DESOLATION - Desoriented
Mehr über Desolation
- Genre:
- Melodic Death Metal / Black Metal / Progressive
- ∅-Note:
- 7.50
- Label:
- Rebellion / New Music Distribution
- Release:
- 20.09.2013
- Home Is Where The Heart Is
- Dorothy
- Desoriented
- On Bloodshed
- L'Auberge D'Ésolation
- The Sainthood Of The Fallen
- Ave Maria
- Contagion
- Agnus Dei
- Ich hasse ein bisschen die Welt
Ein ambitioniertes Werk zwischen Melodic Death, Black Metal und Prog.
Die Niedersachsen von DESOLATION sind bereits seit 1994 am Start und haben 1999 und 2003 ihre ersten beiden Scheiben "Call The Storm" und "Under Pitch Black Skies" veröffentlicht, die mir leider nicht bekannt sind. So ist das aktuelle Drittlingswerk "Desoriented", das über Rebellion Records heraus gekommen ist, mein Erstkontakt mit der Band und das tolle Astwerk-Artwork sowie das schön aufgemachte Booklet lassen vermuten, dass ich es hier mit einer Band zu tun habe, die mit viel Liebe zum Detail ans Werk geht. Das scheint auch der Fall zu sein, denn die ersten Durchläufe des Albums weisen bereits auf eine sehr vielseitige, sehr verspielte und facettenreiche Kompositionsweise hin, die sowohl den Melodic Death Metal als auch schwarzmetallische Gefilde streift, aber auch mit etlichen progressiven oder neoklassischen Elementen aufwartet.
Der Opener 'Home Is Where The Heart Is' erinnert von den dunklen, molligen und wuchtigen Riffs her ein gutes Stück weit an TIAMAT oder MOONSPELL, wozu auch die dunkle, growlende Stimme sehr gut passt. Andererseits offenbart die Stilistik auch flotte Leadgitarren, angezogene Drumbeats und eine etwas "filthy" keifende Schwarzstahlstimme. Der Mix ist also gleich zum Auftakt definiert. Melodic Death Metal im Bereich der Gitarrenmelodien, gotendoomige Riffs und gesanglich Elemente aus Death und Black Metal, dazu ein paar neoklassische Melodiebögen, unaufdringliche, aber präsente Orchestrierungen und ein guter Schuss Bombast. Mit 'Dorothy' wird es so dann vertrackter und verschachtelter, die Rhythmik dynamischer, die Soli und Leads sind exponiert, späteres EMPEROR-Material mag ein großer Einfluss sein, doch es gibt auch ruhige, sphärische Momente, vereinzelte clean gesungene oder erzählerisch gehaltene Gesangspassagen.
Bei anderen Stücken, wie etwa dem Titelstück warten auf uns massive Kontraste wie etwa zwischen dem einleitenden derben Death-Metal-Segment, dem sich anschließenden atmosphärischen Progpart und dem folgenden blastenden Black-Metal-Ausbruch, der wierum von neoklassichen Melodien auf dem Keyboard flankiert wird. Wenn hier jemand Assoziationen zu DIMMU BORGIR der "Puritanical Euphoric Misanthropia"-Ära, oder hier und da gar zu einer weniger grotesk-abgedrehten Variante von SIGH haben sollte, dann liegt er nicht ganz verkehrt. Wenn meine Referenzen indes weitgehend aus dem Black Metal stammen, dann mag das daran liegen, dass ich in dem Genre deutlich mehr zu Hause bin. Die Melodic-Death-Schlagseite der Band ist ähnlich stark ausgeprägt, und somit entsteht eine ausgeglichene Mélange, die allerdings durch ausladende Orchestrierungen wie etwa im Intro zu 'On Bloodshed', den umfangreichen, cleanen Gesang und die französischen Textfragmente bei 'L'Auberge d'Ésolation'. Selbige gibt es auch beim erneut etwas gruftiger und rhythmischer, keyboardschwangerer angelegten 'The Sainthood Of The Fallen', das den Hosenbandorden zitiert.
Latein findet sich in den liturgischen Bezügen von 'Ave Maria' und 'Agnus Dei', die aber nicht die Erwartung erfüllen, dass auch die musikalische Seite Bezug auf Elemente der Kirchenmusik nehmen würde. Gut, ein wenig Orgelsound könnte man meinen, will das Keyboard beisteuern, und hier und da lugt der dramatische Ansatz von Bands wie THERION um die Ecke, doch dabei bleibt es. 'Contagion' glänzt in instrumentalen Parts noch mit einem recht feinen 70s-Prog-Drive, den nur die wenigsten Stücke des Albums in dem Maße ausbreiten, bevor das Finale das Album mit 'Ich hasse ein bisschen die Welt' sich in deutscher Sprache ergeht und sich schon allein dadurch irgendwo zwischen dem bereits bekannten Stilmix, Neuer Deutscher Härte und CREMATORY einpendelt.
Alles in allem ist "Desoriented" ein ambitioniertes Album, das die Band sowohl kompositorisch und instrumental als auch lyrisch und optisch mit sehr viel Liebe zum Detail gestaltet hat. Gerade das Booklet ist sehr schön geworden. Allerdings habe ich den Eindruck, dass sich die Hannoveraner zwischen all den Einflüssen und Stilelementen ein wenig zu sehr verzetteln. Die Musik hat zwar ein Grundgerüst, das einen erkennbaren Bandsound ausmacht, doch die Einsprengsel sind so umfangreich, dass oft der Blick für den Song an sich verloren geht. Es passiert sehr viel auf einmal, ist dabei aber noch nicht so stringent inszeniert und nicht so differenziert produziert, dass sich dies dem umvorbelasteten Hörer leicht erschließen könnte. Mir fehlt es ein wenig an den wirklich großen Hooklines, am eingängigen Moment, das keineswegs dominieren muss, das aber das Warmwerden mit einer Band ungemein erleichtert, wenn es hier und da effektiv eingesetzt wird, ohne die Musik dabei vorhersehbar oder flach zu machen. Wenn die Jungs hier noch den letzten Schuss Genialität im Songwriting und etwas mehr eigenes Profil im Ausdruck einbringen können, dann sind alle Voraussetzungen für wirklich große Momente gegeben.
- Note:
- 7.50
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle