EVER SINCE - Bring Out The Gimp
Mehr über Ever Since
- Genre:
- Dark Metal / Modern Metal / Industrial
- ∅-Note:
- 6.50
- Label:
- Mighty Music/ Target
- Release:
- 17.02.2014
- Bring Out The Gimp
- Run
- Circles
- No Way Out
- Step In The Hell
- Wrong Way
- 10.000 Feet
- Prison Son
Herr Ober, wo ist das Salz?
Ist das nicht verrückt? Da legt eine Band mit anderthalb Jahrzehnten Erfahrung ein Album vor, das mit kreativen Ansätzen punktet, einen ganz eigenen, charakteristischen Sound aufweist und aus musikalischer Hinsicht fehlerfrei ausfällt – und trotzdem bleibt auch nach mehreren Hördurchgängen kaum etwas hängen, außer dem leisen Ärger über eine eindeutig verpasste Großchance. Die Rede ist von "Bring Out The Gimp", dem vierten Album der Schweizer Dark-Metal-Formation EVER SINCE. Nach einer sechsjährigen Pause legt uns das Quintett Anfang 2014 eine Scheibe vor, die in vielerlei Hinsicht überzeugt, nur dummerweise eine ganz entscheidende Komponente vermissen lässt.
EVER SINCE steht auch im Jahr 2014 für eine düstere, atmosphärische und technisch ausgefeilte modern-metallische Mixtur. Die Industrial-Einflüsse wurden präzise ausgearbeitet, Sängerin Ludivine ist verschwunden, ihr Nachfolger Pedro verstärkt mit souveränen Wechseln zwischen fiesen Schreien und vibrierendem Gesang die harte Kante der Band. Das Keyboard mischt hier und da schwarze Schattierungen ins Gesamtbild, während die scharf thrashenden Gitarren wie tollwütige Kampfhunde von der Leine gelassen werden. Die Eidgenossen bewegen sich also irgendwo in den Gefilden von PARADISE LOST oder CRADLE OF FILTH, aber auch im erweiterten Rahmen moderner Neo-Thrash-Kapellen wie SKIRMISH oder TERRORWAY. Und die sechsjährige Pause scheint EVER SINCE auf den ersten Blick nicht geschadet zu haben: Das Songwriting knackig, der Sound etwas steril, aber ausgewogen, gute Ideen in Hülle und Fülle.
Wieso ist "Bring Out The Gimp" dennoch nicht der große Wurf geworden? Ganz einfach: Die Mehrzahl der Songs lässt einprägsame Refrains, Ohrwurm-Klangfolgen, ganz einfach die großen musikalischen Momente vermissen, aufgrund derer man nach dem Verklingen der letzten Takte umgehend die Repeat-Taste betätigen wollte. Der Titeltrack eröffnet das Album zwar mit einem mitreißend stampfenden Groove, feistem Riffing und dynamischen Wechseln zwischen elektrischen Spielereien und drückenden Stahlwänden, lässt aber einen wirklichen Höhepunkt durchweg vermissen. 'Bring Out The Gimp' fetzt und heizt ordentlich ein, klingt aus – und verflüchtigt sich im schwarzen Nichts. Auch das stark industriell angesetzte 'Run' lässt Hoffnung aufkeimen, doch abermals wartet der Hörer vergeblich auf eine finale Krönung. Flott hämmernder Neo Thrash bei 'Step In The Hell', Hochgeschwindigkeits-Stahl in 'Circles', doch überall die gleiche Leier respektive Leere. Dieses Manko zieht sich durch das gesamte Album. Dabei fällt die Musik von EVER SINCE keineswegs so progressiv aus, als dass hier von einem bewussten Verzicht auf eingängige Wiederholungen gesprochen werden kann – Refrains sind vorhanden, bleiben jedoch schlicht belanglos und austauschbar.
Mein persönlicher Ärger über dieses Versäumnis wird vor allem von der Tatsache genährt, dass EVER SINCE bei genau drei Tracks zeigt, wie es besser geht: 'Wrong Way', ein Highspeed-Industrial-Thrash-Geschütz, überzeugt eben nicht nur durch bretzelnde Verse, sondern endlich auch durch einen emotionalen, melodischen Refrain, der anschließend wieder von diesem herrlichen DESTRUCTION-Gedächtnisriff abgelöst wird. Metal pur, starke Nummer! Das ebenfalls erfreulich metallische '10.000 Feet' wird zwar keinen Kreativitätspreis einheimsen, bleibt aber als einziger Song des Albums durch sein simples, einprägsames Thema länger im Ohr hängen. Positiv aus der Reihe fällt außerdem noch 'No Way Out', gänzlich untypisch beginnend, mit wunderschönen, akustisch vorgetragenen Gitarrenmelodien und klarem, sehnsuchtsvoll gerauntem Gesang. Als das Schlagzeug einsetzt und Sänger Pedro aus vollem Halse zu schreien beginnt, wird aus 'No Way Out' eine Art Death-Metal-Ballade, deren schaurig-schöner Anstrich durch den Einsatz von Streichern noch zusätzlich betont wird. Die ungewöhnlichste, progressivste, spannendste Nummer auf "Bring Out The Gimp".
Von diesen drei Beispielen abgesehen agiert EVER SINCE allerdings wie eine glücklose Fußballmannschaft: Feldüberlegenheit und kunstvolle Spielweise nutzen einen Dreck, wenn die Tore nicht gemacht werden. Die fünf Schweizer lassen auf ihrem an sich hochspannenden und technisch blitzsauberen vierten Album eben wesentliche Elemente vermissen: große Refrains, einprägsame Momente und Melodien. In vielen Bereichen verdient "Bring Out The Gimp" Höchstwertungen, doch wenn das Wesentliche fehlt, nutzen gute Haltungsnoten nun mal gar nichts, vor allem angesichts starker, ähnlich gearteter Veröffentlichungen wie dem aktuellen FEAR OF DOMINATION-Album.
Anspieltipps: No Way Out, Wrong Way, 10.000 Feet
- Note:
- 6.50
- Redakteur:
- Timon Krause