EMIGRATE - The Persistence Of Memory
Mehr über Emigrate
- Genre:
- Alternative Metal
- ∅-Note:
- 6.00
- Label:
- Sony Music Entertainment
- Release:
- 12.11.2021
- Rage
- Always On My Mind
- Freeze My Mind
- Yeah Yeah Yeah
- Come Over
- You Can't Run Away
- Hypothetical
- Blood Stained Wedding
- Let You Go
Nur noch für Hardcore-Fans relevant
Ich muss gestehen, dass ich zwar kein Fan von EMIGRATE bin, aber insbesondere das Debüt aus dem Jahr 2007 war für mich eine wohlwollende Erweiterung des RAMMSTEIN-Kosmos.
Es schaffte es, das bekannte Riffing von Kruspe mit dezenten elektrischen Spielereien zu einem gutklassigen Industrial-Album zu erweitern, mit dem man eine Menge Spaß haben konnte. Ich denke Songs wie 'Wake Up' und 'My World' sprechen für sich. Doch bereits auf "Silent So Long" regierte dann zu einem großen Teil nur noch der Alternative-Metal, welcher auf "A Million Degrees" noch ausgebaut wurde. Bei beiden Alben hatte zumindest ich das Gefühl, dass durch die große Anzahl prominenter Gäste über die Lücken im Songwriting hinweggetäuscht werden sollte. Man muss sich nur mal vor Augen führen, dass in beiden Fällen die Songs mit Beteiligung deutlich besser abschneiden als der Rest des eigenen Materials. Im Gegenzug aber die Songs bei den Hauptbands der Gäste nicht mal für B-Seiten gereicht hätten. 'I'm Not Afraid' würde bei GHOST auch nicht als Japan-Bonus taugen, 'Rock City' bei MOTÖRHEAD im hinteren Album-Drittel der schwächeren Alben versauern und 'Let's Go' wäre keine Option für das LINDEMANN-Debüt gewesen.
Denkbar ungünstigste Voraussetzungen für die Veröffentlichung des vierten EMIGRATE-Drehers, welche sogar vorab noch als besser verkaufte Resterampe vermarktet wurde. Die neun Songs stammen alle aus anderen Perioden der letzten fast 20 Jahre und sollten eigentlich als Bonus-CD im Rahmen von Neuveröffentlichungen erscheinen. Irgendeine findige Nase (ich bin mir fast sicher, es war nicht Richard Zven Kruspe selbst ) hatte nun aber die glorreiche Idee, diese Songs als eigenständiges Album herauszubringen.
Wie funktionieren nun also die Songs, welche bisher zu schwach waren, auf einem regulären Album zu stehen und nun als 2021-Version endlich das Licht der Welt erblicken? Leider im Endeffekt so, wie man es erwartet hätte.
Nach dem Industrial-Metal wird nun auch der Alternative Metal aus dem Songkonstrukt gefiltert und Pop-Songs ohne Esprit gewinnen die Oberhand. Nur weil man ab und zu noch härteres, klinisches Riffing einsetzt, hat das mit härterer Musik nichts mehr zu tun. Schon der Opener 'Rage' wirkt aufgrund seines Namens fast schon absurd soft und gefällig. Ein Song wie 'Come Over' überspannt diesen Bogen dann leider völlig. Ich habe grundsätzlich nichts gegen Popmusik an sich, nur gibt es aktuell mit Sicherheit nur 200 Künstler, die das besser hinkriegen.
Das ELVIS PRESLEY-Cover 'Always On My Mind' ist dann schon hart an der Grenze zum Fremdschämen. Es würde zumindest zum Humor von RAMMSTEIN passen, sowas überhaupt zu veröffentlichen. Dann doch lieber die PET SHOP BOYS. Kennt jemand noch das ONKELZ-Cover 'Je taime...Moin ne plus'. Das ist genau die gleiche Liga.
Der überwiegende Rest ist dann tatsächlich die befürchtete B-Klasse des bewährten EMIGRATE-Schemas. Klingt alles schön gefällig, bietet aber keinen Mehrwert zu den bisher veröffentlichten Tracks und ist daher für den Gelegenheitshörer obsolet. Treue Fans kriegen jedoch den gleichen Stoff wie bisher, top produziert und eingespielt auf absolut höchstem internationalem Niveau.
Aber unabhängig davon gibt es noch drei kleinere Lichtblicke, die ich gerne erwähnen würde. Der "Silent So Long"-Song 'Hypothetical' wurde nochmal recycelt und funktioniert in der neuen Version ohne MARILYN MANSON tatsächlich etwas besser und der Albumabschluss 'I Will Let You Go' versucht mit seinen Bläsern und der düsteren sphärischen Herangehensweise schon was neueres und funktioniert ganz gut.
Mein persönliches Highlight ist allerdings alles andere als innovativ und spannt den Bogen zurück bis zum Debüt. 'Freeze My Mind' soll tatsächlich auch aus dieser Epoche stammen und knallt einem genau die Art Riffing vor den Latz, die man bei dieser Expertise doch erwarten würde. So macht bangen Spaß und die leichten Pop-Vibes stören nicht.
- Note:
- 6.00
- Redakteur:
- Stefan Rosenthal