FARMAKON - A Warm Glimpse
Mehr über Farmakon
- Genre:
- Progressive Death Metal
- Label:
- Elitist/Earache
- Release:
- 04.08.2003
- Loosely Of Amoebas
- My Sanctuary In Solitude
- Mist
- Stretching Into Me
- Same
- Flowgrasp
- Flavoured Numerology
- Pearl Of My Suffering
- Wallgarden
An dieser Stelle wäre es eigentlich angebracht, über unglaublich und unverschämt kreative Finnen zu sprechen, die im Land der tausend Seen auf sympathisch-bescheuerte Ideen kommen und die Musikwelt mit ihrer Beklopptheit bereichern. Eigentlich, wenn dieses Thema nicht schon so ausgelutscht wäre.
Dennoch: FARMAKON sind in Suomi heimisch, haben ganz eindeutig im positiven Sinne einen an der Klatsche und werden mit "A Warm Glimpse" hoffentlich für mächtig Aufsehen sorgen. Wieso? Nun, wer es schafft, streckenweise fast original wie OPETH zu klingen und diesen Sound dann mit Versatzstücken aus den Bereichen Jazz, Funk und Flamenco aufzumischen, der verdient alleine schon mal einiges an Beachtung. Zur Bandgeschichte: Gitarrist und Basser kennen sich bereits durch diverses Rumgejamme, haben beim Hören von OPETHs "Still Life" den Geistesblitz, solch intensive Mucke - nur kranker - machen zu wollen und suchen sich Bandmitglieder. Engagiert wird ein Jazz-Drummer, dem man mal eben die Grundstrukturen des Death Metals erläutert und ein weiterer Gitarrero, mit dem man vor einiger Zeit ein rotzbesoffenes Gespräch über Musik hatte. Der Basser übernimmt die Growls, nur um seinen Kumpel zu ärgern und ihm zu zeigen, dass er wie Akerfeldt singen kann. Geile Story.
Und in etwa so abgedreht wie die Entstehungsgeschichte von FARMAKON klingt auch die Musik: Bereits beim Opener 'Loosely Of Amoebas' packen die Nordlichter gleich vier verschiedene Musikstile zusammen. Während man sich anfangs noch in recht sicheren, mit interessantem Riffing ausgestatteten Melodic Death-Gefilden glaubt, so wechselt das Klanggebilde nach knapp zwei Minuten hin zu einem swingenden Clean Vocal-Part, auf den eine kurze, lupenreine Funk-Jam-Session mit Lead-Bass folgt, um von einem kurzen, jazzigen Intermezzo mit mediterranem Charakter abgelöst zu werden. Klingt vielleicht wirr und unstrukturiert, ist es aber auf keinen Fall. Auch wenn die FARMAKON'schen Kompositionen von Spontaneität, vielen Stimmungswechseln und möglichst viel Abwechslung innerhalb der einzelnen Songs leben, ist das anfänglich etwas verwirrende Chaos doch sehr sauber durchdacht und deutlich geordneter als es zunächst den Anschein haben mag.
Wenn der Vierer dann mal nicht auf Streifzüge durch im Metal eher fremde Genres geht, so bringt er es tatsächlich fertig, fast original wie OPETH zu klingen - mitsamt deren technischer Brillanz, den monumentalen Brachial-Parts und den ruhigen, getragenen Intermezzi. Zwar erreicht man nicht das hohe emotionale Niveau der Mannen aus Stockholm, aber das ist, wage ich zu behaupten, auch gar nicht möglich.
Was FARMAKON vom Status einer sehr guten "Kopie" abhebt, sind eben die genrefremden musikalischen Einflüsse und Einsprengsel, welche immer wieder sehr geschickt in die komplexen Death Metal-Arrangements integriert werden. Egal ob leicht krank anmutender cleaner Gesang, wunderbare Jazz-Intermezzi (am besten gelungen bei 'Stretching Into Me') oder die wirklich toll gelungenen Funk-Passagen - es passt eigentlich gar nicht in das Konzept und doch möchte man diese Momente spätestens nach dem zweiten Hördurchgang nicht mehr missen. Immerhin verzettelt sich das Quartett bei diesen ganzen Ausflügen nicht zu sehr.
Ausnahmen bilden das vollkommen durchgeknallte 'Same', bei dem FARMAKON sämtliche kranke Ideen auf einmal verbraten haben und der etwas, äh... ausufernde Jam-Part bei 'Flavoured Numerology'. Dafür gibt's im Gegenzug mit dem famosen 'Pearl Of My Suffering' eine sehr eingängige Nummer, bei der man sogar einen Lead-Drum-Part eingebaut hat. Feine Idee.
Das Tolle an FARMAKON ist die fast schon spielerische Leichtigkeit, mit der hier sämtliche Musikstile gekreuzt werden, die Selbstverständlichkeit, mit der man so abwechslungsreich agiert wie nicht einmal ein Bruchteil der gesamten Hartwurst-Szene. Die Tatsache, dass es sich hier größtenteils um eigentliche Nicht-Metaller handelt, dürfte in der Hinsicht ein großer Pluspunkt sein, insbesondere im Drumming- und Bass-Bereich wirkt die teils sehr unkonventionelle Spielweise Wunder.
"A Warm Glimpse" ist ein verdammt vielseitiges und -schichtiges Werk geworden, das ich allen OPETH-lern und für neue Ideen offenen Musikliebhabern wärmstens empfehlen möchte - viel frischer geht's nicht mehr. Unbedingt Anchecken!
Anspieltipps: Loosely Of Amoebas, Stretching Into Me, Pearl Of My Suffering
- Redakteur:
- Rouven Dorn