FYRNASK - Eldir Nótt
Mehr über Fyrnask
- Genre:
- Ambient/ Black Metal
- ∅-Note:
- 10.00
- Label:
- Temple Of Torturos
- Release:
- 23.10.2013
- Intro
- Vigil
- Jardheldr
- Suonnas Sedir
- Saltrian
- Samas Stigr
- Síaidha
- Sút
Aus der grimmen Urgewalt des nächtlichen Nordens die Sonne beschwören
Wo ist dein Feuer, deutscher Black Metal? Häufig wird sie gestellt, diese Frage, meistens eher rhetorisch spottend oder traurig und es wird gesagt, so eines hat es nie gegeben – ich halte das für haltloses Geschwätz. So viel Schatten es in der Historie deutschen Black Metals gab, so groß leuchten auch die hehren Flammen einer Zahl mitreißender, höchst-qualitativer Veröffentlichungen – und sie mehren sich. Streiter gehen, wie z.B. HAGAL, andere kommen und tragen weiterhin das Feuer in die Nacht, anstatt sich in der Asche alter Meister zu suhlen. So eine Flamme, in der sich Feuer und winterliches Eis vereint, ist FYRNASK und ihr zweites Album "Eldir Nótt" aktueller Ausdruck dessen.
Ein Gong, sanftes Ambient-Rauschen, später sonore E-Gitarre und klarer, fast schon choral-artig anmutender Gesang schaffen eine sakrale Atmosphäre, die schließlich nahtlos in - nie pathetische! - archaisch-kultische Nordland-Sphären überleitet. Dann bricht mit 'Vigil' ein Sturm los, der seinesgleichen sucht: Rasender Black Metal, das – keineswegs ruhige – Auge in einem Sturm aus Hall, Klangweiten und –gebirgen, die sich um den sich willig fallen lassenden Hörer auftürmen. Ruhe wird im weiteren Verlauf des Stückes gefunden, welches sich zur Mitte hin sammelt, um langsam und hypnotisch wieder Spannung aufzubauen und wieder wie ein Orkan hereinzubrechen. Solcherart ist das Erleben dieses Albums, hypnotisch in seiner Monotonie, aufwühlend in der leicht chaotisch anmutenden Raserei. Das Folgende 'Jarðeldr' beginnt im Gegensatz dazu, das eher ruhige Ende des Vorgängers aufnehmend, verhalten, es ertönt etwas Horn-artiges und frostige Gitarren gesellen sich zu diesem Mantra hinzu, welches abrupt ausbricht und im Weiteren zwischen rhythmischer Prägnanz und flächigen, eher schleppenden Gitarrenteppichen mäandert. Im zweiten Drittel wird ein weiteres Break dazu benutzt, um mit diversen Streichern dem Ganzen neue Klangfarben hinzuzufügen. Einen wohlgesetzten Ruhepol aus Ambient/Ritual und dezentem Neofolk bildet sodann 'Suonnas Sedir', bevor 'Saltrian' den Abgrund aufs Neue öffnet und der Orkan mit einer das Vorherige noch einmal übersteigenden Intensität losbricht. Die ungehemmt auf den Hörer einpeitschende Mischung aus messerscharfen, eiskalten Black Metal und stellenweise rohesten Death-Metal-Riffing erinnert dabei dezent an die Legende DRAUTRAN (deren Jorge "Blutaar" übrigens den Text zu 'Vigil' verfasste). Das Instrumental 'Samas Stigr' weckt dann, neben den ein- und ausleitenden Stücken, besonders Erinnerungen an WARDRUNA, wobei der "Ambient-Faktor" hier noch weiter im Vordergrund steht, so archaisch die verwendete Folklore ohnehin schon ist. Über das 10-Minütige Epos 'Saíða' - mit angehängtem Ausklang 'Sút' - großartig Worte zu verlieren, wäre redundant. Schon die obigen Versuche ungefähren Einblick in die Musik FYRNASKs zu geben, sind mehr denn je zu kläglichem Scheitern verurteilt und würden sich hier nur wiederholen. Ich möchte schweigen und fort von dieser Welt gehen, alleine sein mit dieser Musik.
Aber es hilft nichts und in diesen Zeiten iwrd lieber Etwas als Garnichts zu solch großartiger Musik gesagt. Wichtig, auch nur zur rudimentären Erfassung der vorherrschenden Atmosphäre, ist die Art und Weise, wie die Musik hier im Verhältnis zum Sound steht. Dass "Unterproduktion" im Black Metal nicht (immer) Stümperei sein soll, sondern Mittel zum Zweck ist, ist allgemein bekannt. "Eldir Nótt" ist ein offensichtliches Beispiel hierfür und dabei wahnsinnig gut, da der Sound keine Mängel aufweist. Es ist vielmehr so, als ob man Black Metal hören würde, der als Ambient komponiert worden ist (wie es ja häufig bei den sogenannten "Atmospheric Black Metal-Bands" im Kielwasser von WOLVE IN THE THRONE ROOM der Fall ist), natürlich nocheinmal verstärkt durch die Verwendung eigentlicher Ambient-Elemente.
Dass die acht Stücke bei all der harschen, ungehemmten Gewalt aufs Vorzüglichste komponiert sind und trotz der Monotonie und Übersteuerung im Sound nie an Stringenz verlieren, sollte nach dem Gesagten selbstverständlich sein. Das heißt insbesondere, dass der Komponist die Kunst beherrscht, die Übergänge zwischen verzerrt/akustisch, Metal/Folk/Ambient usw., also die Übergänge zwischen den Kontrasten auf verschiedenen Ebenen nahtlos zu gestalten, so dass sie immer ein organisches Ganzes bilden. Dabei werden neben der klassischen Bandbesetzung auch Instrumente wie eine Gambe, Klangschalen oder ein Harmonium zum Einsatz gebracht.
Verbinde die monotone Kälte (alter) HELRUNAR mit der manischen Raserei von DRAUTRAN und der archaischen Tiefe NEGURA BUNGETs, sowie einer aufs wesentlichste reduzierten Umsetzung von "folklorisch" angehauchtem Ambient, vergleichbar mit ÁRSTÍƉIR LÍFSINS und WARDRUNA. Hinzu kommt generell das Gespür aller fünf für die Tiefe des Mythologischen, im Gegensatz zum Mummenschanz-Heidentum anderer Bands, und man hat eine ungefähre Vorstellung davon, wie FYRNASK klingt. Dabei ist "Eldir Nótt" nie der müde Versuch, zu imitieren, sondern wird vielmehr vom gleichen Geist beseelt, wie die genannten Bands und das auf demselben künstlerischen Niveau.
Schon der Titel spricht Bände: Dies ist ein nächtliches Album, wenn auch kein negatives. Von 'Vigil', der Nachtwache, die hier kein Schlusspunkt ist, sondern der Anfang, geht es weiter Richtung Morgen. Das archaische Portrait einer Gesellschaft, die sich nach Tag sehnt und die Sonne beschwört, bildet den spirituell-rituellen Hintergrund des Albums. Und genau so, wie ein Ritual in einem bestimmten Rahmen gehalten werden muss und nicht unterbrochen werden darf, fällt es schwer, "Eldir Nótt" in Teilen zu hören – selbst wenn man beispielsweise 'Saltrian' herauslösen könnte. Zu viel geht von der Atmosphäre verloren, die sich nur im kompletten Spannungsbogen von 'Intro' bis 'Sút' wirklich entfaltet. Suche Einsamkeit, um zu hören, ob in Dämmerlicht, vollkommener Dunkelheit oder grau-weiß verschneiten Weiten. Und Stille umher.
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Christian Schwarzer