FIDDLER´S GREEN - Nu Folk
Mehr über Fiddler´s Green
- Genre:
- Nu Folk
- Label:
- Deaf Shepherd
- Release:
- 06.10.2003
- Tarry Trousers
- Wild Life
- Shut Up And Dance
- Goldwatch Blues
- Fragile
- Johnson Boys/Cotton-Eyed Joe
- I'll Be There
- 1000 Million Pieces
- Nu Chicks
- Celebrate
- Popcorn
- Lullaby
- Make No War
- Part Of It
- Silence
Wenn man Rezensionen zu verfassen beginnt, lernt man, seine eigene Meinung in Zaum zu halten und die Dinge durch eine Brille des möglichst Objektiven zu erblicken. Information für den Lesern ist der oberste Primat und ... ähm ... wo war ich stehen geblieben? ... ach ja ... diese ist nicht gewährleistet, sofern die geschmackliche Auffassung des Redakteures in den Bericht mit einfließt. Die Glaubwürdigkeit, die ... hm ... Glaubwürdigkeit ... scheiß auf die Glaubwürdigkeit! Ich kann nicht mehr lügen, es ist stärker als ich! Die neue FIDDLER'S GREEN ist so geil, dass ich am liebsten alle Kopien dieser Welt aufkaufen, sie einschmelzen und in ihnen baden würde, um ihnen nahe zu sein. Ich würde mir einen Anzug aus dem Rest gießen lassen, um sie ständig bei mir tragen zu können. Ich würde ... ein mordsmäßiges Review nur zu Ehren dieses grandiosen Werkes verfassen. Ach? Dies ist sowas wie ein Review? Na, dann geht ja schon wenigstens ein Wunsch in Erfüllung.
"Nu Folk" ist eine ungeheure Mischung aus allem, was irgendwie knallt. Ska, Reggae, Polka, Rock und etwas hartes Metall sind vertreten, um nur eine grobe Auswahl zu nennen. Gepaart wird das alles auf eine witzige Weise mit grünem Irenfolk. Klingt das? Aber holla die Waldfee. Und dazu gibt's in einem netten Geschenkpack noch feine Produktion, nicht alltägliche Instrumente und viel, viel Kurzweil für den anspruchsvollen Kosmopoliten-Inselaner von heute. 'Tarry Trousers' als Opener führt schon einmal vor, was sechs Leute und zuviel Zeit anrichten können. Merkwürdigerweise gelingt der Spagat zwischem rockig-knatterndem Gassenhauer und geschmackvollem Harmoniearrangement. Wer sich jemals gefragt hat, wie z.B. ein Schifferklavier und eine Violine sich zu einem punkigen Kracher der Marke BAD RELIGION oder SOCIAL DISTORTION anhören würden, bekommt in 'Celebrate' eine schmucke Antwort, die einem ein Grinsen so tief in's Gesicht kratzt, dass selbst eine Woche Berliner Straßenverkehr das nicht austreiben können. Das diesem Kleinod auf den Fuß folgende 'Popcorn' wurstelt sich ebenso in den Gehörgang, mag es einigen von der Melodie allein her bekannt vorkommen. Was man jedoch daraus gemacht hat, ist ein Stück Hartwurst mit kräftigem Riffing und Donnerdrums, das dem Hörer eine weitere Besorgnis erregende Geometrie auf's Antlitz zaubert. Neben diesen, für Inselverhältnisse doch recht brachialen Tracks, findet sich eine schier unerschöpfliche Ansammlung an Ohrwürmern auf "Nu Folk". Erwähnt seien hier ganz besonders 'Shut Up And Dance', das tolle Donovan-Cover 'Goldwatch Blues' und 'I'll Be There' sowie das Instrumental 'Nu Chicks', allesamt unwahrscheinlich eingängige und Spaß machende Songs, die das Talent der grünen Fiedler im Songwriting beweist.
An Abende mit weiblicher Begleitung und Kerzenschein haben die Herren ebenso gedacht. Allen voran steht das seinem Namen alle Ehre machende 'Fragile', flankiert von einem zerbrechlichen Akustikfundament. Ähnlich geht es in 'Lullaby' zu (Damen-Schmuse-Faktor 90). Wem das noch nicht genug war, der darf beim fröhlichen Ska-Gehüpfe in 'Make No War' und auch ansatzweise in 'Wild Life', etwas zurückgelehnter und reggaesker in '1000 Million Pieces' noch einmal die Kinnlade auf den Boden knallen lassen. Augenzwinkernd packt 'Johnson Boys' die Hillybilly-Geige aus und fiedelt fröhlich-frisch das Thema aus 'Cotton-Eyed Joe' von REDNEX in Grund und Boden. Am Ende von "Nu Folk" wird es eher bedächtig. 'Part Of It' und 'Silence' bieten ungewöhnlich melancholisch-dunkle Melodien, doch auch diese stehen den Mannen von FIDDLER'S GREEN sehr gut zu Gesicht und es offenbart sich einmal mehr, welch Gesangstalent vorhanden ist. Wer nach diesem Sammelsurium aus Genialität noch gebannt und paralysiert vor seiner Anlage sitzen bleibt, erhält als Belohnung 'Jigs For Free', eine Art Bonustrack mit massenhaft Flair von Kleeblättern und reichlich Pints Ale.
"Nu Folk" ist ein Album, wie es einmal in zehn Jahren vorkommt. Bemerkenswerte Spielfreude und überragende Songs liefern sich ein Wettrennen, welches den Hörer in seinen eigenen Freudentränen ertrinken lässt. Keine Chance bleibt ungenutzt, den traditionsreichen Folk um Dimensionen zu erweitern, allem seinen eigenen Stempel aufzudrücken und auch noch für den nächsten Titel ein Ass im Ärmel zu haben. Grandios, grandios, das Ganze und eine vortreffliche Wahl für die in Rezensionen nur allzu oft bemühten Scheiben für die einsame Insel.
Gibt es hier irgendjemanden, welcher nichts mit ein wenig unbeschwertem Lebensgefühl der grünen Insula anfangen kann? Ich höre keine Widerworte. Und an Friede, Freude, Eierkuchen hat auch keiner was auszusetzen? Möchte ich euch auch geraten haben. Die Schlussfolgerung heißt ganz einfach: Kauft euch dieses Album, einmal, zweimal, fünfmal, egal. Seid ihr religiös? Dann könnt ihr auch bedingungslos zugreifen, denn: GOTT ist da drin.
Anspieltipps: Shut Up And Dance, Goldwatch Blues, Fragile, I'll Be There, Celebrate, Popcorn, Part Of It
- Redakteur:
- Lasse Rosenberger