DEMONIAC - So It Goes
Mehr über Demoniac
- Genre:
- (Progressive)Thrash Metal
- ∅-Note:
- 10.00
- Label:
- Edged Circle Productions
- Release:
- 11.12.2020
- RSV-Fool Coincidence-Testigo
- The Trap
- Extraviado
- Equilibrio Fatal
- So It Goes
DEMONIAC aus Chile öffnen für uns ihre neue, düster-bunte Thrash-Wundertüte!
Der Vergleich mit den Pralinenschachteln von Forrest Gumps Mutter passt ebenfalls. "Man weiß nie, was man bekommt!" kann der geneigte Musik-Konsument in der heutigen Informations- und Stilistik-Schubladenlandschaft tatsächlich selten aus voller Brust rufen. DEMONIAC könnten mit ihrem neuen Album "So It Goes" den einen oder anderen Thrash-Enthusiasten jedoch wirklich dazu bringen, diese Worte zu äußern.
Die Scheibe birgt so manche unkonventionelle Idee in sich und besteht lediglich aus fünf Songs, von denen nur zwei auf englisch gesungen werden. Die drei anderen Texte werden auf spanisch dargeboten! "So It Goes" beginnt furios mit dem dreiteiligen Siebenminüter 'RSV-Fool Coincidence-Testigo'. Ein brachiales Thrash Riff- und Rumpelgewitter reißt den Hörer sogleich in seinen Bann. Die kräftige, rau röchelnde Stimme von Javier Ortiz (Gesang/Rhythmus-Gitarre) fasziniert und passt mit ihrer Klangfarbe hervorragend. Flirrende Lead-Fetzen einer Gitarre klingen langsam aus und finden sich urplötzlich in einer fast biederen, folkloristischen, gezupften Gitarren-Melodie wieder, die vermutlich an chilenische Heimatklänge angelehnt ist und mich schrägerweise etwas an die Bud-Spencer-Soundtracks von Guido und Maurizio De Angelis (OLIVER ONIONS) erinnert. Obwohl Part auf Part folgt, greift bereits bei diesem ersten Stück jedes Fragment ineinander und klingt bei aller Unberechenbarkeit dennoch schlüssig. Gegen Ende folgt dann ein längerer Hochgeschwindigkeitsteil, der erstmals die Qualität und die musikalisch-technischen Möglichkeiten des Lead-Gitarristen Nicolas Young erahnen lässt.
Weiter geht es mit den Überraschungen. Upps! Pianoklänge? Aber klar doch: ein sehr effektvolles Klavierintro mündet in einem langsam startenden und dann heftigst über den Hörer hereinbrechenden Prügelorkan, der noch etwas schwarz-metallischer klingt, als der gesamte Opener. Und über diesen ganzen frickeligen Prügelparts schwingt sich die Leadgitarre immer auffälliger in virtuose Gefilde auf! 'The Trap' nimmt den nun bereits sabbernden Thrash-Liebhaber, der auch etwas Black- und Progressive-Metal von Zeit zu Zeit in seine Gehörgänge lässt, im Sinne seines Namens regelrecht gefangen!
Der nächste Titel 'Extraviado' beginnt mit einem einzelnen, sich langsam aufbauenden Ton, der, wie man nach etwas Überlegung schließlich realisiert, von einer Klarinette erzeugt wird und am Anfang einer feinen Melodie steht. Das von Rodrigo Poblete gespielte Schlagzeug verharrt dazu in einem sehr getragenen, wenn auch kräftig gespielten Jazz-Beat. Ja, das ist feinster, melodischer Kneipen-Jazz, der da aus den Boxen schmilzt! Es ist kaum zu glauben, aber das alles klingt wunderbar lässig und begeistert durch die schöne, ruhige Melodie der meisterhaft vorgetragenen Klarinette, deren eleganter Klang sich mit dem nun ebenfalls virtuos aufspielenden Bass vermischt. Nach kurzer Zeit baut die einsteigende verzerrte E-Gitarre durch ihre klangliche Gewalt den seither fehlenden metallischen Druck auf, der sanft Bass, übrigens gespielt von Vicente Pereira, und die Klarinette unterstreicht. Das ist wahrhaftiger Jazz-Metal, der hier präsentiert wird, ohne experimentell oder gar lächerlich zu wirken! Bei der dritten Steigerung der Härte raunzt die chorartig verfremdete Stimme ein paar spanische Worte, danach übernimmt die Klarinette wieder bis zum Ende des Stückes die Hauptmelodie. Ganz großer musikalischer Zauber!
'Equilibrio Fatal' nimmt das beim vorhergegangenen Lied komplett ausgebremste Tempo einer herkömmlichen Thrash-Produktion wieder auf und beginnt mit einem toll ausgearbeiteten klassischen Metal-Einstiegsriff, das in einige wütend gekeifte Verse einmündet, die zum ersten Mal etwas mechanisch konstruiert, fast holprig wirken. Dennoch wird eine Gesangsmelodie für den Refrain gefunden, wenn man diese hierbei so nennen kann. Kurz bevor das Stück langweilig zu werden droht, darf die Lead-Gitarre wieder bruchstückhaft zeigen, was sie kann, auch der Bass sticht abermals hervor. Im letzten Drittel des sechseinhalb Minuten dauernden Songs folgt noch ein Vers und dann wird endlich die Lead-Gitarre in voller Pracht und Länge von der Kette gelassen: Oh mein Gott! Wie großartig! Wieder folkloristisch geprägt, mit klassischen Versatzstücken garniert, verzaubert Nicolas Young mit einem unglaublich klangvollen Melodie-Solo seine Zuhörer und lässt mich bereits bei den ersten Hördurchläufen in Tagträumen schwelgen. Der Wahnsinn, echte musikalische Schönheit, erzeugt von einer Underground-Thrash-Metal-Band aus Chile!
Nun folgt die abschließende, knapp zwanzigminütige, titelgebende Thrash-Suite 'So It Goes'. Diese wird nach einem sanften Einstieg und wiederum nuanciert einsetzendem Klarinettenklang mit dem ersten rasenden, von einem wiehernd beginnenden und in melodiösen Strukturen endenden Leadsolo verzierten, Riff eingeleitet. Es folgt ein durchaus fesselnder Reigen einiger aneinander gereihter unterschiedlicher, sehr abwechslungsreicher Songteile.
Bei diesem Stück beschleicht einen zum ersten Mal der Gedanke, dass zeitlich betrachtet weniger vielleicht mehr gewesen wäre. So hätte man den einen oder anderen Songteil sicherlich etwas kürzer gestalten können. Dennoch schafft es die Band bei all diesen unterschiedlichen Abschnitten, dass nichts unpassend oder gar störend "aneinander geklatscht" wirkt. Die Songteile werden durch passende Überleitungen und klangliche Kniffe immer wieder so aneinandergereiht, dass die Wahrnehmung des Zuhörers nicht überfordert wird, jedenfalls empfinde ich das so. Der Gesang gerät etwas stärker in den Fokus des Hörers, setzt doch Javier Ortiz seine Stimme deutlich facettenreicher als bisher ein und bemüht sich um vielfältigere Interpretationen seines Keifens. Sogar das eine oder andere CELTIC FROST-Gedächtnis-"Uh" ließ er sich offensichtlich nicht nehmen.
Zusammenfassend kann über den Titelsong 'So it Goes' gesagt werden, dass er die bewährten Stilmittel der vier vorausgegangenen Songs erneut gelungen zusammenführt, sogar eine getragenen Klarinettenmelodie ist erneut dabei. Der Bass brilliert ebenfalls an vielen Stellen, gleichfalls die Leadgitarre. Es handelt sich um ein gehaltvolles, düsteres Thrash-Epos, dem man auch nach diversen Hördurchgängen noch etwas Neues abgewinnen kann.
Die aus Limache in der Mitte von Chile stammende, seit 2011 aktive Band hat auf ihrem zweiten Album und somit vierten Tonträger (zwei EPs gingen voraus) einen gehörigen Qualitätssprung zum Vorgänger "Intemperance" aus dem Jahr 2017 vollbracht. Jenes Album erhielt zu seiner Zeit vom Kollegen Hermann Wunner zu Recht 7,5 Punkte, ein wenig zu einseitig und nach einem Stil suchend klang das damalige Ergebnis der Studioarbeit noch.
DEMONIAC hat es mit "So It Goes" geschafft, den Nerv der Leidenschaft für kunstvolle, emotional berührende harte Musik bei mit genau zu treffen! Obwohl sich ein paar kleine Kritikpunkte auch in meiner Wahrnehmung in diesem Werk ausmachen lassen, und der Sound zwar gut, jedoch nicht perfekt ist, tendiere ich dazu, die vier Glanzstücke der Scheibe sowie meine Begeisterung für dieses Album bei der Bewertung in den Vordergrund zu stellen.
Somit haue ich diesmal 10 Punkte raus und das Album habe ich mir via Bandcamp bereits als Vinyl bestellt. Falls die Herren ihre Musik weiterhin in so großen Schritten weiterentwickeln, weiß ich bei der nächsten Veröffentlichung von DEMONIAC genau wie Forrests Mutter zwar leider immer noch nicht, was ich bekomme, ich werde aber von jetzt an gespannt auf die Scheibe warten. Und wer weiß: vielleicht beehren DEMONIAC nach der Pandemie ja einmal Deutschlands Clubs!?! Zu wünschen wäre es jedenfalls.
Daher unbedingte Empfehlung an alle Thrash-Maniacs, denen die heftigere, progressiv-angeschwärzte Gangart am Besten gefällt: Holt euch diesen musikalischen Edelstein in eure Sammlung!
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Timo Reiser