FALL CITY FALL - Victus
Mehr über Fall City Fall
- Genre:
- Hardcore / Mathcore
- ∅-Note:
- 7.00
- Label:
- Victory Records
- Release:
- 22.01.2013
- St. James
- Dissentipede
- Anxiety Attack
- Bitter To End
- Lovebirds
- Many Masters
- Many Lives
- Shallow Believer
- Dead Saints
- Taken
- Victus
Zu viel des Guten
Wenn man heutzutage noch auf Bands stößt, die der in monotoner Gleichförmigkeit erstarrenden Hard- und Metalcore-Szene neue Impulse versetzen können, lohnt es sich aufzuhorchen. Umso mehr, als dass Hardcore ohnehin eine recht veränderungsresistente Sparte harter Musik darstellt, und das breite Spektrum des Experimentierfeldes zwischen Metal und –core jeglicher Ausprägung scheinbar gänzlich abgegrast wurde. Interessante Veröffentlichungen sind seit Jahren Mangelware. FALL CITY FALL aus Calgary sind diesbezüglich eine rühmliche Ausnahme. Und ihr Major-Debüt bei Victory Records klingt, als hätten sich die jungen Kanadier nichts weniger vorgenommen, als das Übel beim Schopf zu packen und mit kompromissloser Brutalität auszureißen.
Ein dickes Lob verdient sich die Band zunächst dafür, dass sie sich trotz ihrer ambitionierten Herangehensweise in keinster Weise von der rohen Aggressivität ihrer Hardcore-Wurzeln entfernt. FALL CITY FALL bleiben der Szene verhaftet, sprengen mit "Victus" zugleich jedoch deren musikalisch einschränkendes Korsett: Im Stile der Mathcore-Größen THE DILLINGER ESCAPE PLAN und gewürzt mit einer Prise Noise werden die Songs auf abstruse Weise rhythmisch verkompliziert und scheinbar entstrukturiert. In rasender Wut verkloppen die Jungs auf höchst anspruchsvolle Weise alles, was sich ihnen in den Weg stellt, die vorab angesprochene Einfallslosigkeit ihrer zahlreichen Weggefährten inklusive. Leider schießen sie dabei für meinen Geschmack jedoch teilweise übers Ziel hienaus: Denn genau in der grundsätzlich begrüßenswerten Dissonanz und Progressivität ihrer Songs fehlt FALL CITY FALL ein Halt, eine zumindest rudimentäre Struktur. Ihre Kompositionen drohen immer wieder in ihre scheinbar zusammenhanglosen Bestandteile zu zerfallen.
Mit dem Intro 'St. James' wird der Wutreigen noch mühevoll gebändigt und unterschwellig lodernd eröffnet; das folgende 'Dissentipede' kennt dann bereits kein Halten mehr und wütet brachial und unaufhaltsam. Hier kann man noch folgen, sich mitreißen lassen von der unbeschreiblichen Energie die FALL CITY FALL entfesseln – die kakophonen Töne schmerzen, das Drumming kennt kein Tempolimit und wechselt rücksichtslos zwischen heftigstem Gedresche und gegenläufigen Breaks. Auch 'Anxiety Attack' macht unverschämt Spaß und dürfte live mit seinem metzelnden Tempo jeden Club dem Erdboden gleichmachen. In der Folge wird es allerdings stetig anstrengender: Die Gitarren jaulen in immergleich dissonanten Höhen, die beiden Fronter geben sich bezüglich ihrer Tonlage überhaupt nichts und schreien, jammern und wimmern in einem fort, sodass man irgendwann gereizt den Lautstärkeregler nach unten schraubt. Gelegentlich wäre es in dem entfesselten Chaos vielleicht auch ganz nett, ein Riff zu wiederholen oder ein festes Motiv einzubauen. Beim instrumentalen 'Many Lives' gönnt man dem Hörer immerhin eine Verschnaufpause, 'Shallow Believer' verbindet Oldschool-Gangshouts und Upbeat-Drumming mit Mathcore-Elementen zu einer überzeugenden modernen Hardcore-Hymne, und dem Titeltrack selbst gelingt endlich eine ausgewogene Mischung aus Neu und Alt: Die Shouter loten ihre stimmliche Bandbreite aus, die Gitarren ziehen eingängige Leads durch den Song, die spannende Balance zwischen unkontrolliertem Gebolze und nachvollziehbaren Rhythmen stimmt. Zum Abschluss passt die Mixtur.
Die Gratwanderung zwischen innovativen Elementen und klassischen Hardcore-Einflüssen gelingt also nur bedingt, da "Victus" teilweise schlicht überfrachtet ist mit unkontrolliertem Lärm und abwechslungsarmem Geschrei – schade, da in anderen Songs das Konzept wie gesagt voll aufgeht. Doch so schmerzhaft und unbequem das Album streckenweise auch klingt, bringt es eben doch die lange vermisste Abwechslung in ein Genre, das mehr Mut und Unangepasstheit im Stile von FALL CITY FALL vertragen könnte.
Anspieltipps: Victus, Shallow Believer, Anxiety Attack
- Note:
- 7.00
- Redakteur:
- Timon Krause