ELIS - Dark Clouds In A Perfect Sky
Mehr über Elis
- Genre:
- Gothic Metal
- Label:
- Napalm
- Release:
- 04.10.2004
- Der letzte Tag
- Anger
- Lost Soul
- Perfect Love
- Heart In Chains
- Die Zeit
- Black Angel
- Devil Inside You
- Rebirth
- Are You Mising Me
- Ballade
Wumm – da bollert der Bass mächtig fett aus den Boxen. Keineswegs schwebt hier die Nacht auf sanften Flügeln herein, wie es im Opener des neuen ELIS-Albums heisst, sondern mit einem schweren Krachen. Die in Liechtenstein und der Schweiz beheimateten Musiker brechen ein Gothic-Metal-Gewitter vom Zaun, wie es derzeit seinesgleichen sucht. Sicherlich, da wir hier eine lieblich und manchmal hoch tönende Sängerin am Mikro stehen haben, darf jetzt kurz der Name NIGHTWISH als Orientierung fallen und gleich wieder vergessen werden. Denn ELIS geben der Brachialromantik die Ehre und lassen sich mit den letzten zahmen (wenn auch keineswegs schlechten) Veröffentlichungen der finnischen Bestseller nicht vergleichen. Wer wie ich auf deren "Oceanborn"-Klassiker abfährt, könnte allerdings mit ELIS eine neue Offenbarung und die Erfüllung lang gehegter Sehnsüchte nach ähnlicher Klasse erleben.
Zum Gelingen der neue Scheibe hat mit Sicherheit auch die helfende und studiotechnisch versierte Hand von ATROCITY-Mastermind Alexander Krull beigetragen, der schon die Vorgängeralben produzierte. Früher hieß die Band ERBEN DER SCHÖPFUNG, benannte sich aber nach dem Album "Twilight" in ELIS um und veröffentlichte unter diesem Namen 2003 "God’s Silence, Devil’s Temptation". Von der "Twilight" kenne ich ein Stück (und zwar genau das, von dem der neue Gruppenname stammt), das damals auf einem Metal-Hammer-Sampler enthalten war und mich mit seiner feinsinnigen lyrischen Note beeindruckte. Wie schmaler Geldbeutel und fehlende Arbeitsmoral zur Aufbesserung desselben so spielen, konnte ich mir das gesamte Album damals nicht leisten. In die neue CD hätte ich jedoch auf jeden Fall investiert. Sie stellt einen grossen Schritt nach vorne für die Rüschen-Metaller dar. "Dark Clouds In A Perfect Sky" ist einfach ganz große Klasse!
Zu einem unwiderstehlichen Erlebnis wird der musikalische Genuss vor allem durch die Kombination folgender hochwertiger Zutaten des schmackhaften Gerichts: einmal haben wir den wuchtigen Pfeffer zweier Klampfen im Verein mit dem stärkehaltigen Bass, dann ein paar wunderschöne symphonische Soundelemente als würzige Kräutermischung, deren Erzeuger sträflicherweise weder auf meiner Promo, noch im Info, noch irgendwo im Netz genannt wird, zudem als süsse Paprika die Stimme von Sabine Düser, welche natürlich nicht ohne ihre Chorausbildung denkbar wäre und – least but not last – das Salz ausgereifter und teils komplexer Kompositionen, die ELIS weit aus der Masse vergleichbarer Bands herausheben. Ach ja – die nachtverliebte Romantik darf natürlich nicht vergessen werden, die hier den Part der bitteren, aber kräftigen Muskatnuss übernimmt...
ELIS stellen dabei immer die eingängige Komponente in den Vordergrund. Die Gitarren spielen einprägsame und melodische Hooks und Riffs, wobei die Band nicht nur eine Melodie herunterschrammelt, sondern mehrere Harmonien zum Einsatz bringt. Häufig setzen sie Breaks ein, die dem Ganzen eine etwas anspruchsvollere und abwechslungsreichere Note geben, die man bei dem üblichen Gothic-Metal-Pop schlicht vermisst. Wer aber unbedingt letzteren hören will, kommt mit dem wohligen Frauengesang und einigen zuckersüssen Ohrwürmern schon genug auf seine Kosten. Die Rhythmussektion geht aber immer einen harten Weg und viele Stücke sausen in Windeseile am Hörer vorrüber.
Neoklassizistisches Ambiente darf auf einer solchen Scheibe natürlich auch nicht fehlen und so haben wir eine Menge Klaviertupfer, Streicher und Bombastsounds, wobei neben den Keyboards auch natürliche Instrumente verwendet worden sind. Sehr schön ist in dieser Hinsicht das letzte Stück der CD 'Ballade', welches von einem elektronisch-wavigen Rhythmus und Klavierklängen getragen wird, während Sabine Düser in schwarzromantisch "flötender" Manier ein Gedicht des deutschen Dichters Georg Trakl intoniert, der ja für seine ebenso genialen wie tief schwermütigen Gedichte bekannt ist. Hier spürt man auch ein wenig die „süddeutsche“ Herkunft der Sängerin im Akzent, was durchaus sympathisch wirkt... "Laut sang, o sang das Meer." Ja, wahrhaftig, eine bezaubernde Sirene!
Die Gitarren schweigen in diesem Song. Und schweigen kann natürlich niemand, der sowieso nichts zu sagen, sondern nur jemand, der etwas zu mitzuteilen hat. Und in den vorhergehenden zehn Songs haben die Gitarren deutlich das Sagen. Schauen wir uns kurz mal ein paar bemerkenswerte Nummern von "Dark Clouds In A Perfect Sky" an:
Der Hit für den Club dürfte der Opener 'Der letzte Tag' sein: - der Text ist zwar ein ein wenig klischeehaft, aber genau das dürfte den Gothic-Teenie begeistern und ansonsten geht’s einfach kraftvoll nach vorne mitten in den Gehörgang ab. Einige Streicher ergänzen die Gitarrenpracht. Komplexer wurde 'Lost Soul' gestaltet, das mit stampfenden Gitarren beginnt die von Keyboardflächen getragen werden. ELIS füllen den Sound im weiteren durch verschiedene melodische Solos aus. Der Frauengesang wechselt in den Strophen mit einer grunzenden Männerstimme, während der Refrain in einer für die Band typischen Weise sehr hymnisch ausfällt. Das ist im übrigen der einzige kleine Kritikpunkt an der vorliegenden Scheibe: die Refrains sind eben sehr typisch gestaltet und könnten ruhig einen Schuß mehr Abwechslung vertragen. Da hier aber sonst alles stimmt, fällt das für mich nicht besonders ins Gewicht.
Herrausragend ist auch das majestätische Midtempo-Stück 'Perfect Love', das von Klavier und Streichern verschönert wird. Die Majestät von 'Heart In Chains' liegt dagegen vor allem in den mächtigen Gitarrenwänden und bombastischen Stimmungsbildern begründet. In 'Die Zeit' verwenden ELIS - neben 'Der letzte Tag' und 'Ballade' - Worte in deutscher Sprache. Die Melodie erscheint fast poppig, aber Gitarre und Bass fahren wieder tief in die Magengrube. Eine attraktive komplexe Rhythmik zeichnet 'Devil Inside You' aus. Flöten- und Klaviertöne und ein schwelgerischer Klangfluß betonen bei 'Rebirth' die lyrischen Momente, die aber in fast jedem Stück des Albums auftauchen. Mächtig knallt der treibende Rhythmus, der dem Refrain von 'Are You Missing Me' unterlegt wurde.
Im Ganzen gesehen haben ELIS hier eine gut abgerundete Scheibe geschaffen, die man sich am besten in einem Stück anhört. Es kommt weniger auf die einzelnen Songs an, als mehr auf den vollmundigen Gesamtsound, der sowohl durch Kraft als auch durch schillernde Romantik eine siebenundvierzigminütige Hochstimmung erzeugt, die den Alltag vergessen lässt. Lyrische Buntheit, melodische Eingängigkeit und krachende Härte halten sich hier ungefähr die Waage. Damit liegt endlich mal seit langem wieder ein Gothic-Metal-Album vor, das zu gefallen weiß, ohne plakativ irgendwelchen Trends nachzurennen. Nachzutragen bleibt, dass die CD als limitiertes Digipack mit einem Bonusstück erscheint.
Anspieltipps: Der letzte Tag, Lost Soul, Perfect Love, Heart In Chains, Ballade
- Redakteur:
- Jörg Scholz