FEHLFARBEN - Monarchie Und Alltag
Mehr über Fehlfarben
- Genre:
- Rock
- ∅-Note:
- 10.00
- Label:
- Universal
- Release:
- 19.05.2017
- Hier und Jetzt
- Grauschleier
- Das sind Geschichten
- All That Heaven Allows
- Gottseidank nicht in England
- Militürk
- Apokalypse
- Ein Jahr (es geht voran)
- Angst
- Das war vor Jahren
- Paul ist tot
Aufbruchstimmung in Deutschland!
Zumindest ist es das, was der Deutschrockklassiker "Monarchie Und Alltag" 1980 versuchte einzufangen. Das Ende der Siebziger, eine Gegenbewegung gegen Opulenz und Glanz in der Musik, eine Rückkehr zu den Wurzeln, die FEHLFARBEN als "Mach einfach" interpretierte. Und genau so klingt "Monarchie Und Alltag" auch. Die oftmals einfachen Stücke werden mit ungewöhnlich unpoliertem Gesang ohne jeden Feinschliff, der den Charakter der Lieder verändern könnte, eingespielt. Fehlerlos, sicher, aber eben nicht mit sonderlich vielen Kanälen und Overdubs poliert. Peter Hein versucht gar nicht, besonders schmeichelnde Melodien zu produzieren, aber er nimmt auch die Aggression des Punk aus der Musik, die in den Endsiebzigern en vogue war. Stattdessen liegt ein Augenmerk auf tiefsinnigen Texten statt platter Anklage, in denen Hein zwischen politischen Statements und alltäglichen Situationen der Jugend wechselt, so gleich am Anfang zwischen 'Hier und Jetzt' und 'Grauschleier' oder 'Das sind Geschichten'.
Aus den elf Liedern ragen vier heraus, die einer gesonderten Erwähnung bedürfen. Da ist zum ersten die Erfolgs-Single 'Ein Jahr (Es geht voran)', das die Band auf Druck der Plattenfirma mit auf die Scheibe nahm und das erst 1982 als Single ein Hit wurde, als die Neue Deutsche Welle bereits als Sturmflut über die Musikszene hereingebrochen war. Es ist der bekannteste Song der Band, der auch zur Hymne der Hausbesetzer wurde, was mir ob des Textes allerdings wenig erklärlich erscheint. Dann ist da 'Apokalypse', ein schneller, elektronischer Song, der mit der Rüstungsindustrie abrechnet. Eigentlich ein gefundenes Fressen für die Tanztempel der Nation, aber das Lied wurde kein Hit. Noch ein Rätsel.
'Militürk' ist die Interpretation eines Liedes, das von Gabi Delgado-Lopez geschrieben wurde, der später mit DEUTSCH-AMERIKANISCHE FREUNDSCHAFT, kurz DAF, Erfolg haben sollte. Das Stück wurde von verschiedenen Formationen, darunter dem FEHLFARBEN-Vorgänger MITTAGSPAUSE, DAF und O.R.A.V.s veröffentlicht und behandelt entgegen gern schnell geschossener Interpretation nicht Überfremdung, sondern soziale Probleme eingewanderter Gastarbeiter und innertürkische Konflikte, die auch unter den Türken in Deutschland ausgetragen wurden. Schade für die Rechtsausleger der Republik, ließe sich doch mit "Wir sind die Türken von morgen" so schön hausieren gehen, wäre es nicht im Zusammenhang falsch und obendrein von einer über jeden Zweifel erhabenen Band aus der Düsseldorfer Punk-Szene entnommen.
Zu guter Letzt ist da noch der Fanliebling 'Paul ist tot', der lyrisch den absoluten Höhepunkt des Albums darstellt. Wo zuvor musikalischer Dilletantismus bewusst gepflegt wurde, erscheint FEHLFARBEN hier so brillant und pointiert wie politischer Rock 1980 nicht besser zelebriert wurde. Natürlich mit einem schrammeligen Gitarrensolo jenseits aller Hitambitionen, aber das hat den Untergrund noch nie gestört. Übrigens: Paul ist der Flipper der Kneipe "Ratinger Hof" in Düsseldorf, der eines Tages verschwunden war.
"Monarchie Und Alltag" ist aber nicht nur ein Dokument seiner Zeit, sondern einer der besten und wegweisendsten Tonträger der deutschen Rockmusik, den sogar der Rolling Stone als wichtigstes deutschsprachiges Album einstuft. Das Album war seit 1980 niemals out of print, und 2017 ist gerade eine neue Ausgabe über Universal erschienen, die im Digi zum Midprice erhältlich ist, allerdings ohne die Bonustracks der 2000er-Edition, die gut, aber nicht essentiell sind. Es gibt wirklich keine Entschuldigung mehr dafür, dieses Werk nicht im Regal stehen zu haben. Als Zeuge der musikalischen Zeitgeschichte der Bundesrepublik. Oder einfach zum Tanzen und Mitsingen. Denkt immer dran: "Die Coca-Cola-Sonne scheint aufs Neue auf den Glanz unserer Republik".
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Frank Jaeger