DRACONIAN - Turning Season Within
Mehr über Draconian
- Genre:
- Gothic Doom Metal
- Label:
- Napalm Records / SPV
- Release:
- 29.02.2008
- Seasons Apart
- When I Wake
- Earthbound
- Not Breathing
- The Failure Epiphany
- Morphine Cloud
- Bloodflower
- The Empty Stare
- September Ashes
Ich kann mich noch an eine Zeit erinnern, so Mitte der Neunziger muss das gewesen sein, als mir all die gleich klingenden Gothic-Metal-Bands sowas von zum Hals raushingen, dass ich die Flucht ergriff, wenn mir eine melancholisch-feierliche Düster-Combo mit "The Beauty & The Beast"-Gesangsduo über den Weg lief. Heutzutage ist diese Band-Spezies deutlich seltener geworden. Ausgestorben ist sie nicht, ab und an begegnet einem schon noch ein Exemplar und inzwischen kann ich mir diesen Sound auch wieder geben. Vor allem wenn er so großartig vorgetragen wird wie auf dem neuen Album "Turning Season Within" der schwedischen Genre-Anführer DRACONIAN. Dabei wurde auch diese Truppe um den charismatischen Sänger Anders Jacobsson mitten im Gothic-Metal-Hype 1994 ins Leben gerufen und glänzte in frühen Demo-Tagen nicht gerade durch besondere Inspiration. Nach einer schöpferischen Pause zur Jahrtausendwende kehrten DRACONIAN allerdings mit runderneuertem Sound zurück - verwurzelt immer noch im Gothic, jetzt aber angereichert mit tonnenschwerem, wunderbar traurigem Doom und ein bisschen Death Metal der Marke EDGE OF SANITY. Über drei Studioalben hinweg wurde dieser sehr intensive, unter die Haut gehende Stil kultiviert und verfeinert, eine Entwicklung die nun mit "Turning Season Within" ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht.
Dieses Album steckt voller Schwermut und Schmerz, es ist zerbrechlich und dunkel, überaus intensiv und auf seltsame Weise liebevoll. Trotz aller Ernsthaftigkeit, Tristesse und Verzweiflung zieht einen "Turning Season Within" nicht runter, sondern hüllt einen wie eine gute Flasche schwerer Rotwein in eine angenehme Wärme und Tiefe ein. Denn es ist eine zarte, hingebungsvolle Verzweiflung, eine Melancholie, die weiß, dass es auch schöne Seiten im Leben gibt. DRACONIAN bezaubern mit einer klanggewordenen Poesie des Leidens. Sie finden mit traumhafter Sicherheit das richtige Maß in allem was sie tun. Auch wenn die Zutaten ihrer Musik im Grunde hinlänglich bekannt sind, ist hier keine Spur von Trauerweiden-Kitsch und tumben Klischees zu entdecken. Besonders faszinierend finde ich den Wechselgesang von Anders, der rollende Growls und mit majestätischer Stimme gesprochene Parts einbringt, und Lisa, deren sehr schöne, klare, völlig natürlich wirkende Stimme wie ein Hoffnungsschimmer durch die Lieder gleitet. Klagende Melodien tragen zutiefst berührende, prachtvolle Songs wie den Opener 'Seasons Apart', 'Not Breathing' oder 'Bloodflower' und lassen einen alten PARADISE LOST-Fan wie mich mit zufriedenem Lächeln feststellen, dass ich nun doch noch die Platte bekommen habe, die ich immer wollte, nämlich eine die stilistisch in der Mitte zwischen "Shades Of God", "Icon" und "Draconian Times" liegt.
Notorische Nörgler könnten eventuell bekritteln, dass es nicht allzu viel Abwechslung gibt auf "Turning Season Within". Meiner Ansicht nach haben diejenigen aber nicht wirklich verstanden, worum es geht, denn eine gewisse Gleichförmigkeit und Behäbigkeit sind bei DRACONIAN einfach unverzichtbare Stilmittel, die dafür sorgen, dass man tiefer und tiefer in die Stimmung dieses Albums hinein gezogen wird, bis man schließlich alles um sich herum vergessen hat. Und eben weil die Scheibe so fesselt und mitreißt, ist "Turning Season Within" ein Meisterwerk des Gothic Doom und wird hoffentlich zahlreiche Liebhaber finden, die sich gerne mal wieder in einem wohlig warmen Düster-Meer treiben lassen wollen. Witzig finde ich übrigens, dass sogar der Voll-Heinz, der die ätzenden "You are listening to..."-Voiceovers auf der Promo spricht, ganz besonders wichtig, dramatisch und geheimnisvoll zu klingen versucht. Vielleicht sollte man den auf der Fassung für den Handel zumindest als Intro drin lassen.
Anspieltipps: Seasons Apart, Not Breathing, Bloodflower, The Empty Stare
- Redakteur:
- Martin van der Laan