht nur eines von vielen Referenzwerken der zweiten Black-Metal-Welle, sondern es ist mit dem eingangs erwähnten Begriff der Supernova tatsächlich treffend umschrieben. Es war 1992 wirklich dieser Lichtstreif am Nordhimmel, der eine ganze Szene gebar und mehr junge Bands inspirierte, als man sich dies vorstellen kann. Zu guter Letzt kann der Zweitling dieser einflussreichen Band jedoch auch als Manifest einer neuen Philosophie des musikalischen Extremismus im Heavy Metal betrachtet werden: Wo bis zu diesem Zeitpunkt die Bands ihren Metal zumeist dadurch extremer werden ließen, dass sie nach neuen Ufern und neuen Einflüssen suchten, da schuf die zweite Black-Metal-Welle das bis dahin nicht dagewesene Extrem, das sie war, als ein Kondensat des Alten anstelle eines Verschnitts aus Altem und Neuem. So ist für mich der Black Metal der zweite Welle zur letzten denkbaren Evolutionsstufe geworden, die der Metal aus sich selbst heraus gebären könnte, und "A Blaze In The Northern Sky" ist ein Fanal dieser Revolution, dem man mit zehn läppischen Punkten unter einer Rezension an sich nicht gerecht werden kann.
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle