FIELDS OF THE NEPHILIM - Fallen
Mehr über Fields Of The Nephilim
- Genre:
- Gothic
- Label:
- Oblivion / SPV
- Release:
- 07.10.2002
- Dead To The World
- From The Fire
- Thirst
- Darkcell AD
- Subsanity
- Hollow Doll
- Fallen
- Deeper
- Premonition
- One More Nightmare
"Car-Parks of the Nephilim" könnte man diese Veröffentlichung aus dem Jahre 2002 boshafterweise auch bezeichnen.
Denn wo man früher entweder unglaublich gefühlvoll in den Staub gemalte dunkelromantische Gothicballaden oder doch zumindest konsequent spartanisch gehaltene Wüstenreiterrocksongs vorgefunden hat, hört man neuerdings elektronisch überzeichnete und deutlich angespanntere Stücke, die zwar noch immer die morbide und latent übermüdete Grabesstimme von ehedem atmen, doch letztendlich nicht mehr ganz so konsequent die Stimmungsgemälde früherer Zeiten fortzuführen vermögen. Irgendwie zu hektisch, effektüberpflastert, in ein festes Korsett betoniert klingen einige der neuen Stücke.
Es scheint fast so, als hätten auch die Nachkommen aus der Unzucht von Himmelsgeschöpfen und Fleischesweibern unter den Übeln moderner Zeiten zu leiden. So klingen die neuen Songs deutlich zerrissener, obschon die alten Harmonien auch auf diesem Werk noch unverkennbar nachleuchten. Zudem sind die Nephilim inzwischen auf Carl McCoy und Tony Pettitt zusammengeschrumpft, und die Gebrüder Wright tauchen nur noch am Rande auf.
Wer FIELDS OF THE NEPHILIM tatsächlich noch gar nicht kennen sollte, möge für diese Aufnahme mangels treffenderer Vergleichsmöglichkeiten des Rezensenten vorerst mit einem Hilfskonstrukt aus deutlich ausgefeilteren JOY DIVISION-Tönen in einem noch etwas schwärzer angekohlten SISTERS OF MERCY-Klanggewand vorlieb nehmen. Davon, gut damit beraten zu sein, sich einmal das eigentlich doch ganz anders klingende Frühwerk der Nephilim selbst zu Gemüte zu führen, entbindet das freilich nicht.
Aber hier soll es ja um "Fallen" gehen ...
Die Gitarren auf 'Dead To The World' klingen ungewöhnlich heavy, und auch das Schlagzeugspiel ertönt seltsam monoton und verhärtet. Das Stück selbst ist nicht viel mehr als ein Intro, beinahe instrumental gehalten, von einigen bedrohlich geatmeten menschlichen Lauten einmal abgesehen. Einige kalte, elektronische Elemente wurden unter das zweite Stück 'From The Fire' gemischt; kennt man die alten Nephilimaufnahmen, so mutet dies ziemlich ungewöhnlich an, und wird dem einen oder anderen Hörer wohl auch sauer aufstoßen. Neueinsteiger werden dagen möglicherweise gerade diese Verbindung von nachgerade klassisch zu nennendem Gothic mit einer moderneren Produktion begrüßen. Der langsam rufende Gesang, welcher immer wieder in guttural tiefere Gefilde abrutscht, kann jedenfalls überzeugen und verleiht der sonst eher schlichten Musik erst ihre humusreiche, anheimelnd modrige Atmosphäre; einer der besseren Songs des Albums.
'Thirst' kommt ebenfalls im beinahe typischen Fields-Sound daher, hätte allerdings noch etwas abwechslungsreicher ausfallen können; mich beschleicht das Gefühl, als hätte man sich hier mangels ausgereifterer Ideen selbst kopiert; einige neumodische Effekte auf der ohnehin recht beeindruckenden Stimme können zumindest bei mir nicht punkten - hier hätte ich mir dann doch lieber weniger Make-up und dafür noch etwas mehr Gefühl gewünscht. Hätten die Fields das Tempo ein wenig heruntergeschraubt und zudem noch ein paar langgezogene, mehlstaubbesetzte und basslastig durchnebelte Arabesken eingebaut, so wäre das Stück auch diverser früherer Veröffentlichungen würdig gewesen. So jedoch trabt es allenfalls gemächlich in der gehobenen Mittelklasse mit. 'Darkness AD' bietet mit wummrig schlummerndem Basslauf, müdem Grabesgesang und brutzelnden Gitarren allerdings wieder die seit ehedem gewohnte akustische Kost aus trockenen Mottenlarven, angekokeltem Pergament und modrigen Spinnweben.
So weit so mittelprächtig, also.
Bei 'Subsanity' geben sich die Nephilim erstmals ledernackig; trockene doch harte Riffs, prasselnde Drums, eine gediegene Echo-Patina auf den bedrohlich lässig hinterm geheimnisvollen Keyboardvorhang hervorpendelnden Messingschneiden ihrer Gitarrendolche, sowie nunmals kraftvoll rufender, dann wiederum verdorben gurgelnder Gesang verwöhnen das Ohr mit einer selten gehörten und durchaus atmosphärischen Melange, die beinahe nahtlos an den alten Klassiker 'Power' anzuknüpfen vermag. 'Hollow Doll' gemahnt schließlich nahezu vollkommen an alte Meisterwerke wie 'Psychonaut Lib 111' - gediegen, atmosphärisch und melodiös.
Dann jedoch erwarten die Hörerschaft in 'Fallen' starke Metaleinflüsse mit unvorbereitet modern und maschinell klingendem Drumming. Zugleich ist damit der musikalische Qualitätsabfall des letzten Drittels eingeleitet: Flache, harte Drums und eine zu hohe Geschwindigkeit zerstören die Atmosphäre von 'Deeper', welches weder so richtig tanzbar ist noch die typische Stimmung einer richtigen FIELDS-Komposition aufkommen lässt. 'Premonition' ist bloß ein kurzes, instrumental gehaltenes und recht ereignisarmes Zwischenspiel, welches zum Abschluss immerhin in ein gelungeneres Experiment namens 'One More Nightmare (Trees Come Down AD)' mündet: Klassisch pendelnde Gothgitarren, ein elektronisch vercyberter Beat, konstant im Hintergrund brennende oder gar richtiggehend sägende Riffs und eine rufende Grabesstimme machen das Stück nämlich trotz seiner modernen Einflüsse zu einem atmosphärischen Kracher und lassen den fiesen Bastard aus alten wie neuen Elementen schöpfen.
Der Genius älterer Werke bleibt also leider aus, auch wenn mit dem für die Band klassischen 'Hollow Doll' und dem etwas heftigeren 'Subsanity' sich durchaus ein paar echte Perlen auf "Fallen" befinden: Die dezenten Elektro- und Metal-Anteile wurden leider nicht immer passend in den seit jeher angestammten Sound der FIELDS integriert.
Für Quereinsteiger, die vom Rock her kommen, ist das sicherlich keine üble Gothicscheibe, und überhaupt ist das Teil auch sonst wirklich gut durchhörbar; sollte man jedoch so streng sein, es am Frühwerk der Band messen zu wollen, so sollte man sich besser auf eine (wenn auch milde) Enttäuschung vorbereiten. Früher hätten die Jungs diese Songs wohl einfach noch ein bisschen besser ausgefeilt. Abschließend lässt sich sagen, dass sich auf "Fallen" sowohl Licht als auch Schatten finden lassen - und sei es bloß, um hier einmal mehr den Versuch zu unternehmen, eine in Rezensionen anscheinend unvermeidlich wiederkehrende Phrase nunmehr vielleicht dennoch (endgültig) totzudreschen.
Anspieltipps: Subsanity, Hollow Doll, One More Nightmare (Trees Come Down AD)
- Redakteur:
- Eike Schmitz