EISREGEN - Wundwasser
Mehr über Eisregen
- Genre:
- Neue Deutsche Härte
- Label:
- Massacre
- Release:
- 27.09.2004
- Intro - Wahrheit ...?
- Mein Eichensarg
- Am Glockenseil
- Vom Muttermord
- Blutgeil
- Ripper von Rostow
- Hinein ins Tränenmeer
- Glas
- Was vom Leben übrig bleibt
- Kreuznarbe
- Wundwasser
- Outro - Ende ...?
Nein, ich werde jetzt nicht davon anfangen, dass EISREGEN polarisieren, dass man die Band entweder hasst oder vergöttert. Ich werde "Wundwasser" (kurz "WW") auch nicht mit den Vorgängeralben "KK", "LL" und "FF" vergleichen. (Die habe ich nämlich noch nicht gehört.) Auch werde ich nicht versuchen, den Humor dieser Thüringer Band zu analysieren. Am Ende darf ich noch mit Klagen rechnen, weil ich Textzeilen im Netz zitiere. Kommentar des Sängers M. Roth: "Jeder, der WW-Texte im Netz publiziert, hat mit einer Anzeige von Seiten Warner Chapell bzw. Massacre als Nebenkläger wg. Urheberrechtsverletzung zu rechnen ..." Nach der Indizierung von "KK" auf Liste B und "FF" auf Liste A durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien muss man da ja auch im größeren medialen Rahmen vorsichtig sein, sonst hab ich zusätzlich auch noch einen aufgebrachten Jugendschützer am Hals. Im Forum der Bandhomepage wird nämlich vermeldet: "Massacre lassen gerade die Texte von zwei unabhängigen Medienanwälten auf strafrechtliche Unbedenklichkeit hin prüfen." Das klingt ja spektakulär. Ich denke aber, für den Index gibt es weitaus schlimmere Kandidaten. So, wie es zu einem Krankheitsbild verschiedenste Ursachen gibt, malen EISREGEN lediglich ein Bild unserer Gesellschaft. Sie sind nicht die Krankheit selbst. Nur haben sie sich nun mal dem Perversen verschrieben, so wie es um Aufmerksamkeit heischende Künstler seit jeher tun. Das beeindruckt mich freilich mäßig. Also werde ich einfach mal aus Sicht eines normal gebildeten Metalfans meine Eindrücke zu "Wundwasser" darstellen.
Schon im Intro 'Wahrheit' lernt man Sänger M. Roth kennen: Er spricht sehr deutliches Deutsch und rollt das "Rrrr" gekonnt. Gut verständlich geht es auch weiter. In dem düster- bis schwarzmetallischen 'Eichensarg' ist jede Zeile sehr langsam, laut und deutlich gesprochen. Im Deutschunterricht hätte es im Vorlesen eine Eins dafür gegeben. Dabei geht es doch nur darum, dass deutsche Eichen immer noch die besten Särge liefern. Noch flotter splattert 'Am Glockenseil' dahin. Eine rasante Hommage an Lucio Fulci. Der Song gefällt mir richtig gut, er ist schnell, das Drumming präzise, süßer die Glocken nie klingen. Aber nun wird es lahm. 'Vom Muttermord' handelt, wovon der Titel tönt und erzählt nebenbei die Geschichte eines Frauenmörders. Nicht zu empfehlen für gerade zum Single degradierte Männer. Außerdem ist da ein Geigenriff drin, das mich an 'Dirty Diana' von MICHAEL JACKSON erinnert. Die klare Stimme zum Ende ist zumindest eine Neuerung. Jetzt wird es folkig, SUBWAY TO SALLY grüßen. 'Blutgeil' berichtet von einschneiden Erlebnissen im Alltag eines Psychopathen in der Klapse und hat mit seinem stampfenden Bass und der fröhlichen Viola in bester Spielmannsmanier Musikantenstadl-Charakter. Der 'Ripper von Rostow' groovt schon wieder morbider. Fette tiefgestimmte Gitarren im METALLICA-Stil wechseln mit blastenden Black-/Thrash-Parts. Schön auch dazwischen die gefühlvollen Einlagen mit der Akustikgitarre. OOMPH! hätten es wahrscheinlich nicht anders gemacht, außer das mit der Akustikgitarre. Muss es denn jetzt gleich wieder träge werden? 'Hinein ins Tränenmeer' knüpft wohl an einen älteren Song an, denn Anna wird weiter geschändet. Geige hier, Schlagzeug da, plätschert es im seichten Schunkelrhythmus dahin. Aber halt, hier kommt ja doch noch ein treibendes Black-Metal-Riff, unterlegt mit traurigen Keyboards. Doch es währt nur kurz. Jetzt nervt die Geige. Textlich wäre dieser Song aber bereits der vierte Index-Kandidat. Wieso lahmen die Gitarren jetzt so? Es geht also noch schmalziger. Immerhin wird mit 'Glas' nun die moderne Alternative zum Modell "Eichensarg" angeboten. Eleganter, leichter zu reinigen und schicker. Leider ist das Glas recht dünn, so wie auch der Song. Die Instrumentierung ist wenig dickschichtig und sehr durchsichtig. Na endlich, wieder stampfende Riffs mit abwechselnd schwarz- und todmetallischen Abschnitten. 'Was vom Leben übrig blieb' ist dreckig und rau und schlägt mit der Kraft der zwei Herzen. Ein Werbesong für Rasierklingen: Erst Doppelherz schlucken, dann schneiden. So sprudelt's schön. Wie gerne würde ich die letzte Zeile zitieren ... Die ist so trocken, obwohl der Song eindeutig von Körperflüssigkeiten handelt. Ah, es geht noch schneller. 'Kreuznarbe' ist fast schon Death Metal und besticht mit einem dunklen SLAYER-Riff! M. Roth hat ja angeblich 'Angel Of Death' geschrieben. Aber wieso kippt der Song über ein Inquisitionsopfer nun ins Countryhafte um? Doch, die Mundharmonika im Hintergrund hat was, die bringt den Blues. Auch das abrupte Ende findet Gefallen. Überhaupt, das Schönste an den Liedern hier sind die Enden. Jetzt kommt der Titelsong angekrochen. Haben HIM in 'Wicked Game' nicht schon mal so was Ähnliches gespielt, und war das nicht eigentlich von CHRIS ISAAK? Immerhin bietet er beiden Geschlechtern etwas: 'Wundwasser' ist das perfekte Tröstelied für alle menstruierenden Frauen. Die würden bei dem französisch akzentuierten Sprachgesang sicherlich dahinfließen und alle Beschwerden vergessen. Morgens im Bad macht sich dann der Mann bei der Trockenrasur lustig über sie, ist kurz unaufmerksam, schneidet daneben, schreit verärgert auf. Wenn ihm dann die Rasierklinge neben das Waschbecken fällt, und er daneben greift, und sich auch noch in den Finger schneidet und dann zum Apothekenschrank geht und dabei über das Kabel vom Rasierer stolpert und mit dem Kopf auf den Fliesen aufschlägt und noch die letzten Takte von 'Ende ...?' vernimmt ... Das wäre kein schöner Tod. Auf meiner Beerdigung will ich definitiv was anderes hören!
Ich habe die Scheibe bestimmt sieben- oder achtmal durchgehört und bin jedes Mal an dem Versuch gescheitert, eine gescheite Rezension darüber zu schreiben. Also ließ ich das 45minütige Stückchen Musik jetzt einfach einmal komplett durchlaufen und schrieb dabei einiges auf, was mir einfiel - mehr noch aber ließ ich ungeschrieben, weil ich es dem Leser nicht zumuten möchte. EISREGEN beflügeln in jedem Falle die Fantasie, wenn man gezwungen ist, ihnen genau zuzuhören. Aber mit der Musik könnt ihr mich jagen. Die würde ich maximal als Hintergrundgeräusch für einen Gesellschaftsspieleabend, bei dem Bowle getrunken wird, akzeptieren. Im erhitzten Konzertsaal mit lauter aufgebrachten EISREGEN-Fans stelle ich mir die Songs allerdings sehr zündend vor, auch für einen Metaller. Da würde ich glatt mal hingehen und mitsingen; die Texte kann ich ja inzwischen auswendig.
Anspieltipps: Mein Eichensarg, Am Glockenseil, Ripper von Rostow, Kreuznarbe, Wundwasser
- Redakteur:
- Wiebke Rost