DER W - Schneller, höher, Weidner
Mehr über Der W
- Genre:
- Deutschrock
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- 3R Entertainment / Tonpool
- Release:
- 25.04.2008
- Der W zwo drei
- Geschichtenhasser
- Waffen & Neurosen
- Asche zu Asche
- Tränenmeer
- Mein bester Feind
- Angst
- Stille Tage im Klischee
- Schatten
- Bitte töte mich
- Zwischen Traum und Paralyse
- Liebesbrief
- Ein Lied für meinen Sohn
- Pass gut auf dich auf
Vaya con tioz, viva el W! Endlich beehrt uns Stephan Weidner, seines Zeichens Ex-Mastermind der BÖHSEN ONKELZ, mit seinem ersten Solo-Album. "Schneller, höher, Weidner" lautet das Motto des Frankfurters, der schon immer recht selbstbewusst durch die Welt schritt und polarisierte. Umso mehr lässt er uns nun an seinem geradlinigen und direkten Weg teilhaben. Sowohl textlich (sehr persönlich) als auch musikalisch (sehr rockig). Alles also beim Alten. Aber ist DER W gleich "ONKELZ minus Kevins Gesang, Gonzos Gitarre und Pes Schlagzeug"? Mitnichten. Zwar fühlt sich Stephans Gesang sehr vertraut im Ohr an, da er schließlich schon bei seiner Ex-Band öfter zu hören war. Doch eine ganze Schar an Gastmusikern – PRO PAIN, Nina C. Alice von SKEW SISKIN und Jacob Binzer von D.A.D. nebst einem Nachwuchsgitarristen, einem Schlagzeuglehrer und Streichern (!) – hält die Parallelen relativ niedrig. Auch wenn natürlich immer wieder Stephans Feder herauszuhören ist, so wie eben schon früher bei den wilden Jungs aus Hessen.
Die einst typische Uptempo-Nummer im treibenden Vier-Viertel-Takt kommt allerdings nur noch zwei Mal zum Zuge: Bei der Single-Auskopplung 'Geschichtenhasser', die etwas an den ONKELZ-Song 'Narben' erinnert, und in 'Mein bester Feind' – womit durchaus Stephans einstiger Mitstreiter Matthias "Gonzo" Röhr gemeint sein könnte, liest man zwischen den Zeilen und achtet man auf das urtypische Gitarrensolo am Ende. Das Prädikat "Altbewährt" darf auch der eingängigen Akustiknummer 'Zwischen Traum und Paralyse' verliehen werden, die nach den vielen Trimmi-Tributen diesmal Markus Löffel alias Mark Spoon gewidmet ist. Viele Songs hätten allerdings nur vereinzelt auf ein früheres ONKELZ-Album gepasst. So ist der Opener 'Der W zwo drei' mit seinem leichten Crossover-Einschlag doch erstmal gewöhnungsbedürftig, auch 'Waffen & Neurosen' geht anfangs in eine ähnlich Richtung. Experimentelleren Songs wie dem Basslastigen 'Tränenmeer' oder dem melancholischen 'Angst' (könnte auch eingefleischten Gothics gefallen) stehen allerdings ebenso rotzig rockige Songs wie das selbstironische 'Stille Tage im Klischee' und 'Bitte töte mich' (inklusive Ninas aggressiver Stimme) gegenüber. Und zum Rocken braucht Herr W. nicht mal viele Gitarrensoli, wenn er dafür bis zu drei Gitarrenspuren übereinander legt.
Hinzu kommen Stephans Texte, die sich in mehrerlei Hinsicht eine ganze Ecke weiterentwickelt haben. Zunächst einmal experimentiert Weidner noch mehr mit Worten als schon auf "Adios", Worte wie "eloquent" und "kredibil" gehen mit der gewohnten Gossensprache Hand in Hand. Des Weiteren sind die Texte noch eingängiger und gehen mehr denn je eine Symbiose mit der Musik ein, wie auch in 'Schatten' (mit ONKELZ-kompatiblem Refrain, bis dato aber wiederum neurotisch aus dem Rahmen fallend). Und zuletzt trägt das Album fast schon autobiographische Züge, etwa, wenn auf das selbsterklärende 'Ein Lied für meinen Sohn' mit 'Pass gut auf dich auf' ein Song über Trennungsschmerz folgt. Gänsehaut, selbst wenn man bei der letzten Nummer in musikalischer Hinsicht doch erstmal auf das gewisse Etwas, auf das große Finale wartet. Was aber auch wiederum als Stilmittel verstanden werden kann. Ein Rätsel wird mir allerdings bleiben, warum das Ohrwurm-taugliche 'Und wer hasst dich' auf die Single verbannt wurde.
Eines ist besonders auffällig: Stephan Weidner schafft es mit seiner sonoren Stimme tatsächlich, dass man zu kaum einem Zeitpunkt Kevins markante Stimme vermisst. Ein Merkmal, das vor allem ONKELZ-Fans überraschen dürfte. Zudem gibt es nur ganz wenige Durchhänger, etwa die trotz Streichern etwas eintönige Ballade 'Asche zu Asche' oder 'Liebesbrief', die beide irgendwie nicht so recht in meinem Gehörgang hängen bleiben wollen. Ansonsten aber: Beide Daumen hoch, Herr W! Gefallen wird "Schneller, höher, Weidner" sowohl (einige werden sagen: natürlich) Anhängern der BÖHSEN ONKELZ, speziell der letzten drei Scheiben "Ein dunkles Märchen", "Dopamin" und "Adios". Aber auch Rockfans, die nie so richtig mit Stephans Ex-Band warm wurden, dürfen den neuen Weidner anchecken.
Anspieltipps: Geschichtenhasser, Mein bester Feind, Angst, Schatten, Zwischen Traum und Paralyse
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Carsten Praeg