DEAD CAN DANCE - Into The Labyrinth
Mehr über Dead Can Dance
- Genre:
- Ethno/Instrumental/Weltmusik
- Label:
- Warner Music
- Release:
- 14.03.1997
- Yulunga [Spirit Dance]
- Ubiquitous Mr. Lovegrove
- Wind That Shakes the Barley
- The Carnival Is Over
- Ariadne
- Saldek
- Towards The Within
- Tell Me About the Forest (You Once Called Home)
- Spider's Stratagem
- Emmeleia
- How Fortunate The Man With None
Der Traum beginnt noch recht irdisch: Mit einer CD in der Hand, die man von einem Freund zugesteckt bekam.
DEAD CAN DANCE?
Nie gehört! Man erinnert sich noch so eben daran, wie besagter Freund etwas von "Ethno" nuschelte und dann mit hochgezogenem Kragen um die Ecke verschwand.
Der Bus kommt. Man steigt ein, löst ein Ticket, sucht sich einen Platz in der hintersten Ecke und wechselt die CD im Discman. Draußen regnet es, der Wind klatscht die Tropfen an die Scheibe und lässt sie in obskuren Formen zusammenlaufen. Man bemerkt mal wieder, wie verdammt grau so eine Großstadt bei schlechtem Wetter ist.
Dann erinnert man sich an die CD. Man sucht den Playknopf, vergräbt sich in der eigenen Jacke und lässt den Blick auf der Fensterscheibe ruhen.
Die Musik beginnt.
Schwerer Frauengesang ist das Erste und das Letzte, was man wirklich hört. Danach geht alles im Kopf ab.
Weiche Bassklänge bilden den Anfang, dann erklingen seichte Sitarren und bilden in Einheit mit orientalischer Trommelrhythmik ein dichtes Klanggebilde, und dann noch dieser Gesang. Die Frau versteht es, ihre Stimme immer weiter zu erheben und fast über dem Takt schweben zu lassen, ohne dabei aufgesetzt zu wirken oder in immer höheren Tonlagen zu kreischen. Irgendwie meint man gerade an einem schillernden Basar vorbeigefahren zu sein, und seltsamerweise fängt der Bus an hin und her zu wanken.
Dann wechselt die Klangfarbe zu einem schönen Gelbgrün, die Sitarren bleiben, klingen aber heller. Dazu dieser Rhythmus, der unaufdringlich aber stark präsent das ganze Lied mit sich zieht und dem männlichen Gesang noch ein wenig mehr Nachdruck verleiht, als dieser zwischen ruhiger Melodie zu eindringlichem Sprechgesang wandert. Während man sich einbildet, dunkelhäutige Menschen in weiten Gewändern draußen erfreut im Regen tanzen zu sehen, verklingt der letzte Ton des Lieds und die Stille stürzt nicht wie sonst immer auf die Ohren ein, sondern bleibt wie ein wartender Schatten im Hintergrund, als wäre sie die ganze Zeit da gewesen.
Dann beginnt wieder diese Frau mit ihrem Gesang, und dieses Mal stemmt sich ihre Stimme alleine gegen die Klanglosigkeit. So reich an Facetten ist diese Stimme, so ergreifend ihre Stimmung, dass man nach Sekunden merkt, dass man die Luft angehalten hat und von einem Gefühl von nie gekannter Hoffnungslosigkeit erfüllt ist.
Der folgende Song verstärkt dieses Gefühl nur noch. Mit spielerischen Geigenklängen und lebhaften Glockenspiel wird ein krasser Kontrast zum melancholischen Gesang des Mannes geschaffen, der vom dunklen Ende der fünften Jahreszeit, dem Karneval, erzählt. Irgendwie kommt einem die Stadt noch düsterer vor, und einen unwirklichen Moment schaut einen das eigene Spiegelbild mit verlaufener Schminke unter den Augen an.
Bevor man den Kloß im Hals erfolgreich runterschlucken kann, lockert heller Frauengesang, untermalt von orientalischer Musik im passenden Rhythmus, die geschrumpfte Welt ein wenig auf, und der Papierfetzen, der an die Scheibe geweht wurde, führt einen kleinen Tanz auf.
Während man sich nicht mehr sicher über den eigenen Verstand ist, führt die Musik ihre Reise fort, durch große Wälder, die mit Licht und Schatten spielen wie Rhythmus und Tempo verschiedenster Musikinstrumente aus aller Welt, durch weite Steppen, über die der Gesang getragen wird, als wäre er ebenso gegenwärtig wie der Wind, der die Tropfen über die Scheibe treibt, über felsige Bergvorläufer, zwischen denen sich die perfekt angeordneten Klänge widerspiegeln und ans Meer, dessen Wellen der grandiosen Harmonie zwischen Stimme, Instrument und Stille Tribut zollen und jede Stimmung erlauben, von tiefer Trauer zu heller Hoffnung, von Melancholie zu verspielter Glückseligkeit.
Diese Reise führt einen durch jeden erdenklichen Winkel der Welt, dargestellt durch alle Instrumente der Welt unter der Regie der musikalischen Perfektion, bis einen ein Kontrolleur (der erst auf dem zweiten Blick doch keine spitzen Ohren hat) aus dem Tagtraum reißt, um einen darauf aufmerksam zu machen, dass das eigene Ticket schon vor einer Stunde abgelaufen sei.
Als man aussteigt, stürzt der Lärm einer menschenleeren Straße mit unglaublicher Wucht auf einen ein, und man ist sich nicht sicher, ob da wirklich Regentropfen das Gesicht runterrollen.
DEAD CAN DANCE - Into The Labyrinth
Anspieltipps: The Carnival Is Over, The Wind That Shakes The Barley, The Ubiquitous Mr. Lovegrove, Towards The Within, The Spider's Stratagem, How Fortunate The Man With None
- Redakteur:
- Michael Kulueke