DXBXSX - Ihr! Alle! Immer!
Mehr über DxBxSx
- Genre:
- Punkrock/ Stonerrock/ Rock'n'Roll
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Elektrohasch Schallplatten
- Release:
- 20.03.2013
- Ihr! Alle! Immer!
- Tick Tick Tick
- Keine halben Sachen
- Die Fahrt wird lustig
- 120 Ruhepuls
- Liebesgrüße nach Neukölln
- Echte Männer
- Panik schieben
- Action Moni
- Sie werden sagen
- It's so Berghain
- Fressen, Schlafen, Glotze an
Schiem' Se jehörisch een nach, wa?
Paketschen aus Berlin. Letzte Tage schon immer mal nervöses Briefkastenschlüsselschütteln. Da is'se: die neue DXBXSX, mit dem Aufrufstitel: "Ihr! Alle! Immer!". Schön, gleich auspacken. Und schon beim Eröffnertitelstück wird einem klar, dass es sich das Berliner Trio in der 2011 mit "Zugriff" besetzten Nische so richtig jemütlisch jemacht hat. Konsequent, da diese Nische damals auch überhaupt erst einmal ausgehoben wurde. Was die ein oder andere Person abschrecken wird und abschreckt, wird der deftige Hauptstadt-Bezug der Stonerpunkrocker sein. Die unüberhörbare Berliner Schnauze wird hier nicht unterdrückt, warum ooch? Geht ja um die Botschaften, und die passen mal wieder. Ob das regional, kulturell oder altersbedingt angebunden ist, dass die Typen zumindest mir sehr aus der Seele sprechen, kann ich nicht beantworten. Es ist mal wieder ein Treffer, ein Volltreffer geworden. Merke ich an der Dauerrotation, dass das Dutzend Lieder jetzt schon Kumpelz geworden sind. Erste Video-Live-Tour-Schnipsel bezeugen darüber hinaus einen der großen Abfeierkandidaten 2013, wenn zu sehen ist, wie die erste Auskopplung 'It's So Berghain' von einem dauertanzenden Schwitzmob textsicher mitgegeben wird. Um gleich mal beim Thema zu bleiben: wer die Berichterstattung aus der Ferne über den Berliner Überclub Berghain so nachverfolgt, aber dann die Einlasspolitik oder das Exclusivgetue von Zeit- und Ort-Zeugen beschrieben bekommt, der hängt seine gewichtige Meinung sehr gern auch aus der Ferne an die Aussage dieses Diss-Songs an. Das Album ist eines der persönlichen Zwischentöne und wohltuenden Draufhau-Metapher, wenn wie im Kiezdoom 'Liebesgrüße nach Neukölln' von "den Zauseln mit den fleischigen Ohren" oder auch von denen erzählt wird, "die den Pfand von den Studentenwiesen holen." Genüsslich oder auch weniger genüsslich werden hier alltägliche Beobachtungen zu Feindbildern zusammengestaucht, wenn peinlicher Männerkult, blondsplisshaarige Provinzwestenträgerinnen mit überteuertem Bombastrock-Anachronismus und "Damals- wars"-Verklär-Blick oder die mediale Aufregungskultur breitwandangespuckt werden. "18:30 Uhr ist Einlass in der Stadthalle, lass uns pünktlich sein, sonst komm' ich morgen nich' raus!"
Ein Spontanhit ist '120 Ruhepuls' – welcher sich bei genauerem Zuhören ziemlich exakt mit dem hohen dauerhaften Erregungsniveau unserer Seelen auseinandersetzt. Ziemlich aufwiegelnd 'Keine halben Sachen', dass die SPIEGEL-Erfindung des Wutbürgers in seiner gesättigten Halbherzigkeit vor den Spiegel zerrt. Es gibt da dieses geflügelte Wort des "Terrors des Intimen": ganz persönliche Befindlichkeiten werden Dir zwanghaft übergeholfen, ohne dass Du gefragt wirst. Kaum ist es möglich, solchen ungebetenen selbstdarstellerischen Monologen von eigentlich Fremden zu entfliehen, diese Zwangssituationen sind nämlich zum Kotzen. Und das sollte mann und frau dann auch ganz schnell anbringen, um nicht in die erzwungene Mitgefühlsfalle treten zu müssen. Weil Du da nämlich nicht mehr herauskommst. Und morgen früh ist das nämlich wieder vergessen, das fremde Schicksal. Also weglassen. Und lieber abhauen. Eine Abhau-Kultur muss her und verstanden werden. Überhaupt ist "Zwang" eines der Hauptthemen von DXBXSX, genau wie "Verwirrtheit" oder die Unfähigkeit, ehrliche Kritik selbst aufzubauen und auszuleben. Das nämlich ist befreiend – und so wirkt "Ihr! Alle! Immer!" auch insgesamt. Wenn es mal genau betrachtet wird, ist das vierzigminütige Pamphlet keine nur oberflächliche Abrechnung von angepissten Punkern, sondern ein fein schneidendes Bild der derzeitiger Verhältnisse und nicht zuletzt auch ein feistes Stück Druckrock. Darüber haben wir uns ja noch gar nicht ausgelassen! Die Truppe hat es fertig gebracht, sich die einfachen, nackten Stilmittel aus dem Rock-Methoden-Koffers herauszuklauben, um uns vielfältigen und knatternden kumpelnden Rockkonsum zu garantieren. Wer von solchen deutschen Monumenten wie Jens Freudenberg (PAYOLA, BELLA WRECK) mitbetreut wird, ist ja sowieso auf der richtigen Seite oder dem richtigen Weg. "Fressen, Schlafen, Glotze an" - och nö. Oder steckt da der Wunsch nach Ruhe dahinter, meine Herren?
Superlativ-Verarschungen, Verallgemeinerungsdurchschauungen, trockene Kommentare, Knarzebass und Aufplatzschlagzeug - diese ziemlich persönlichen Auslassungen des Trios aus Berlin sind Euphorie fördernd. Und unerklärbar gut ist es obendrein. Warum? Sauber und Selbst bleiben ist das Rezept. Weesst Bescheed.
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Mathias Freiesleben