DISPYRIA - The Story Of Marion Dust
Auch im Soundcheck: Soundcheck 02/2023
Mehr über Dispyria
- Genre:
- Progressive Melodic Power Metal
- ∅-Note:
- 8.50
- Label:
- El Puerto Records
- Release:
- 10.02.2023
- A Girl Called Marion
- The Mark
- Blue Mirror
- Eternal Eye
- The Resistance
- Fire Child
- Pandoras Box
- The Curse
Holla, die Waldfee! Kaiserslautern ist doch immer wieder für eine Überraschung gut.
Es ist doch immer wieder schön, wenn man völlig frei von Erwartungen und Vorstellungen an ein Album heran geht und dann ein echtes kleines Juwel entdeckt. So ist es mir mit "The Story Of Marion Dust" ergangen. Den Namen DISPYRIA hatte ich nie zuvor gehört. Um ein Solo-Projekt handelt es sich hier, Mastermind ist ein gewisser Jürgen Walzer aus Kaiserlautern. Nun ja, eine gewisse Eigenwilligkeit muss den Mann auf jeden Fall auszeichnen, denn wer kommt schon auf die Idee seine Titelheldin ausgerechnet Marion zu nennen...? Nach kurzer Recherche fand ich heraus, dass der Jürgen mal bei SUPERIOR gespielt hat und auf deren 1989er Demo "Moral Alliance" zu hören sein soll. Der eine oder andere wird sich vielleicht noch mit Freude an die Anfangstage der filigranen Prog Metal-Doppelspitze aus "K-Town", SUPERIOR und VANDENPLAS, erinnern. Somit stimmen im Falle von DISPYRIA schon mal die familiären Wurzeln. Also dann rein ins Vergnügen!
Zunächst hatte es mich ja skeptisch gemacht, dass DISPYRIA im Promo-Zettel frech behauptet besonders geeignet zu sein für Fans von AVANTASIA und SAVATAGE. Eine solche These haben schon viele aufgestellt und sich dann allermeistens an diesen künstlerischen Schwergewichten einen Bruch gehoben. Aber im Falle von DISPYRIA trifft die Beschreibung auf wunderliche Weise wahrhaftig zu - und das nicht nur stilistisch, sondern tatsächlich auch, was das Qualitätslevel betrifft. Jürgen Walzer hat offensichtlich ein ganz wunderbares Gespür für musikalisch-dramaturgische Spannungsbögen und für opulente, aber doch geerdete und kraftvolle Inszenierungen. Alte K-Town-Schule halt! Er kann laut und er kann leise und vor allem findet er mit traumwandlerischer Sicherheit vom einen zum anderen und zurück. Es ist ein großer Genuss dieses Album am Stück anzuhören, ungestört über Kopfhörer, und sich treiben zu lassen in diesem zauberhaften Meer aus Poesie und Power Metal. Bis auf ein paar vereinzelte Längen und etwas zu spät eingeschlagene Abzweigungen gibt es hier so gut wie nichts zu meckern.
Gehen wir also ein bisschen mehr ins Detail und widmen uns insbesondere den illustren Gastsängern, die hier verpflichtet werden konnten. Der größte und für das Album wichtigste Beitrag kommt von keinem Geringeren als Mr. Zak Stevens, der vor allem durch seine Arbeit mit SAVATAGE bekannt sein dürfte, aber auch mit seiner eigenen Band CIRCLE II CIRCLE tolle Alben abgeliefert hat. Zak übernimmt die Lead Vocals in der ersten Hälfte der Story, auf der A-Seite, wenn man so will. Er legt besonders in den ruhigen Passagen glänzende Performances hin, wirkt aber manchmal auch etwas gehemmt, nutzt das enorme Spektrum seiner Stimme nicht ganz aus. Oder das Spektrum ist mit dem Alter kleiner geworden, kann natürlich auch sein, immerhin steht der Mann auch schon in der zweiten Hälfte seiner Fünfziger. Besonders gut gefällt er mir in der exquisiten Tobi Sammet-Verneigung 'Blue Mirror'.
Irgendwo mitten in der Platte begegnet einem dann auch der unvermeidliche Ralf Scheepers, dessen Omnipräsenz schon skurrile Züge annimmt. Die Liste der Gastauftritte dieses Mannes ist inzwischen länger als das Telefonbuch meiner Heimatstadt. Glücklicherweise mimt er hier nicht die Halford-Sirene, sondern bringt Power, Ausdruck und Melodie sehr schön zusammen. Und zum Ende hin folgt dann der Auftritt von Carsten 'Lizard' Schulz höchstpersönlich, dessen Alben mit DOMAIN und insbesondere EVIDENCE ONE zum Besten gehört, was in Sachen Melodic Metal in Deutschland je produziert wurde. Recht still war es geworden um diesen Hammersänger, zuletzt aufgetaucht sein soll er bei einer französischen Progressive Metal-Combo namens DEVOID. I dunno. Die Storyline von "Marion Dust" hat ihn offenbar zu einigen KING DIAMOND-Phrasierungen inspiriert, was in meinen Ohren ganz großartig klingt. Sowieso zeigt sich DISPYRIA in den letzten beiden Songs von allerbester Seite. Erlesene Klasse ist das, was Mastermind Walzer und seine Truppe da zusammengezimmert hat. Ein bisschen schade ist, dass die Platte klanglich hinter ihren Möglichkeiten zurückbleibt. Da hätte beim Mastering etwas mehr Doppel-Wumms nicht geschadet. Gut, man kann tolle Songs auch mit kitschigem Tschingderassabum zukleistern und sie in diesem Korsett förmlich ersticken. Eine gewisse Bodenständigkeit mag da sogar sympathischer sein. Aber dennoch bin ich der Ansicht, dass man hier ein besseres Ergebnis hätte erzielen können. Vielleicht habe ich ja bald die Gelegenheit dies und anderes mit Herrn Walzer persönlich zu besprechen; ich wohne ja quasi um die Ecke.
Summa summarum: Die anfangs arg hoch gegriffen erscheinende These, dass dieses Album den Fans von AVANTASIA und SAVATAGE prächtig munden dürfte, trifft den Nagel zu 100% auf den Kopf. Unterstützt dieses tolle Projekt aus lokalem Anbau mit Euren Scheinchen und Münzen, es lohnt sich wirklich! Melodischen (Power) Metal mit symphonisch-bombastischem Theater-Einschlag kann man kaum besser machen. DISPYRIA schlägt mit diesem bärenstarken, farbenfrohen Album die letzte blutleere AVANTASIA-Scheibe zumindest um Längen!
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Martin van der Laan