GEIST - Kainsmal
Mehr über Geist
- Genre:
- Black Metal
- Label:
- Cold Dimensions
- Release:
- 10.07.2006
- Erben aller Einsamkeit
- Einst war es Wein
- Lykoi
- Stille Wasser
- In Pans Hallen
- Kainsmal
Im deutschen Black Metal scheint sich langsam aber sicher eine qualitätsbewusste Elite zu etablieren, und das bayerische Label Cold Dimensions hat daran sicher einen gewissen Anteil. So überrascht es auch kaum, dass dessen neuestes Signing GEIST den hohen Erwartungen locker gerecht wird und mit seinem Zweitling "Kainsmal" ein wirklich mächtiges Exemplar schwarzmetallischer Tonkunst abfeuert.
Als erstes überzeugt schon die Produktion, die druckvoll und mächtig, aber dennoch extrem finster und schwermütig geraten ist, ohne dem Songmaterial die Schwere und Durchschlagskraft zu nehmen. Was GEIST auf diesem Werk meilenweit über die Heerscharen von durchschnittlichen, identitätslosen Black-Metal-Versuche heraushebt, ist aber nicht nur der Sound, sondern das Gespür für griffige Songstrukturen, die mehr hinterlassen, als den Widerhall altbekannter Weisen aus den Neunzigern. Obwohl GEIST sicher nicht die innovativste Band unter dem Nachthimmel sein mag, gelingt es dem Quintett immer wieder - im Prinzip mit jedem Song - etwas zu erschaffen, das aufhorchen lässt, und das sich auch einprägt. Auf einem klassisch schwarzmetallischen Grundgerüst, sind es erstens die Gitarrenriffs, die prägnant und individuell klingen, und zweitens die vielen kleinen, unaufdringlichen Farbtupfer, die dem Gesamtwerk Widerhaken geben, die den Anker auswerfen und damit den Hörer anketten, der rastlos durch die Ozeane an Veröffentlichungen schippert und sich nach einer solchen Ankerstätte sehnt. Egal was man genau betrachtet, bei GEIST gibt es in jedem Bereich Momente, die fesseln können. Cypher D. Rex' deutschsprachiger Gesang ist facettenreich, oft sogar gut verständlich. So schafft es der Frontmann zusammen mit Gitarrist Alboin, dessen Stimme ebenso zu vernehmen ist, immer wieder, die Melancholie, das Erhabene, das Bedeutungsschwangere und das Garstige ungefiltert an den Mann zu bringen. Ebenso gelingt es des drei Gitarristen wunderbar durch kalte Riffs, melodische Leads und vor allem sehr effektiv eingesetzte, wunderschöne akustische Melodiebögen zu glänzen, die "Kainsmal" unheimlich viel Tiefgang verleihen.
Paradebeispiel hierfür ist das grandiose Titelstück, das vom rein akustischen Beginn an fesselt und durch das Hinzutreten von Stimme und schnellen E-Gitarren-Riffs an Dramatik hinzugewinnt. Dazu gibt es einen episch-doomingen Hauptteil, dessen majestätisch gesprochener Gesang, von walzenden Riffs begleitet und von irrlichtartigen Synth-Elementen zersetzt weitere Dimensionen erschließt, von denen die breite Masse der Genrebands nur träumen kann. So begegnen uns in dem Stück etliche weitere Stimmungswechsel, die euch mit Sicherheit viele ergriffene Schauer über den Rücken jagen werden. Gerade im Zusammenspiel mit den zutiefst philosophischen Texten - von Goethes "Faust" bis hin zu Nietzsches Gedanken über die Einsamkeit finden sich allerlei klassische Zitate, aber auch eigene lyrische Kost, die es in sich hat - wirkt die Musik sehr einnehmend und intensiv. Seien es die dezenten Glockenschläge, die in trauter Eintracht mit mystischen Akustik-Zwischenspielen bei 'Erben aller Einsamkeit' vom dräuenden Schicksal künden, oder das orchestrale, an Edvard Grieg oder Gustav Holst gemahnende Moment der Einleitung zu 'Einst war es Wein' im Kontrast zum rasenden Vers und den dynamischen Zwischenstücken - bei GEIST hat jedes Lied Hand und Fuß, Seele und Charakter. Auch im Ausklang finden sich wieder akustische Arrangements mit spannender Trommelarbeit, bevor uns 'Lykoi' rasend und doch episch-anmutig, grimmig und doch mit majestätischen Chören die nordischen Wurzeln GEISTs offenbart, ohne das eigentümliche deutsche Element ihrer Musik zu verdrängen.
In einer Zeit, in der noch immer jährlich unzählige neue Bands aus dem Boden schießen, die sich ideenlos und impulsfrei am immer kleiner werdenden Black-Metal-Kuchen laben wollen, ohne der Szene und dem Genre etwas zurück zu geben, sind es Werke wie "Kainsmal", welche die Flamme weiterhin lodern lassen und die dunkle Ausstrahlung, die zur treibenden künstlerischen Kraft des vergangenen Jahrzehtes geworden war, in ein neues Zeitalter transportieren. Sich selbst und dem Geist der Musik treu, ohne Anbiederungen aber auch ohne Entfremdungen vom eigenen Stil, gelingt es den Geistern ihr Debüt zu übertreffen und somit einen felsenfesten Grundstein dafür zu legen, künftig zu den ganz großen Black-Metal-Bands unseres Landes zu zählen. Zu wünschen wär es ihnen mit dieser Scheibe, die jeder gehört haben sollte, der von Black Metal heute weit mehr erwartet als handwerklich gut gemachte Musik.
Anspieltipps: Kainsmal, Lykoi, Erben aller Einsamkeit
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle