GAMMA RAY - No World Order
Mehr über Gamma Ray
- Genre:
- Melodic Speed
- Induction
- Dethrone Tyranny
- The Heart Of The Unicorn
- Heaven Or Hell
- New World Order
- Damn The Machine
- Solid
- Fire Below
- Follow Me
- Eagle
- Lake Of Tears
Lang ersehnt und endlich eingetroffen: Im regelmäßigen Abstand von zwei Jahren bringen Deutschlands Vorzeige Melodic Speed-Metaller GAMMA RAY nun seit 12 Jahren pünktlich ein neues Studioalbum auf den Markt. Zeit für einen Rückblick !
Mit den ersten drei Alben "Heading For Tomorrow", "Sigh No More" und "Insanity And Genius" erschuf man zwar durchwegs gute bis sehr gute Werke, die jedoch deutlich zeigten, daß man hier eine Band vor sich hatte, die ihren eigenen Stil erst noch finden muss. Doch gerade die Experimentierfreudigkeit macht den Charme von Alben wie "Sigh No More" schließlich aus.
Mit dem nächsten Dreierpack "Land Of The Free", "Somewhere Out In Space" und "Powerplant" hatte die Band den eigenen Stil und Kai Hansen den Weg zurück zum Mikro gefunden. Heraus kamen drei Alben, die in keiner Metalsammlung fehlen sollten. Mit dem Best-Of Album "Blast From The Past" liess man die vergangenen zehn Jahre noch einmal Revue passieren und bereitet den Weg für das Jahr 2001 vor, welches mit "No World Order" wieder für einige Überraschungen sorgen sollte.
GAMMA RAY haben die eng gesteckten Grenzen des Melodic Speed-Sektors erkannt und verzichteten glücklicherweise darauf, sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen und einen lauwarmen "Powerplant"-Aufguss abzuliefern. "New Wave Of British Heavy Metal" heisst das Zauberwort und so sind Vergleiche insbesondere mit JUDAS PRIEST nicht von der Hand zu weisen.
GAMMA RAY haben die auf den letzten Alben teilweise noch vorhandenen "Kindergartenmelodien" kurzerhand über Bord geschmissen und präsentieren mit "No World Order" ein ausgereiftes Stück Musik, welches die Härte und den Arschtritt-Faktor alter PRIEST mit dem typischen GAMMA RAY-Charme verbindet und zu einer homogenen Einheit verschmelzen lässt.
Mit dem grandiosen Intro "Induction" und dem nahtlos übergehenden "Dethrone Tyranny" gibt man sich jedoch noch nicht die Blöße, von dem ursprünglichen Stil abgekommen zu sein. "Dethrone Tyranny" ist ein typischer GAMMA RAY-Stampfer, der am ehesten an die "Powerplant"-Phase erinnert, wobei im Refrain jedoch eindeutig von "No Return" vom "Insanity And Genius"-Album abgekupfert wurde.
Alles ändert sich schlagartig mit dem folgenden "The Heart Of The Unicorn", welches ohne Abstriche an die "Painkiller"-Phase von JUDAS PRIEST herankommt. Beißende Riffs, ein fettes, kraftvolles Drumming und insbesondere die Stimme von Hansen zu Beginn des Liedes (Halford lässt grüssen) zwingen zum ausgelassenen Bangen und stellen die letzten Alben der einstigen NWoBHM-Heroes weit in den Schatten.
Im selben Stil (mal etwas sanfter wie bei "Heaven Or Hell", mal härter und entschlossener wie bei "Damn The Machine" oder "Solid") zieht sich der neue, alte Stil durch die ersten zehn Tracks durch, bis man schließlich mit "Lake Of Tears" als krönenden Abschluss eine von Henjo Richter geschriebene Ballade vor den Latz geknallt bekommt, die mit Schmalzgitarren und einem durchgehend dreistimmigem Gesang die Herzen der Hörer erobern und zerschmelzen lassen soll.
An dieser Stelle könnte jetzt der abschließende Spruch "GAMMA RAY haben ihr stärkstes Album fabriziert ! Kaufen ! Kaufen ! Kaufen!" stehen... Tut er aber nicht !
Isoliert betrachtet ist "No World Order" zwar ein sehr gutes Album und insbesondere der kleine Stilwechsel inklusive seiner erfrischenden Aggressivität ist den Hanseaten positiv zuzurechnen. Weiterhin liegt das technische Niveau von "No World Order" klar über dem seiner Vorgänger während einem zeitgleich die Geschlossenheit der Band förmlich ins Gesicht springt. Auf der anderen Seite der Waage stehen leider auch ein paar gewichtige Umstände, die es zu berücksichtigen gibt.
So ist bei aller Härte (der ich nun wahrlich nicht negativ gegenüber stehe) das Gespür für die GAMMA RAY-Magie und gefühlvolle, ergreifende Parts verlorengegangen. "No World Order" ist ein Album, das einem kompromisslos und ohne nachzufragen in den Arsch tritt, was sich insbesondere live auf der kommenden Tour unter Beweis stellen wird. Es ist jedoch schade, daß man bis auf wenige Ausnahmen die so liebgewonnenen Stellen vermisst, zu denen man sich zwar nicht das Hirn aus dem Kopf bangen kann, die einen jedoch immer wieder aufs Neue begeistern und selig lächelnd in sich versinken lassen.
Weiterhin fehlen auf "No World Order" Songs, bei denen man sich vorstellen kann, daß sie bereits in naher Zukunft zu den GAMMA RAY-Klassikern der Marke "Heaven Can Wait", "Rebellion In Dreamland" oder "Somewhere Out In Space" gezählt werden können. Einen wuchtigen, imposanten, durchdachten Epos à la "Heading For Tomorrow" oder "Armageddon" vermisst man auch schmerzlich und sieht sich statt dessen mit, für GAMMA RAY-Verhältnisse, eher mittelmäßigen Liedern wie "Damn The Machine" oder "Fire Below" konfrontiert. Zudem hat Kai Hansen stimmlich nachgelassen und präsentiert sein Organ des öfteren in enttäuschend eingeschränktem Zustand.
Fazit: "No World Order" ist gesamt betrachtet das härteste Album, das GAMMA RAY hervorgebracht haben. Technisch über alle Zweifel erhaben und mit einem deutlichen Hang zu JUDAS PRIEST können mit Sicherheit neue Fans gewonnen werden, denen die bisherigen Outputs immer zu brav über die Lautsprecher kamen.
Objektiv gesehen handelt es sich jedoch um eins der schlechteren GAMMA RAY-Alben. Zwei Durchhäng-Songs und das Fehlen des einen oder anderen Überhammers, sowie der partielle Verlust der für GAMMA RAY so typischen magischen Stellen, die den unvergleichlichen Charme dieser Combo ausmachen sorgen dafür, daß "No World Order" gegen "Powerplant", "Land Of The Free" und auch "Heading For Tomorrow" nicht ganz bestehen kann.
Trotzdem bleibt ein definitiv gutklassiges Album zurück, in das man unbedingt reinhören sollte. GAMMA RAY-Fans können sowieso blind kaufen, da es praktisch ein Ding der Unmöglichkeit ist, daß Kai Hansen und seine Mannen ein schwaches Album herausbringen.
Anspieltips: Dethrone Tyranny, Follow Me, Lake Of Tears
- Redakteur:
- Christian Debes