GEHENNA - Unravel
Auch im Soundcheck: Soundcheck 10/2013
Mehr über Gehenna
- Genre:
- Black Metal
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- Indie Rec (Edel)
- Release:
- 11.10.2013
- The Decision
- Unravel
- Nothing Deserves Worship
- Nine Circles Of Torture
- A Grave Of Thoughts
- Lead To The Pyre
- End Ritual
- Death Enters
Zum 20. Jubiläum gelingt Sanrabb und Co. nach acht Jahren Pause ein großer Wurf.
GEHENNA ist eine Band, die nur mit Weile eilt. Nach dem nicht ganz geglückten Death-Metal-Ausflug "Murder" aus dem Jahre 2000 dauerte es fünf Jahre, bis sich die Band mit "WW" auf schwarzmetallische Pfade zurück begab, und danach war dann wieder völlige Stille. Viele mögen die Band aus Stavanger längst in den ewigen Jagdgründen vermutet haben, da kommt nach acht kargen Jahren relativ unerwartet mit "Unravel" ein Comeback der besonderen Art. Schon das Artwork mit einen wunderbaren Totentanz-Artwork im Stile der Renaissance lässt pünktlich zum zwanzigsten Jubiläum der Truppe Großes erahnen, und genau das findet sich auf der Scheibe auch wieder.
Ein dräuendes, dunkles Intro vom Piano setzt gleich zu Beginn die richtige Stimmung, die sich als apokalyptisch und bedrohlich beschreiben lässt. Zaghaft setzen kurze militärische Trommelwirbel ein, bevor nach einer Minute die Saitenfraktion wuchtig, voluminös und sehr basslastig mit massiven Akkorden einsetzt, die lange ausklingen dürfen und eine doomige Horrortrip-Atmosphäre herauf beschwören, bevor Mastermind, Gitarrist und Sänger Sanrabb seine unverkennbare, ebenfalls voluminöse und sehr dunkle, dabei aber stets verständlich shoutende Stimme erhebt. Der Opener 'The Decision' ist ein sich doomig dahin schleppendes, urgewaltiges Manifest mit stoischen Riffs, die alles zermalmen und einer durch die Stimme bedrohlichst beschworenen Schicksalhaftigkeit, dass man glauben mag, die Band sei wahrlich gesandt, um den jüngsten Tag herauf zu beschwören.
Das folgende Titelstück gibt sich sodann in einem ähnlichen Klanggewand, doch musikalisch völlig anders geprägt. Das Tempo wird massiv angezogen, die Gitarren erleben streckenweise einen Strumming-Orkan, doch der martialische Duktus der Musik bleibt erhalten. Auch in der doppelten Geschwindigkeit und mit flirrenden Riffs verfällt die Band weder in chaotisches Blasten noch in konturloses Lärmen. Das Lied ist strukturiert, setzt durch geschickte und wirkungsvolle Tempobremsen beeindruckende Kontrapunkte und es lässt auch einigen Raum für hinterhältige Gitarrenmelodien. Diesen Aufbau kehrt das von einem typisch norwegischen Groove und Melodiebogen im Hauptriff lebende 'Nothing Deserves Worship' um, ist es doch zunächst eher getragen dominiert, während es im weiteren Verlauf massiv an Tempo zulegt und aggressiv ausbricht, bevor es zum Ende hin in eine episch-melodische Riff-Struktur verfällt, die schon für die ganz frühen GEHENNA-Werke charakteristisch war.
Wir sehen, dass die Band abwechslungsreich zu Werke schreitet und sich nicht auf Schema F verlässt. Unabhängig davon, wie lange der Songwriting- und Aufnahmeprozess nun genau gedauert haben mag, fühlt sich das Album ausgereift und durchdacht an, dabei aber dennoch enthusiastisch und hungrig. Wo manches Mal eine zu lange kreative Pause ein totgestyltes Album gebiert, da gibt es andererseits auch Fälle, in welchen es eine solche Auszeit erst ermöglicht, wieder die Begeisterung für den Schaffensprozess zu finden, und genau so klingt die neue GEHENNA für mich. Schien die Band in Zeiten schnellerer Veröffentlichungstakte manchmal etwas planlos, da sitzt bei "Unravel" jedes Motiv passgenau ohne dabei ein konstruiertes Gesamtbild zu entwerfen.
Das kurze, flott und etwas rockig polternde 'Nine Circles Of Torture' wirkt zunächst etwas unscheinbar, zündet aber mit den sphärisch flirrenden Leadsgitarren vor bassigen Riffs und grollendem Schlagwerk ein paar spannende Leuchtfeuer, während direkt im Anschluss der ausladende Siebenminüter 'A Grave Of Thoughts' durch seine schleppenden und schlurfenden Hauptriffs wieder eine gänzlich andere Atmosphäre erzeugt, als schleppe sich eine verwundete schwarze Bestie durch hüfthohen Schnee. Zur Mitte hin türmen sich die Gitarren immer weiter auf, so dass an diesem anschwellenden Stilelement auch der Postrocker seine Freude haben dürfte, bevor dieser eben errichtete Turm in sich zusammenstürzt und die Gitarren eine reduzierte, einsam klagende Klanglandschaft erzeugen, all dies angetrieben von einem grimmigen, wuchtigen, gnadenlosen Viervierteltakt des getragenen Schlagzeugs, welches erst zum Ende hin das Tempo verschärft.
Was "Unravel" eine sehr eigene Ausstrahlung verleiht, ist im Übrigen die für nordischen Black Metal äußerst ungewöhnliche Produktion. Das Album ist sehr dunkel, basslastig und wummernd in Szene gesetzt. Der für den norwegischen Stil prägende, klirrende Sound fehlt. Sowohl die Gitarren als auch das Schlagwerk sind tiefenlastig abgemischt, werden dabei aber nicht konturlos. Das Stilmittel ist von der Band gelungen eingesetzt, was vor allem ein dramatischer, alles nieder walzender Song wie 'Lead To The Pyre' perfekt illustriert. Das Finstere und Bedrohliche ist sehr gut eingefangen und doch können einige Momente explosiver Aggression in diesem Klangbild besondere Wirkung entfalten. Am nächsten am klassichen Black-Metal-Klischee ist dabei noch der vorletzte Song 'End Ritual', der sich perfekt zwischen dem eigenen Frühwerk und Sachen wie "Kronet Til Konge" positioniert, ohne im Albumkontext deplatziert zu wirken. Hier entfalten auch die auf das ganze Werk besehen für GEHENNA-Verhältnisse sehr sparsam eingesetzten Keyboards die selbe großartige Magie wie seinerzeit auf "Second Spell".
Wenn sodann 'Death Enters' nach einer ausgedehnten sphärischen Keyboard-Einleitung das Album mit einer neuerlich sehr getragenen und bedrohlichen Walze zwischen schwarzen Doom und erhaben dahin schreitendem Black Metal beschließt, dann steht für mich fest, dass der Band mit "Unravel" ein ganz großer Wurf gelungen ist. Mit dieser Scheibe gibt sich die Band keine Blöße, denn sie präsentiert sich in einem von großen Veteranen und talentierten Newcomern gleichermaßen dicht bevölkerten Genre überraschend originell und vielseitig. Ohne zu sehr an der eigenen Vergangenheit zu hängen, hat GEHENNA nach wie vor ganz enormen Wiedererkennungswert. Die Truppe um Sanrabb bedient zwar nach wie vor ihre klassichen Trademarks, erfindet sich dabei aber ein ganzes Stück weit neu und schafft es sogar, die von ihr gewählte Stilrichtung mit vor allem klanglichen und produktionstechnischen Elementen zu bereichern, die dort nun wirklich nicht alltäglich sind. Da "Unravel" zudem mit einprägsamen und beeindruckenden Kompositionen glänzt, darf es uneingeschränkt als eines der ganz großen Black-Metal-Werke des Jahres 2013 gelten.
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle