DEAD SOUL TRIBE - A Lullaby For The Devil
Mehr über Dead Soul Tribe
- Genre:
- Prog
- Label:
- Inside Out/SPV
- Release:
- 24.08.2007
- Psychosphere
- Goodbye City Life
- Here Come The Pigs
- Lost In You
- A Stairwaay To Nowhere
- The Gossamer Strand
- Any Sign At All
- Fear
- Further Down
- A Lullaby For The Devil
Ein neues Album von DEADSOUL TRIBE ist immer eine spannende Angelegenheit. Wenn Bandkopf Devon Graves dann im Vorfeld selber was davon erzählt, dass das nächste Album den einen oder anderen Fan etwas irritieren könnte, da man "die bisherigen Trademarks der Band außer Acht lassen und möglichst neue kreieren" möchte. Außerdem wurde von einem Doppel-Album gemunkelt. Man durfte also gespannt sein.
Gut, ein Doppeldecker ist "A Lullaby For The Devil" nicht geworden. Also doch alles wie gehabt? Wäre ja auch nicht so verkehrt, denn immerhin gefallen mir alle Werke der Band um den ehemaligen PSYCHOTIC WALTZ-Fronter (sorry, aber einmal musste dieser Bandname in diesem Review fallen – der Verf.) sehr gut. Allerdings kann man rückblickend einen minimalen Qualitätsverlust auf dem letzten Werk verzeichnen, da DEADSOUL TRIBE begannen, ein wenig sich selbst zu kopieren.
Legt man den Neuling nun in den Player, so überfällt einen 'Psychosphere' mit einem glasklaren und gleichzeitig sehr transparenten Sound. Alle Achtung, da hat Mister Graves sich aber deutlich weiter entwickelt. Entspringt dieser doch seinem eigenen Studio. Es ist aber nicht allein der Klang, der den Hörer förmlich umpustet, nein, die Eröffnungsnummer pulsiert mit einem derart markigen Bass aus den Boxen, dass man sofort mitgrooven muss. Wenn das die Marschrichtung für die nächsten neun Nummern werden soll, dann haben wir es wohl mit dem härtesten DEADSOUL TRIBE Album in der Bandgeschichte zu tun.
Hat man sich gerade auf diese Ausrichtung eingestellt, flötet einem das knapp neun Minuten lange 'Goodbye City Life' völlig andere Töne um die Ohren. Dieser Longtrack steigert sich nach einigen Durchläufen zu einem der vielen Highlights des Albums, da er einen völlig fantastischen Aufbau hat. Eingeleitet von einem düster-mystischen Instrumentalpart, wandert Devon danach eine Weile lang auf behutsamen Pfaden und verzaubert mit Melodien abseits dieses Planeten, um den Hörer mehrfach auf falsche Fährten zu lenken. Spannungsbögen, die sich aufbauen und dann genial entladen, bis hin zu einem überraschenden Ende, welches beinahe noch einmal einen eigenen Song darstellt. Ich will nicht zu viel verraten.
Ist man von der voran gegangenen Nummer in ein anderes Universum gekegelt worden, so holt uns der TRIBE beim harten 'Here Come The Pigs' auf den Boden der Tatsachen zurück. Vor allem Devons Gesang ist erschreckend aggressiv und offenbart eine gänzlich neue Facette seines Könnens. Kombiniert mit erneut sehr harten Riffs und den DST-typischen Beats, ergibt sich hier ein weiterer Titel, der alt eingeschworenen Fans etwas schwerer im Magen liegen könnte.
Ganz anders schaut die Welt da wieder im zerbrechlichen 'Lost In You' aus. Devon schmeichelt mit der gefühlvollen Seite seiner Stimme die Hörmuscheln. Im Chorus werden allerdings mächtige Riffs ausgefahren, die sich im Übergang zur Strophe grandios emotional entladen. Und wenn Buddy, äh Devon, kurz vor Schluss mehrfach "so lost in you" ins Mikrophon säuselt, stehen alle Gänsehäute in Reih und Glied.
Ebenso anschmiegsam schleicht sich 'A Stairway To Nowhere' ins Kleinhirn des Hörers und balsamiert dort mit Devons flüsternden Gesängen und einer zirpenden Untermalung, die durch sehr viel Hall extrem intensiv klingt, unser Wohlfühlzentrum. Vielleicht der Song, der die größte Ähnlichkeit mit altbekannten DST-Stücken aufweist.
Eine fette Überraschung servieren uns DEADSOUL TRIBE dann mit 'The Gossamer Strand'. Eine lange Instrumental-Komposition, bei der die heiß geliebte Querflöte die Leads übernimmt und über den gesamten Song hinweg die Melodie anführt. Darunter grooven sich die Mitmusiker ins Nirwana, ohne dabei zu vergessen, wie man einen spannenden Songaufbau bastelt. Eine weitere völlig neue Seite der Band, die belegt, dass die typische Atmosphäre sogar ohne Devons Stimme erzeugt werden kann.
Bevor man danach aber sehr der Entspannung verfällt, schlabbern uns im nachfolgenden 'Any Sign At All' gleich zu Beginn saftige Basslinien entgegen, die unwillkürliches Hüftschwingen auslösen. Gut, ältere Semester werden mit dem Fuß wippen, was zählt, ist dieser unbeschreibliche Groove, der erneut erzeugt wird. Herrlich.
Das anschließende 'Fear' ist so etwas wie der Hit auf dem Album, ähnelt er doch am ehesten einer radiotauglichen Ballade. Sanft eingeleitet von Akustik-Klampfe, Devons Schmelz-Stimmlage und leichte Pianoklängen, orgelt im Chorus allerdings ein schön organisches Tasteninstrument zu verzerrten Gitarren herum und entrückt die Nummer ein ganzes Stück der Normalität. Phantastisch.
Die emotionale Achterbahn hat aber noch kein Ende, denn 'Further Down' ballert mit einem extrem heftigen Rhythmus auf den Hörer ein. Dazu wabern im Hintergrund schön tiefe Keyboards unter den treibenden Gitarrenläufen herum, die ein Gesamterzeugnis produzieren, das sicherlich in einschlägigen Zappelbuden zu ekstatischen Hüpfaktivitäten führen sollte. Wenn es eine gerechte Welt geben würde ...
Hat man sich bei diesem kurzen Spuk irgendeine Gliedmaße beim Mitgehen ausgerenkt, so kann man im abschließenden Titelsong noch einmal herrlich die Seele baumeln lassen. Hier fahren DEADSOUL TRIBE noch einmal alle Register ihres Könnens auf und beenden das Album mit dem zwingenden Wunsch sofort einen erneuten Rundlauf im Player zu absolvieren.
Jetzt ist das geschehen, was ich selbst gar nicht so gern lese, nämlich eine Track-by-Track Besprechung. "Lullaby For The Devil" hat mir mit all' seinen Überraschungen aber keine andere Wahl gelassen, denn was hätte es euch genutzt, wenn ich geschrieben hätte, dass mich dieses Album anfänglich überrascht, dann fasziniert und nun süchtig gemacht hat? Genau. Gar nichts, außer ihr kennt meinen Musik-Geschmack so genau, dass ihr das einschätzen könnt.
Für mich ist dieses Album ein eindeutiges Zeichen, welches Potential in dieser Band steckt, die bisher nur einen Bruchteil ihrer Kreativität ausgelebt hat. Klar, wer wiedergekäutes Musikgut erwartet, wird sich mit diesem Album schwer tun, es eventuell sogar nicht mögen. Und auch wer DEADSOUL TRIBE lediglich aufgrund ihrer Vergangenheit gehört hat, wird erschreckt sein, denn die Querverweise zu PSYCHOTIC WALTZ (ooops, noch einmal – der Verf.) sind minimiert worden. Wer aber mit offenen Ohren durch die Musikwelt geht, wird ein absolut emotional tief greifendes, Genre sprengendes Album entdecken, mit dem man lange Zeit sehr viel Freude haben kann. Ich wage einmal die Prognose, dass "Lullabye For The Devil" in ein paar Jahren als Referenz für gefühlvolle, aber gleichzeitig auch moderne, harte Musik gelten kann.
Ich bin begeistert.
Anspieltipps: Goodbye City Life; Fear; Further Down; The Gossamer Strand, A Lullaby For The Devil, A Stairway To Nowhere
- Redakteur:
- Holger Andrae