ELECTRIC WIZARD - Dopethrone (Remastered)
Mehr über Electric Wizard
- Genre:
- Doom
- Label:
- Rise Above Records
- Vinum Sabbathi
- Funeralopolis
- Weird Tales 1. Electric Frost 2. Golgotha 3. Altar Of Melektaus
- Barbarian
- I, The Witchfinder
- The Hills Have Eyes
- We Hate You
- Dopethrone
- Mind Transferral
Eine dichte, schwere, massige Gitarren-und-Bass-Wand schiebt sich voran, und wie bei einem ständig kippenden Vexierbild bleibt es letzlich völlig unklar, ob sie vom stolpernden Kloppzeug brutal vorangepeitscht wird, oder dieses erbarmungslos vor sich hertreibt. Eindeutig ist nur, dass sich hier etwas bewegt, was für Bewegung scheinbar überhaupt nicht geschaffen wurde, und dass der erbitterte Gesang darunter lebendig beerdigt wird. 'Vinum Sabbathi' ist ein sich selbst arg, den erfahrenen Doom-Hörer jedoch nur geringfügig überforderndes Monstrum, das gekonnt auf das Album einstimmt, welches ELECTRIC WIZARD im Jahre 2000 erstmals auf die Menschheit losließen.
Dabei handelt es sich wohl um eines der heftigsten, schwersten Doom-Alben, die jemals geschrieben wurden. So eine kompromisslose Wall-Of-Sound zogen sonst von den mir bekannten Tonkünstlern allenfalls noch YOB mit "The Illusion Of Motion" oder CELTIC FROST auf "Monotheist" hoch. Wobei: Bei YOB ging's deutlich metallischer und weniger klumpig zur Sache, und "Monotheist" ist trotz der schier unglaublichen Heaviness irgendwie offener strukturiert.
"Dopethrone" ist zugeraucht bis zur Hutschnur, eben bloß, dass jedes noch so kleine Rußpartikel die Masse einer Megatonne aufzuweisen scheint, und dass diese samt und sonders miteinander zu verschmieren drohen. Hochverdichtetes Material also.
'Funeralopolis' lässt erstmals so etwas wie Schönheit zu, mit zunächst offenen, noch einzeln gespielten Akkorden und jazzig anmutendem Schlagzeug. Schwer und unglaublich dunkel, doch mehr hypnotisch als erdrückend, wölbt sich hier Ton um Ton aus der Bassschwere hervor, bis sich das Stück zu einem bluesig psychodelisch wucherndes Ungetüm formiert, und die Saat von BLACK SABBATH zu blutig aufgehenden Blüten treibt. Schicht um Schicht lagert sich dann wie Mehltau in zunächst noch unscheinbarer, kaum bewusst wahrnehmbarer Verformung, samtig schwarz darauf an, türmt sich schließlich bedrückend höher und wolkt umeinander, schiebt drüber und drunter, wirft sich vor Reibungshitze rußig dampfend auf. Massedruck pur. Und überlagert sich immer noch, immerzu, ein ruchloser, mutloser und unwilliger Turmbau zu Babel, leichenstarrend, kohleschwarz, und zähflüssig, weiter und weiter empor, auch wenn die überlasteten Grundfesten darunter schon im Vocodersumpf zu ertrinken drohen und das unglaublich schwere Soundgebäude von oben her erschüttert wird, zittert, wankt und schwankt. Und doch standhält, obschon verstärkerstrotzende, rostige Gitarrenläufe sich selbstzerstörerisch tiefer und tiefer ins eigene Fleisch graben und manische Bassbulldozer druckvoll schiebend sich zum dunklen, untot pochenden Herzen des Stückes vorwühlen, ungeachtet des erdrückenden Zerstörungspotentials um sie herum.
Und so wurde ursprünglich lavaartig zäh vor sich hin blubbernder, heißblütig bluesiger Heavy Doom unaufhaltsam zu einem kaltherzig starren Black-Metal-Obsidianpropfen zerschmolzen, und die zu Beginn noch feirlich-getragene, ruhig gedämpfte Stimmung der Stadt der Toten unwiderruflich von blindem, doomigem Zerstörungswahn (noch nicht einmal –wut) umschlossen.
Doom pur, so scheint es, kraftstrotzend, masseverdichtend, tollwütig, und vor allem: überschwer. Die tief darin begrabenen, paranoiden Stoner-Rock-Einflüsse (KYUSS) und die kompositorische Größe dieser unglaublich konstanten Steigerung ins Ungewisse lassen sich erst im Nachhinein ausmachen, wenn das Stück selbst schon längst vorüber ist und der paralysierte Geist langsam und karthatisch wieder aus der zwanghaften Unterwerfung durch einen zombiegleichen Totenschlummer heraufdämmert.
Es folgt mit 'Weird Tales' eine Art Trilogie des Unheimlichen:
Zunächst ein Anwurf von sperrigen, aggressiven, erodierenden Riffs, aus denen notdürftig so etwas wie ein Song hervorgeht, der auf den Namen 'Electric Frost' getauft wurde und auf die Mythologie H. P. Lovecrafts zurückzuführen ist. Das Stück ist für ELECTRIC WIZARD außergewöhnlich schnell. Daraufhin bekommen wir es aber auch schon mit dem dröhnend dunklen, urlangsamen, biblischen 'Golgotha' zu tun (Funeral Doom galore), welches wiederum nahtlos im monotonen 'Altar Of Melektaus' aufgeht und verklingt, welches auf einer weiteren Horrorgeschichte beruht.
Und wir bleiben bei der Pulp Fiction, denn bei 'Barbarian' handelt es sich um König Conan. Und das zugehörige Stück poltert so ziemlich alles weg, was wagt, sich ihm in den Weg zu stellen. Bleischwere Kopfschmerzmusik. Ramm mich mit deiner Ramme. Uh. Yeah. Ultraprimitiv. Und irgendwie cool. Ein echter Nackenbeansprucher. Der Sänger kotzt wohl Säure oder sowas. Der Bass klingt tief und brutal. Malmstrom. "Unleash Berserker Rage None Shall Escape". Okay.
Ist aber nur eine angenehm psychotische Einstimmung auf das völlig kranke 'I, Witchfinder':
Das kann ich nicht beschreiben, es stellt alles in den Schatten. Tief in den Schatten. Gut so. Ist auch nicht zu kurz geraten. Dunkelheit pur, in jeder Hinsicht. Sollte man hören, wenn man auf Doom steht. Da haben sich ELECTRIC WIZARD selbst übertroffen, und das bedeutet so einiges. Ausweglos.
Gellend nach vorne gemischtes Schlagzeug und brachial verzerrter Bass grollen nach dem kurzen Zwischenspiel 'The Hills Have Eyes' bei 'We Hate You' eine eher klassische Hasshymne zusammen. So könnten auch VENOM vor zwanzig Jahren geklungen haben, hätte man sie auf Zeitlupentempo runtergeschraubt und den Sound noch etwas verwaschen. Heavy as fuck. Dennoch mehr ein Brückenstück zum Wiederaufatmen und tief inhalieren.
Der Donnerschlag des Albums ist aber zweifelsohne das Titelstück. Geradlinig, schmirgelnd, schwerfällig, totalitär. Da gibt es keinen instrumentalen Ausbruch, da gibt es nur ein einziges stures Voranwalzen. Sisyphus war eine sissy - ELECTRIC WIZARD packen zu. 'Dopethrone' wird schön konsequent über kompakte zehn Minuten hin gesteigert. Irgendwie klingt da ein Anflug Blues Metal durch. DOWN oder so, auf jeden Fall irgendwas mit eitrigem Sumpffieber und Hirnhautentzündung. Und einem Schwarm dicker, fetter, blauschwarzer Fliegen.
Die Wiederveröffentlichung von 2006 enthält mit 'Mind Transferral' noch einen weiteren, von psychedelisch-kreischenden Erzadern durchzogenen, unbehauenen, rund fünfzehn Tonnen schweren Granitklumpen. Lohnt sich!
Anspieltipps: I, Witchfinder; Dopethrone
- Redakteur:
- Eike Schmitz