DEMENTIA - Nina
Mehr über Dementia
- Genre:
- Progressive Death Metal
- Flight No. 353
- Bloodsoiled
- Decipher Fractions
- Mindreaders
- Cyberdeath
- My Freaks Syllogism
- The Performance Of Fear
- The Delusive End
Die Brühler Band DEMENTIA legt dieser Tage ihr drittes, selbst finanziertes Studioalbum vor. Daneben gab es ein Demo und eine Split-EP mit FALLEN YGGDRASIL. Die Truppe hat sich dem melodischen, progressiv-technischen Death Metal verschrieben und ist schon seit 1989 in wechselnden Besetzungen aktiv. Die Jungs selbst bezeichnen "Nina" als ihr bisher reifstes und vielseitigstes Werk, was ich nicht wirklich beurteilen kann, da ich die Vorgänger nicht gehört habe. Richtig ist aber auf jeden Fall, dass die neue Scheibe sehr viele verschiedene musikalische Einflüsse offenbart, diese auf hohem technischen Niveau ausführt und dabei dennoch nicht die Basis des melodischen Death Metal verlässt.
Der Gesang bewegt sich hierbei jedoch nicht ausschließlich im typischen Death-Bereich, da neben den Growls von Frontmann Stephan Nowotny auch noch Gitarrero Jörg Rupp etliche effektiv eingesetzte, sehr schöne cleane Gesangspassagen beisteuert, was den Opener 'Bloodboiled', der einem gesampelten Intro folgt, in eine leicht sphärische Ecke drückt, die mich in jenen clean gesungenen Passagen ein wenig an ARCTURUS erinnert, ohne deren extrem avantgardistischen Touch zu haben. Im folgenden 'Decipher Fractions' dominieren ganz klar die brutalen Growls und harten Riffs, wobei aber auch eine ganze Menge sehr melodischer, teils gedoppelter Gitarrenleads eingestreut werden. Nach einem zentralen Break folgt eine Passage, die ich durch die Mischung von Death Metal und dramatisch-orchestralen Keyboardarrangements ein wenig mit NOCTURNUS in Verbindung bringe.
'Mindreaders' fängt leicht balladesk an und erhält dann durch eine mit starken Computereffekten beladene Stimme einen Anstrich, den man mit progressivem Spacerock in Verbindung bringen könnte. Zumindest bis die Herrschaften in eine vertrackte, jazzige Passage wechseln, wie man sie von Death-Metal-Avantgardisten wie CYNIC oder Funk Thrashern wie MORDRED kennt. Danach gibt's dann melodische Gitarrenläufe, ein wenig derbes Stakkato-Riffing mit entsprechenden Shouts und wieder eine verspielte, ruhige, verträumte Stelle mit fantastischen cleanen Vocals. Mit den Ideen, die DEMENTIA in diesen einen achtminütigen Song packen, füllen andere Bands ein ganzes Album. So viele Tempo- und Stimmungswechsel innerhalb eines Stückes haben natürlich den Nachteil, dass man bei oberflächlichem Hören nur schwer Zugang findet. Wer allerdings gerne intensiv hört, wird in den Sücken auf "Nina" viel zu entdecken haben, das ihn eine ganze Weile beschäftigen sollte.
Alle Songs des Albums sind recht lang und vielschichtig, die unterschiedlichen Stilelemente und Einflüsse werden homogen in das Death-Metal-Grundgerüst eingebaut. So wirken weder jazzige Sequenzen noch industrialartige Samples aufgesetzt, sind weder progressive 70ies-Elemente noch der eine oder andere nach leicht neoklassischem Power Metal klingende Lauf (man höre hierzu 'The Performance Of Fear') deplatziert. Auch gelegentliche Gothic-Anklänge und thrashige Passagen fügen sich ebenso gut in das Gesamtbild ein wie das ausladende, soundtrackartige Finale von 'Cyberdeath'.
Dennoch dürfte klar sein, dass "Nina" keine eingängigen Hymnen enthält. Wer sich auf die Scheibe einlässt, sollte keinen straighten Death Metal erwarten, der sofort ins Ohr geht. Es gibt sehr viele wunderschöne Stellen mit eingängigen Melodien, wie das an Projekte wie STAR ONE angelehnte Keyboard- und Gitarrenspiel in 'My Freaks Syllogism' und die hervorragend dazu passende Strophe im Mittelteil des Stücks beweisen. Diese Stellen sind jedoch stets in komplex arrangierte Gesamtkunstwerke verwoben, die den Hörer fesseln, wenn er ihnen die Chance dazu gibt.
Ein ganz großes Highlight haben sich DEMENTIA für den Schluss aufgehoben. 'The Delusive End' erinnert mit seinem Anfang, der gesprochene Samples mit cleanen Gitarren mischt, ein wenig an METALLICAs "One", dreht danach jedoch komplett ab, um zwischen kurzen, fast schon disharmonischem Intermezzi, schönem Melodic Death und melancholisch-romantischen, clean gesungenen Passagen hin und her zu pendeln.
"Nina" ist eine Scheibe, die ich durchaus allen anspruchsvollen Death-Metal-Fans empfehlen kann. Mehr noch dürfte sie aber Proggies und Avantgardisten jeglicher Couleur zusagen, sofern sie nichts gegen Growlgesang einzuwenden haben. Die Scheibe, die zusätzlich zur musikalischen Klasse auch eine für eine Eigenproduktion sehr schöne Aufmachung zu bieten hat, kann man für günstige 10 Euro inklusive Porto direkt von der Bandhomepage beziehen. Bleibt zu hoffen, dass dieses anspruchsvolle und ungewöhnliche Album der Band nach all den Jahren endlich den längst verdienten Durchbruch beschert.
Anspieltipps: My Freaks Syllogism, Cyberdeath, Mindreaders, The Delusive End
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle