DIMMU BORGIR - Abrahadabra
Auch im Soundcheck: Soundcheck 10/2010
Mehr über Dimmu Borgir
- Genre:
- Black Metal
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Nuclear Blast (Warner)
- Release:
- 24.09.2010
- Xibir
- Born Treacherous
- Gateways
- Chess With The Abyss
- Dimmu Borgir
- Ritualist
- The Demiurge Molecule
- A Jewel Traced Through Coal
- Renewal
- Endings And Continuations
- Gateways (Video)
DIMMU BORGIR mit neuer Selbstsicherheit, Mut und Witz. Und wer hat bitte diese Hexe hereingelassen?
Gigantisch? Eine Untertreibung. Was die norwegischen Kult-Black-Metaller von DIMMU BORGIR zu ihrem neuen Album "Abrahadabra" aufgefahren haben, ist schlicht atemberaubend. 100 Musiker waren daran beteiligt, elf Monate Studioarbeit das temporäre Mittel der Wahl und Charteinstige in die Top-30 der wichtigsten europäischen Metal-Staaten das Ergebnis. Doch was bei anderen Bands einen Superlativ darstellt, gehört bei den Norwegern mittlerweile zum guten Ton. Doch ergibt das auch ein gutes Album?
Die Frage wurde eigentlich hinreichend diskutiert. Die Meinungen der einschlägigen Metalmedien decken von überwältigt bis ambivalent eigentlich alles ab. Warum also noch Worte verlieren, wenn alles gesagt scheint? Ganz einfach: Weil eines viel zu kurz kommt. Nach dem Bruch innerhalb der Band, der dazu führte, dass 2009 ICS Vortex (Bass und Klargesang) und Mustis (Keyboards) DIMMU BORGIR verließen, steht nun nicht weniger als eine Neufindung und der Beginn eines neuen Kapitels an. Denn diese zwei wesentlichen Stützen vervollständigten das Konzept der Band über die letzte Dekade hinweg nachhaltig. Sie sorgten für geniale Momente in "Puritanical Euphoric Misanthropia" und "Death Cult Armageddon", geprägt durch tolles Songwriting und den erhebenden Gesang des Bassisten. Aber in gleicher Formation wurde auch das überaus schwache "In Sorte Diaboli" veröffentlicht, das höchstens durch seine Eindimensionalität auffiel. Der Witz und der Mut der Anfangstage schien verloren, Stagnation war das Wort der Stunde.
Die schiere Übermacht an Beteiligten, die weit im Vorfeld der Veröffentlichung von "Abrahadabra" angekündigt wurde, ließ wiederum auf eine Effekthascherei auf Kosten eines durchdachten Konzeptes inklusive gewohnt gutem Songwritings schließen, dementsprechend groß war die Skepsis, ob DIMMU BORGIR noch einmal zu alten Großtaten aufschließen könnten. Offensichtlich hat das Schrumpfen des Line-Ups gut getan. Denn "Abrahadabra" stellt nicht weniger als einen weit mutigeren Schritt dar, als es die Band überhaupt je in Aussicht stellen konnte. Die Verbindung epochaler Orchesterarrangements mit einem immer wieder aufblitzenden Metalanteil in klassischem DIMMU-Gewand ist das, was ich erwartet habe, und dennoch überzeugen diese Stellen zu guten Teilen, auch wenn sie nichts Neues bringen. Aber sie sind jene Qualität, die auf "In Sorte Diaboli" verloren ging. Das wahrhaft überraschende ist jedoch diese dunkle, bösartige Atmosphäre, die durch atmosphärische, den Songs dienlichen Parts, erzeugt wird, die den Hörer immer wieder aufs Neue mitreissen. Das geht von dem kongenialen Gesang von Shagraths Duettpartnerin Agnete Kjølsrud – besser hat eine weibliche Stimme in einer Extrem-metal-Veröffentlichung abseits der Shouterinnen noch nie geklungen – bis hin zu den archaischen Chören in der Bandhymne 'Dimmu Borgir': Das sind Ideen und Innovationen, die das Schiff DIMMU BORGIR zu neuen Gestaden reißt.
Die Einbindung dieser überraschenden Momente ist das, was ich anfangs als zu kurz kommend erwähnt habe: der neue Mut der Band. Und dieses Vertrauen in das eigene Können kulminiert in 'Dimmu Borgir'. Die Band beweist damit, dass sie – pathetisch ausgedrückt (aber das fällt in dieser Rezension ja eh nicht mehr auf) – die Untiefen des Business kennengelernt, sich in deren Tiefen wiedergefunden, sich nun aber an den Hörnern der Maske, die das Cover ziert, selbst herausgezogen hat. Einen Vorteil habe ich zu diesem Zeitpunkt: Ich habe einige Songs live gesehen und kann bestätigen, dass die Tiefe und Intensität der Songs auch auf der Bühne funktioniert, wo die Gitarren lauter und das Schlagzeug präsenter ist. Gutes Stichwort: Die Produktion ist schlicht die neue Referenz für symphonische Metalalben. Die Entscheidung, das Orchester und den Chor immer wieder in den Vordergrund zu mischen, schafft im Kontrast zu den Parts, in denen die klassische Metalbesetzung die erste Geige spielt, eine spannende Heterogenität, die das Album um eine weitere Ebene bereichert.
Fazit: Nach der Unsicherheit des letzten Albums kehren DIMMU BORGIR mit einer neuen Selbstsicherheit zurück. "Abrahadabra" ist vielleicht nicht das beste Album der Band, aber das mutigste seit "Puritanical Euphoric Misanthropia". Ist es noch Black Metal? Verdammt, wer sich diese Frage 2010 ernsthaft stellt, hat irgendetwas wichtiges nicht verstanden. Lohnt sich der Einsatz von 100 Beteiligten? Verdammt, wer sich diese Frage ernsthaft stellt, sollte aus seinem mp3-Koma aufwachen, die CD kaufen und sie über richtige Boxen hören.
Anspieltipps: Dimmu Borgir (DIE Bandhymne schlechthin), The Demiurge Molecule (für die geniale FALKENBACH-Reminiszenz), Chess With The Abyss (klassischer Song), Ritualist (Black *hust* Metal)
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Julian Rohrer