FEINE SAHNE FISCHFILET - Alles glänzt
Mehr über Feine Sahne Fischfilet
- Genre:
- Politpunk
- ∅-Note:
- 7.50
- Label:
- Check Your Head
- Release:
- 12.05.2023
- Kiddies im Block
- Komm mit aufs Boot
- Diese eine Liebe
- Wenn's morgen vorbei ist
- Gib mir mehr
- Wenn wir uns sehen
- Angst zu erfrieren
- Tut mir leid
- Irgendwann
- Pass auf mich auf
- Tage zusammen
- Freaks dieser Stadt
Glänzt wirklich alles?
Auf die ostdeutschen Politpunker wurde ich zum einen aufgrund der Freizeitkleidung eines mir bekannten gymnasialen Konrektors aufmerksam, der gerne mal in Merch von FEINE SAHNE FISCHFILET entspannt. Zum anderen sah ich irgendwann einmal einen Live-Mitschnitt in der Tube, der nichts anderes als einen Totalabriss zeigte, inklusive umhertobendem 150 Kilogramm-Koloss und Likörkanone, die das Publikum beschoss! Ein Querhören ergab, dass die Herren ordentliche Alben machen, und die Recherche-Ergebnisse wiesen sie politisch und das Vertreten ihrer Meinung betreffend als sehr ernsthaft aus.
Diese oben vorangestellte, aus dem Albumtitel abgeleitete Frage, muss ich bezüglich des am 12. Mai des letzten Jahres erschienenen Albums "Alles Glänzt" eigentlich mit "jein" beantworten. Ich hatte, aufgrund einer gewissen Vergesslichkeit, genügend Zeit, um das damals bereits des Öfteren gehörte Album etwas sacken zu lassen, und komme nach wie vor zu diesem Schluss. Nachdem ich dieser aktuellen Scheibe von FEINE SAHNE FISCHFILET jetzt, im Januar 2024, noch ein paarmal mehr lauschte, muss ich fast sagen, dass es etwas Gutes hat, dass ich das Schreiben des Reviews irgendwann aus den Augen verloren hatte: Damals wäre mein Urteil wesenlich härter ausgefallen, da ich nicht den Zugang zu dem Album fand, der sich mir mit den erneuten Durchläufen nun auftat.
Der "Glanz", den ich meine, bezieht sich natürlich auf die oberflächliche, soundmäßige Produktion und die Art und Weise des Songvortrags: Hier scheint alles auf Hit gedacht, geschrieben und produziert worden zu sein. Damit habe ich grundsätzlich kein Problem, der detailversessene kleine Teufel steckt da eher in einer sehr subjektiven Macke von mir: Wenn Punk-Bands plötzlich Lieder haben, die mehr nach Kommerz-Deutsch-Rap/Pop klingen, als ordentlich die Trommelfelle durchzuraspeln, dann mache ich ein längliches Gesicht! Der genannte Fauxpas ist der Band leider mit 'Tage zusammen' und 'Freaks dieser Stadt' ausgerechnet am Schluss des Albums passiert. Sehr furchtbar finde ich auch 'Tut mir leid', das ich ganz sicher einer anderen Band zugeordnet hätte, wenn ich es nicht besser wüsste. Deutscher Laber-Pop at it's best oder worst, je nach Blickwinkel!
Waren das für mich die schlimmen Lieder von "Alles glänzt", so komme ich nun zum Mittelfeld, in dem sich das von einer saft- und kraftlos dahintrötenden Trompete eingeleitete 'Diese eine Liebe' an dritter Stelle des Albums quasi als Opener anbietet. Mitreissendes Lied mit etwas belangloser Melodie, die müde Tröte kommt auch noch in Schwung, passt! 'Gib mir mehr' mit seinem gelungenen konsumkritischen Text sehe ich aufgrund seiner vertrackten rhythmischen Komplexität trotz toller Gitarrenarbeit auch in diesem qualitativen Mittelteil des Albums, genau wie 'Irgendwann', das einen offenbar sehr persönlichen Inhalt hat, aber manchmal textlich und musikalisch etwas erzwungen wirkt.
Die Hälfte des Albums ist somit besprochen, es folgt also die gute Nachricht, dass ich die weiteren sechs Songs der Scheibe als gut bis sehr gut bezeichnen kann. Die ziemlich angebroilerte Ska-Nummer 'Komm mit aufs Boot' treibt einen voran, dass einem der Fahrtwind die Tränen die Wangen entlangpustet, während 'Angst zu erfrieren' eine etwas düstere Betrachtung der eigenen politischen Situation ergreifend und flott in Worte und Töne packt. Harscher und richtig ska-punkig wird es dann in 'Pass auf mich auf': Harter Text, harte Musik, flink hupende Blechbläser! So muss das!
Die nun noch verbliebenen drei Songs sind wirkliches Song-Gold: Sofort das erste Lied 'Kiddies im Block' packt trotzt leichtem Hip Hop-Flow im Gesang textlich und musikalisch alles bei den Eiern, was nicht bei drei die Straßenlaterne hochgeflüchtet ist. Richtig toll! Der nächste Kandidat dieser Kategorie ist 'Wenn's morgen vorbei ist', eine etwas selbstkritische Partyhymne, welche die geilste Zeile des Albums enthält: "Wer Zement durch die Nase zieht, wird heute Präsident!". Erinnert mich irgendwie an völlig wahnsinnige Parties in den Neunzigern und an bestimmte Kumpels. Ein geradezu schwermütiges, trauriges Lied haben die Jungs tatsächlich ebenfalls auf die Platte gepackt. Dazu muss ich anmerken, dass 'Wenn wir uns sehen' mir echte Gänsehaut verursacht, weil ich den Song richtig ergreifend finde, und zudem ernst nehmen kann. Der beste Track des Albums!
Eingespielt wurde die gesamte Scheibe astrein, wenn man mal von der einen oder anderen unmotiviert blechgeblasenen Tonspur absieht. Vor allem die Bassarbeit ist "Ado-Goldkante", also richtig gut und soundmäßig fein aufbereitet. Wahrscheinlich fehlt nicht nur mir aber insgesamt so eine Wahnsinnsnummer wie 'Komplett im Arsch' oder 'Alles auf Rausch' aus der Vergangenheit von FEINE SAHNE FISCHFILET. Da passt am ehesten noch 'Wenn's morgen vorbei ist' dazu, was sich bereits in den Streamingzahlen ausdrückt: Beim "Grünen Punkt" hat dieses Lied sich schon auf Platz drei hinter den beiden anderen genannten eingereiht.
- Note:
- 7.50
- Redakteur:
- Timo Reiser