FJOERGYN - Ernte im Herbst
Mehr über Fjoergyn
- Genre:
- Pagan Metal mit Klassik-Einflüssen
- Label:
- Black Attakk / Soulfood
- Release:
- 25.04.2005
- Monolog der Natur
- Vom Tod der Träume
- Fjoergyn
- Der Tag der Wölfe
- Des Winters Schmach
- Wenn Stürme ruhen
- Abendwache
- Veritas Dolet
- Ernte im Herbst
- Requiem
Die "Ernte im Herbst" des thüringischen Duos FJOERGYN (in der isländischen Mythologie der Name von Mutter Natur) ist ein Konzeptalbum über die Einsicht der Natur, dass ihr fortgeschrittenstes Produkt, der Mensch, zur Plage geworden und deshalb reif zur Ernte sei. So beschreibt das Album, wie die Natur ihren Plan, sich der Menschheit zu entledigen, in die Tat umsetzt. Musikalisch findet diese Endzeitfantasie der etwas anderen Art Ausdruck in sehr anmutigen, epischen Klängen, orchestralen Arrangements und durchaus auch in wohldosierter metallischer Härte. Hierbei gibt es zwar gewisse Parallelen zum Black Metal, aber die Band lässt sich in keiner Weise darauf limitieren. Eigentlich sind die schwarzmetallischen Elemente sogar relativ rudimentär und treten weit hinter die Einflüsse aus den Bereichen Klassik, Soundtrack und Ambient zurück. Lediglich der oft keifende Kreischgesang ist klar der schwarzen Zunft zuzuordnen. Doch auch dieser ist nicht allein auf weiter Flur. Mastermind Stephan L. wendet auch viele andere, oft klare, emotionale Gesangsstile und wuchtige Chorpassagen an, welche FJOERGYN weitere Dimensionen erschließen und mehr Tiefgang verleihen. Das musikalische Rückgrat der Band sind orchestrale Keyboardarrangements, welche die Gitarrenarbeit teils sehr gut ergänzen, sie manchmal aber auch dominieren. Das mag manche Metalheads der alten Schule abschrecken, ist aber ein charakteristisches Merkmal des FJOERGYN-Stils und als solches auch eine Bereicherung. Wer FALKENBACH kennt und schätzt, wird verstehen können, was ich meine.
Gerade das Werk von Vratyas Vakyas ist es, das man neben der Klassik als einen der Haupteinflüsse von FJOERGYN vermuten könnte. Die folkloristische, naturverbundene Epik, die dramatischen Keyboards, der Wechselgesang zwischen klar und keifend, der Einsatz von Luren- und Posaunenklängen etc. Dazu kommt ein starker Hang zur Klassik oder speziell einige an Wagner-Opern erinnernde Melodien, die der für ein Debütalbum wirklich sehr ausgereift klingenden und hervorragend produzierten "Ernte im Herbst" einen erhabenen Bombast verleihen, der seinesgleichen sucht. Nach dem orchestralen Intro 'Monolog der Natur' folgt mit dem anfangs recht schnellen, dann stark abgebremsten 'Vom Tod der Träume' ein Stück, das zuerst ein traumhaftes Naturidyll beschreibt, dies aber im zweiten Teil brutal zerbersten lässt. Beim folgenden Epos 'Fjoergyn' atmet besonders der Refrain in punkto Rhythmik und Dramaturgie spürbar den Geist von FALKENBACH, doch auch das Finale mit seinem stark folkloristischen Einschlag ist erwähnenswert. Schön bizarr wirkt das sehr harmonische, fast an ein Kinderlied erinnernde Intro zum 'Tag der Wölfe', das erstaunlicherweise mit den klarsten Gesangspassagen aufwarten kann, die jedoch von bedrohlichem Flüstern und Glockenschlägen abgelöst werden, bevor das Tempo spürbar anzieht und das Stück in ein finsteres schwarzmetallisches Inferno münden lässt. 'Des Winters Schmach' ist zunächst wieder stark vom Keyboard dominiert, entfaltet dann aber eine ordentliche metallische Dynamik im gehobenen Tempo. Mit 'Wenn Stürme ruhen' folgt ein ruhiges, rein orchestrales Zwischenspiel mit viel Piano, welches auf die düstere, leicht doomige 'Abendwache' vorbereitet, die auch mit spielerischen, mittelalterlichen Melodien ankommt. Bei 'Veritas Dolet' zeigen sich die Jungs von FJOERGYN von ihrer schwarzmetallischsten und rifforientiertesten Seite, haben aber durch die folkloristische Melodik und den rhythmischen Drive auch gewisse Parallelen zur aktuellen finnischen Pagan-Welle und kommen mit einem kurzen Solo an, das auch diversen Melodic-Metal-Bands gut zu Gesicht stünde, bevor sie das Stück in einem akustischen Abschnitt mit geflüstertem Gesang fast wie ein Schlaflied enden lassen. Das große Highlight stellt jedoch ohne Frage das Titelstück dar, welches das akustische Gitarrenmotiv des Vorgängers aufgreift, erneut streckenweise FALKENBACH zitiert und mit seinen Chören sehr intensiv und monumental wirkt. Mit 'Requiem' endet das Album finster und desillusioniert; was die Betonung der Worte angeht, hier und da mit leichten Anklängen an RAMMSTEIN. Zudem überrascht es mit einer Adaption von Beethovens 'Ode an die Freude'.
"Ernte im Herbst" ist alles in allem ein sehr atmosphärisches, vielschichtiges Werk mit interessantem Konzept, das sehr wohl durchdacht wirkt und Anhängern von FALKENBACH und den epischen BATHORY genauso zusagen dürfte wie Leuten, die auf die Fusion von Metal und Klassik stehen, dabei aber die düstere Art den zuckersüßen Varianten des Power Metal vorziehen. Sicher wird manche Hörer der Drumcomputer stören, andere die keifenden Vocals und die dritte Gruppe die Tatsache, dass die Orchestrierung synthetischer Art ist. Dazu sei gesagt, dass mich keines dieser "Probleme" stört, da das Gesamtwerk in sich stimmig ist und wie aus einem Guss wirkt. Das Einzige, was ich wirklich verbesserungswürdig finde, ist, dass FJOERGYN die wirklich guten, fast durchwegs in Deutsch verfassten Texte ein wenig verständlicher hätten gestalten können. Der Gesang ist zwar anhand der Lyrics gut nachvollziehbar, doch ich finde, dass solch bedeutungsschwangere Lyrik noch besser und dramatischer wirkt, wenn man sie vollständig ohne Textblatt verstehen kann. Ansonsten kann ich das Werk aber jedem empfehlen, der sich durch die oben genannten Merkmale des FJOERGYN-Sounds angesprochen fühlt.
Anspieltipps: Vom Tod der Träume, Fjoergyn, Ernte im Herbst
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle