FARIN URLAUB - Am Ende der Sonne
Mehr über Farin Urlaub
- Genre:
- Deutschrock
- Label:
- Universal
- Release:
- 29.03.2005
- Mehr
- Sonne
- Augenblick
- Porzellan
- Unter Wasser
- Wie ich den Marilyn-Manson-Ähnlichkeitswettbewerb verlor
- Unsichtbar
- Apocalypse wann anders
- Schon wieder
- Immer noch
- Alle dasselbe
- Kein zurück
- Dermitder
- Dusche
"Am Ende der Sonne" heißt das nunmehr zweite Soloalbum von FARIN URLAUB, seines Zeichens die Stimme der "besten Band der Welt". Vielleicht konnte man bei seinem Debüt noch die Macht der Verdrängung nutzen, doch nun steht fest: "Endlich Urlaub" war keineswegs das Ergebnis von Langeweile und fehlender Auslastung, sondern ein ernst gemeintes Statement der Individualität. Es scheint ja auch kein allzu großer Schritt zu sein, ein eigenes Album auf den Markt zu werfen, wenn man schon die Jugend von früher bis jetze als Fanschar im Sack hat. Wenn wir uns da nicht einmal täuschen! Genau in dieser Nische lagen nämlich die Schwächen des Debüts, die nun mit "Am Ende der Sonne" ausgemergelt werden müssten. Wirklich Eindruck kann Jan (bürgerlicher Vorname) nämlich nur schinden, wenn er sich auch ohne "ärztliche" Hilfe fortbewegen kann.
Nun soll das alles nicht so klingen, als sei "Endlich Urlaub" nur ein B-Seiten-Album der ÄRZTE, aber zu oft unterwarf man sich darauf den Erwartungen, die normalerweise an die ÄRZTE gestellt werden: entweder sinnlose Lalala-Lieder oder sarkastischer Witz in jeder Strophe.
Um es gleich vorweg zu nehmen: Auch "Am Ende der Sonne" sind die ÄRZTE noch am Horizont zu erkennen, jedoch in einer angenehmen Entfernung. Nun ist es gar schon möglich FARIN URLAUB zu lobpreisen, ohne die ÄRZTE zu mögen. Das stelle man sich erstmal vor!
Eigentlich ist dieses Album der Beweis für das andere Ich von Herr Urlaub und das Offenlegen eines breiten Spektrums an musikalischen Einflüssen, die zweifelsohne auf den Musiker gewirkt haben müssen. Da ärgert es einen fast zu sehen, dass Farin sich dazu entschließt als erste Single ausgerechnet 'Dusche' auf Deutschland loszulassen. Zweifelsohne kann man live zu diesem Lied gut abgehen, doch jedem ist klar, dass dieses Lied die Wichtigkeit eines Einwegrasierers hat. An dieses Niveau kommen auf dem Album lediglich 'Dermitder' und 'Wie ich den Marilyn-Manson-Ähnlichkeitswettbewerb verlor' heran. Bei Zweiterem sollte der Name für sich sprechen!
Aber das ist nun mal FARIN URLAUB. Und gäbe es diese Lieder nicht, so würde man kaum von der großen Abwechslung sprechen können, die aus "Am Ende der Sonne" schallt. Eigentlich ist diese Scheibe nämlich fast schon ein Konzept-Album. Es befasst sich auffallend häufig auf eine romantisch-kitschige Art und Weise mit dem Thema Liebe. Speziell mit Kummer voller Einsamkeit oder unerfüllter Liebe. Instrumental macht man an derselben autarken Ecke weiter, wo mit "Endlich Urlaub" aufgehört wurde, und die Wäscheleine wird sogar noch etwas weiter gespannt.
So sinnfrei wie 'Dermitder' auch ist, das Lied ist ein Ska-Song, der durch Mark und Bein geht. Sicherlich gehört nicht viel dazu, Ska zu zelebrieren, in dem Geflecht aus meist rockigen Liedern sticht es allerdings hervor wie ein bunter Hund. Welch feines Näschen Herr Urlaub schon immer für gesungene Melodien hatte, beweist auch der zweite Gaga-Song 'Wie ich den Marilyn-Manson-Ähnlichkeitswetbewerb verlor'. Es scheint ein garantiertes Erfolgsrezept zu sein, wenn ein "Arzt" das Wort "evil" in deutsche Texte einfügt! Anhand des Textes ist dieses Lied allerdings eine echte Schwachstelle des Albums.
Ja, ja, alles, was irgendwie mit den Legenden aus Berlin zu tun hat, beruht nun mal auf ihren Texten. Daran ändert sich auch hier nichts. Bewundernswert ist allerdings, in welche Themen sich Farin vorwagt, ohne dabei gleich Blut zu lassen. Lieder wie 'Sonne' sind nämlich richtig tiefsinnig. Und 'Kein Zurück' ist ganz und gar todernst. Ansonsten weiß das erfahrene Genie einfach zu gut, welche Zutaten nötig sind, um ein geiles Deutschrock-Album zu machen: einen Schuss Überheblichkeit wie in 'Mehr', etwas Sticheln gegen Rechts in 'Schon wieder', Kummer in 'Sonne', unkitschigen Kitsch in 'Apocalypse wann anders' und mahnende Ernsthaftigkeit in 'Kein Zurück'.
Der größte Nachteil für den Hörer ist die Tatsache, dass auf der CD FARIN URLAUB steht. Obwohl man sich gern kopfüber in Inhalte der Lieder fallen lassen will, weil sie einem aus der Seele sprechen, wird man bei diesem Namen, der seit mehr als 20 Jahren schon alles lyrisch demontiert hat, skeptisch. Man will Herr Urlaub einfach nicht so ganz abkaufen, was er da singt.
Wer es dennoch schafft, sich mit diesem Album zu identifizieren, findet eines der besten deutschen Alben dieses Jahres, auf das wir zu Recht stolz sein können. Wer noch immer auf der Schiene der Ärzte fährt, wird insgesamt wahrscheinlich ein wenig enttäuscht sein. Die Urlaub-Soloalbum-Generation wird hingegen über Textzeilen über Urin und paranoide Kühlschränke nicht sonderlich lachen können. Vielleicht übertreibt es Farin auch ein wenig mit der Melancholie über die Liebe, die spätestens bei 'Unsichtbar' etwas ausgelutscht wirkt und mit der Metapher "Meer", die immerhin 'Augenblick' und 'Unter Wasser' beherrscht. Dennoch ist "Am Ende der Sonne" zwei riesige Sprünge nach vorn. Man sollte FARIN URLAUB unbedingt losgelöst von DIE ÄRZTE sehen … sonst verpasst man was!
Anspieltipps: Porzellan, Dermitder, Kein Zurück, Sonne
- Redakteur:
- Michael Langlotz