DEVIN TOWNSEND PROJECT - Calm And The Storm - Deconstruction & Ghost
Auch im Soundcheck: Soundcheck 06/2011
Mehr über Devin Townsend Project
- Genre:
- Progressive
- ∅-Note:
- 7.50
- Label:
- Inside Out (EMI)
- Release:
- 17.06.2011
- Praise The Lowered
- Stand
- Jular
- Planet Of The Apes
- Sumeria
- The Mighty Masturbator
- Pandemic
- Deconstruction
- Poltergeist
- Heart
- Heart Baby
- Feather
- Kawaii
- Ghost
- Blackberry
- Monsoon
- Dark Matters
- Texada
- Seams
- Infinite Ocean
- As You Were
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Halbe Sachen macht er bekanntlich nicht, und so hat Devin Townsend auch mit seinen beiden neuen Veröffentlichungen eine echte Vollbedienung am Start. "Deconstruction" und "Ghost" beschließen die vierteilige Reihe des DEVIN TOWNSEND PROJECT mit sich zum Teil sehr deutlich voneinander unterscheidenden Alben, die vor zwei Jahren mit "Ki" und "Addicted!" begonnen wurde. Dabei ist es durchaus sinnvoll, dass "Deconstruction" und "Ghost" nicht nur als Doppel-CD-Box unter dem Titel "Calm And The Storm", sondern auch einzeln erhältlich sind. Sinnvoll deshalb, weil es sich um zwei vom musikalischen Ansatz her komplett verschiedene Rundlinge handelt.
Was uns Devin auf "Deconstruction" kredenzt, ist - vorsichtig ausgedrückt - nicht immer so ganz einfach zu "konsumieren". Easy listening geht anders. Insbesondere die hinteren fünf Nummern zerren mitunter recht ordentlich an den Nerven - demgegenüber gehen sogar die STRAPPING YOUNG LAD-Sachen als eingängig durch. Der Einstieg mit 'Praise The Lowered' und 'Stand' fällt allerdings erst einmal einigermaßen langatmig und spannungsarm aus (damit ist schon eine Viertelstunde vergangen), obwohl danach mit 'Juular', dem besten Song des ersten Albums, durchaus Stimmung aufkommt. Das ist allerdings auch eine sehr typische TOWNSEND-Nummer, quasi das, was man am ehesten erwarten würde. Auch 'Planet Of The Apes' übt mit ruppigem Charme und einem spannenden Bäumchen-wechsel-dich-Spielchen durchaus Anziehungskraft aus. Später sind es dann nur noch vereinzelte gelungene Momente, die aber in der konfusen, abgedrehten Gesamtkomposition leicht untergehen können. 'The Mighty Masturbator' kommt z.B. mit einem wunderbar wahnwitzigen Part daher, der mich (warum auch immer) ein bisschen an 'Bad Devil' von der "Infinity" erinnert. Definitiv durchgeknallt. Doch entwickelt sich der Song dann mehr und mehr in Richtung wild zusammengewürfelte Soundcollagen, denen man als Hörer kaum noch folgen kann. Noch ein bisschen krasser ist dies bei 'Deconstruction', das permanent die Richtung ändert und kaum gleichbleibende Muster bietet, an denen sich der Hörer entlang hangeln könnte - das ist eher lautmalerisches, chaotisches Herumlärmen. Hier ist es dann schlicht zu viel des "Guten".
Ich bin hin- und hergerissen, denn das Townsendsche Pfeifen auf Konventionen und sein eigener Humor, wie es sich zum Beispiel bei 'The Mighty Masturbator', reingesampelten Furzen und Rülpsern und einer Huldigung an den Cheeseburger ('Deconstruction') manifestiert, finde ich nach wie vor großartig. Nur ist mir die musikalische Umsetzung dieses Mal dann doch zu wirr, zerhackstückt und teilweise bizarr ausgefallen (speziell bei 'The Mighty Masturbator' und dem Titeltrack). Dieses Phänomen tritt immer mehr zu Tage, je länger "Deconstruction" dauert. Vielleicht wirkt die Platte auch deshalb so holprig und durcheinander, weil Devin Townsend etliche Gesangsgäste auf "Deconstruction" eingebaut hat - genauer gesagt wurde jeder Song von einem oder sogar zwei anderen Vokalisten intoniert. Ohne jetzt alle aufzählen wollen, seien zumindest Mikael Åkerfeldt (OPETH), Ihsahn (IHSAHN, EMPEROR - tolle Performance bei 'Juular'), Joe Duplantier (GOJIRA), Paul Masvidal (CYNIC) und Floor Jansen (AFTER FOREVER - stark kontrastierender Beitrag beim knüppligen 'Pandemic') genannt. Und so breitgefächert wie die Liste ist, fallen auch die Resultate aus.
Im Gegensatz zu "Deconstuction" ist "Ghost" sehr homogen und im Fluss, wenn auch ganz und gar unmetallisch ausgefallen. Jetzt zeigt Devin seine sanfte Seite und das so konsequent, dass es wirklich keinerlei härteres Riffing und Drumming gibt, sondern nur anmutige, eingängige Melodien ohne viel Drumherum. Hier gibt es nicht zuletzt mit dem tollen Titeltrack die das Ohr umschmeichelnden Momente, die man auf der ersten Platte durchaus noch vermissen konnte. Gleichzeitig fällt die Scheibe phasenweise zu sehr in die Länge gezogen und getragen aus, manche Songs haben mehr den Charme von Zwischenspielen, obwohl sie etliche Minuten lang sind (etwa das viereinhalbminütige 'Monsoon', um mal nur ein Beispiel zu nennen). Neben 'Ghost' kann man auch mit 'Feather', 'Blackberry' (leichter Country-Touch und toller Frauengesang) und 'Texada' punkten - letztendlich sind das die Ausreißer nach oben, während ein paar der übrigen Nummern ohne echte Prägnanz vorbeirauschen. Ich kann schon verstehen, dass manchereiner "Ghost" als einschläfernd empfindet, auch Flöten-Klänge mögen nicht jedermanns Sache sein. Zumindest aber ist die Scheibe nicht so überladen wie einige "Deconstruction"-Nummern, und das macht sie schon ziemlich hörenswert. Und es gibt einige wirklich ergreifende Melodien zu bestaunen. Erst mit den letzten drei Songs gerät "Ghost" dann etwas zu langatmig. Das könnte auch als einziges, ausgedehntes Outro herhalten.
Es gibt aber auch Parallelen. Beide Scheiben kommen recht schwer in Gang, da die jeweils ersten beiden Stücke recht zäh ausfallen und ohne wirklichen Spannungsbogen auskommen müssen. Beide Scheiben haben (nur) einen wirklich herausragenden Song zu bieten, das sind 'Juular' und 'Ghost', obgleich es schon noch weitere Höhepunkte gibt. Und beide Scheiben hätte man zum Ende hin ein bisschen einkürzen sollen, da der entsprechende Ansatz (wild & bizarr bzw. sanft & einschmeichelnd) jeweils bis zum Exzess ("Deconstruction") bzw. bis hin zu Fahrstuhlmusik ("Ghost") ausgereizt wird. Und egal, auf welche der beiden Rundlinge man sich bezieht, der großartige Vorgänger "Addicted" war da zwei Klassen besser (Anneke van Giersbergen, die allerdings auch selbst daran mitwirkte, bezeichnete die Platte jüngst als bestes Metalalbum der letzten fünf Jahre).
Fazit: Beide Alben haben ihren tollen, wie auch ihre"schwierigen" Passagen. Während für das chaotische "Deconstruction" mit seinen teils wirren Songs nur 6,5 Punkte drin sind (wenn man den zumindest sehr originellen und konventionsverneinenden Ansatz entsprechend honoriert), kann man für das ruhige, sehr relaxte "Ghost" (vor allem, wenn man es im direkten Anschluss "zur Entspannung" hört) 8,5 Punkte zücken. Auch wenn diese so komplett unterschiedlichen Scheiben eigentlich keine "Gesamtnote" zulassen, ergibt dies summa summarum und auch nur für's Protokoll eine 7,5. So oder so: Unbedingt vorher reinhören, selbst wenn man DEVIN TOWNSEND-Scheiben in der Regel immer etwas abgewinnen kann. Möglicherweise lässt man hier (je nach Vorliebe) zumindest einen der beiden Silberteller dann doch im Regal stehen.
Anspieltipps: Juular, Planet Of The Apes / Feather, Ghost, Blackberry
- Note:
- 7.50
- Redakteur:
- Stephan Voigtländer