GAZPACHO - Demon
Mehr über Gazpacho
- Genre:
- New Artrock, Progressive Rock
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Kscope/Snapper
- Release:
- 17.03.2014
- I've Been Walking Part 1
- The Wizard Of Altai Mountain
- I've Been Walking Part 2
- Death Room
Auf der Spur einer uralten, bösen Präsenz
GAZPACHO ist eine wundervolle Band. Für alle, die das noch nicht wissen, sei dies hiermit gesagt. Schon anno 2004, im Vorprogramm von MARILLION (es war die "Marbles"-Tour) fielen mir diese Norweger auf. Ich dachte damals an eine sanftere und poppigere Variante von KATATONIA, doch dieser erste Live-Eindruck erwies sich beim Anhören der dort erworbenen CDs "When Earth Let's Go" und "Bravo" als falsch. Die Alben gehen eher in die BLACKFIELD-Richtung, schöner verträumter Artpop mit damals schon tollem Gesang, aber kompositorisch noch einiger Luft nach oben.
In den letzten zehn Jahren sind die Jungs von GAZPACHO dann immer mehr zu Erzählern tiefgründiger Konzept-Geschichten geworden, und ihre Musik wurde ausladender, ausschweifender und ausgereifter. Das Konzeptalbum "Night" (2007) heimste in Szenekreisen Höchstnoten ein und gilt bei den Fans bislang als der Meilenstein. Es folgten "Tick Tock" (2009), "Missa Antropos" (2010) und "March Of Ghosts" (2012). Alle Alben erzählen nachdenkliche, poetische Geschichten über kleine und große Dinge des Lebens und die Poesie der Alben ist der Band genauso wichtig wie die Musik. Diese entpuppt sich auch live als absolut einnehmend und 2009 war man sogar Headliner auf dem renommierten NIGHT OF THE PROG-Festival nahe der Loreley (auch nachzuhören auf der Live-DVD "A Night At Loreley").
Auch "Demon" ist eine Konzeptstory, in die GAZPACHO wieder viel Arbeit und Herzblut investiert hat. Thematisch ist man diesmal der Präsenz eines uralten, bösen Dämons auf der Spur. Man hat in einem Prager Appartement ein verrücktes Tagebuch über ihn gefunden, und die Band setzt sich nun mit diesem unheimlichen Manuskript auseinander.
Das Thema ist also diesmal sehr düster, es ist aber nicht so, dass die Norweger jetzt wie diverse andere Landsleute den Tritonus für sich entdecken und ihre feinfühlige Musik mit Metalgitarren verhärten würden. Nein, ganz behutsam nähert man sich dem Wesen des Dämons. Mit Pianoklängen, Akustikgitarren und der zarten, tiefgründigen Stimme von Jan-Henrik Ohme, schleicht sich GAZPACHO an den Dämon heran. Die Musik vermittelt das Gefühl, man würde sich in einer antiken Bibliothek befinden, in uralten Büchern wälzen und geheimnisvolle Erzählungen entdecken. Immer wieder schwillt die Intensität an und wieder ab ('I've Been Walking Pt. I) und unmerklich gerät man langsam in einen Sog, sanft aber stetig. Denn GAZPACHO schafft es, Bilder in den Gedanken des Hörers zu erschaffen. Auf einmal ist man auf dem Jahrmarkt mit Fiedel und Akkordeon ('The Wizard Of Altai Mountain'). Doch Ohme kommt der dämonischen Präsenz in der Folge immer näher. Aber ist diese wirklich böse? Oder nur traurig, einsam und allein? Fast zerbrechlich wirkt Ohmes Stimme jetzt, wenn sie so klingt als käme sie aus einem uralten Radio und das Piano wird fast nur gestreichelt ('I've Been Walking Pt. II'). Doch unheilvolle Akkorde brechen nun wieder und wieder über den Hörer ein und wenn Ohme laut wird, ist man völlig gefesselt. Ja, GAZPACHO zelebriert die Kunst des dynamischen Arrangierens zur Perfektion! Eine Schande, dass man zur Rezension nicht das fertige Produkt mit Cover und Texten vorliegen hat. Aber bald...
'Death Room' ist dann schon der Achtzehnminüter, der "Demon" abschliesst. Die Musik wird nun beschwörender und betörender, und kurze dissonante Bogenstriche auf der Geige erhöhen die Geisterhausatmosphäre. Ohme weint jetzt fast, man spürt Verzweiflung und innere Zerissenheit. Ohme ist ein singender Schauspieler und spätestens jetzt sehe ich ihn mit MARILLIONs "H" auf Augenhöhe. Das Stück ist aber nicht mehr ganz so wandlungsfähig wie die Lieder davor, es setzt eher auf eine immer intensiver werdende Spannung, setzt auf eine dunkle aber immer auch märchenhafte Stimmung, so als würde man durch eine verregnete englische Kleinstadt in den Zwanzigerjahren laufen und sich vorstellen, dass hinter jeder Tür ein anderes kleines Wunder steckt. Mit GAZPACHO könnt ihr hinter diese Türen schauen und das Wunder steckt in der Musik. Fabelhaft!
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Thomas Becker